Mögest Du glücklich sein. Laura Malina Seiler

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Mögest Du glücklich sein - Laura Malina Seiler

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Universum lässt nicht lange auf sich warten, wenn wir es um Wunder bitten. In dem Moment, in dem ich losließ, entspannte ich mich und war bereit, meine Angst neu zu betrachten. Mir wurde plötzlich klar, dass die Angstgeschichten, die sich in meinem Kopf abgespielt hatten, nur die Symptome von einer Angst waren, die wesentlich tiefer lag. Ich spürte, wie mein Körper mich durch die Symptome daran erinnerte, woher die Angst eigentlich kam, um sie endlich zu lösen. Mir wurde klar, dass die Angst tief in mir verwurzelt war, so tief, dass ich es gar nicht mehr wahrgenommen hatte. Dadurch dass ich das erste Mal in meinem Leben mit wirklicher Stille konfrontiert war und plötzlich nicht mehr von außen abgelenkt wurde oder mich durch übermäßiges Arbeiten, Konsumieren oder ständiges Checken von Social Media selbst ablenkte, spürte ich sie das erste Mal seit über 20 Jahren wieder ganz klar. Ich begann, mich an den Ursprung der Angst zu erinnern. All die Bilder, die ich in den letzten Tagen in meinem Kopf produziert hatte, hatten dieselbe Wurzel: die tiefe Angst davor, allein gelassen zu werden. Ich hatte dieses Gefühl über so viele Jahre vollkommen unterdrückt, weil es so schmerzhaft war. Angst ist jedoch wie Wasser bei einem sinkenden Schiff, es findet immer den Weg nach oben und zieht irgendwann das ganze Schiff nach unten. Der einzige Weg, um Ängste zu lösen und gehen zu lassen, ist, Licht auf sie zu werfen. Wir müssen den Mut haben, hinzusehen und das Gefühl in seiner Tiefe zuzulassen, um es zu heilen.

       »Deine Aufgabe ist es nicht, nach Liebe zu suchen, sondern einfach alle Schranken in dir selbst zu suchen und zu finden, die du gegen sie erbaut hast.« — Ein Kurs in Wundern

      Während meiner Meditation kamen die Erinnerungen an eine Zeit, die ich komplett aus meinem Bewusstsein gelöscht hatte, die aber dennoch durchweg unbewusst in mir wirkten und der Grund für viele weitere schmerzhafte Erfahrungen waren. Es waren die Erinnerungen an das erste Jahr nach der Scheidung meiner Eltern, die damals so schmerzhaft für mich waren, dass ich sie tief in mir verdrängt hatte. Ich hatte bis zu meinem zehnten Lebensjahr eine perfekte Kindheit gehabt. Ich wuchs zusammen mit meinen beiden Brüdern in einem Internat mit einem wunderschönen Park auf, das mein Vater damals leitete. Mit vier Jahren schenkten mir meine Eltern ein kleines, dickes Pony, das in den nächsten Jahren zu meinem besten Freund wurde. Ich war jeden Tag im Wald, galoppierte über die Felder und ritt sogar mit meinem Pony zum Unterricht. Ich war eine Mischung aus Ronja Räubertochter und Pippi Langstrumpf, ich machte mir um nichts Sorgen. Das Dramatischste, woran ich mich aus diesen Tagen erinnern kann, ist, dass mein älterer Bruder einmal einer meiner Puppen die Haare anzündete, woraufhin ich sein Holzhaus, das er mühevoll zusammen mit seinem besten Freund gebaut hatte, von oben bis unten in pinker Lackfarbe anmalte. Als ich zehn Jahre alt wurde, veränderte sich alles. Es war ein schöner Tag im Sommer, als mein Vater mit mir und meinen Brüdern einen Ausflug ins Schwimmbad machte. Wir waren den ganzen Tag draußen, haben gespielt, gelacht, und als wir abends erschöpft nach Hause kamen, wollte ich meiner Mutter sofort von dem Tag erzählen und von all den tollen Dingen, die wir im Schwimmbad erlebt hatten. Aber in dem Moment, als ich die Tür zu unserem Haus öffnete und im Flur stand, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte. Irgendetwas war anders, etwas fehlte. Der große goldene Spiegel meiner Mutter, der mitten im Flur hing, war nicht mehr da. Ich rief nach ihr, aber auch sie war nicht mehr da. An dem Tag, als wir schwimmen waren, ist meine Mutter ausgezogen, um ein neues Leben anzufangen – und an dem Tag hat sich mein Leben für immer verändert.

      Ich verstand die Welt nicht mehr. Es war, als wäre meine kleine Welt auseinandergebrochen, und ich verlor an diesem Tag das Urvertrauen in die Welt. Ich suchte verzweifelt nach etwas, woran ich mich festhalten konnte oder wodurch ich Sicherheit finden würde, aber da war nur der Schmerz, allein gelassen worden zu sein. Kurze Zeit später zogen wir mit meinem Vater in eine neue Stadt um, ich kam auf eine andere Schule und fühlte mich so fremd in dieser neuen Welt.

      Während der Meditation begann ich, mich plötzlich an diese Zeit zu erinnern. Ich dachte an die ersten Wochen im neuen Haus, an die Umzugskartons in meinem Zimmer und die Leere in mir. Ich spürte, wie die Traurigkeit wieder in mir hochkam und die Angst davor, von einem Tag auf den anderen alles zu verlieren, was ich liebte, und allein gelassen zu werden.

      Durch die Meditation schaute ich das erste Mal seit fast 20 Jahren hinter die Mauer, die ich damals aufgebaut hatte, und ich konnte mit jeder Zelle meines Körpers wieder den Schmerz spüren, den ich damals weggeschlossen hatte. Ich sah mich selbst als kleines Mädchen in meinem Bett liegen und beten, dass alles wieder gut werden würde, dass der Schmerz weggehen möge und ich mich nicht mehr so verloren und wieder zu Hause fühlen würde.

      So saß ich da in den Bergen Südafrikas auf meinem Meditationskissen – mit meiner Angst neben mir und der Erkenntnis, dass sie die letzten 20 Jahre immer da gewesen war, ohne dass ich mir darüber bewusst war. Ich erkannte, wie mich die Angst in meinen Beziehungen blockiert hatte, wie ich Dinge überdramatisiert hatte, weil tief in mir schon bei dem kleinsten Anzeichen von Konflikt die tiefe Angst wild Alarm schlug und mich nicht mehr klar denken ließ.

      Wenn wir uns bedroht fühlen, schüttet unser Körper Tonnen an Stresshormonen aus. Unter starkem Stress schaltet unser Gehirn alle Teile des logischen Verstands aus und arbeitet nur noch mit dem ältesten Teils des Gehirns: dem Reptiliengehirn. Ich nenne diesen Zustand immer ganz liebevoll »Drama-TV«. Mit Sicherheit kennst du dieses Gefühl auch, von der Wut oder Angst völlig überwältigt zu werden und nicht mehr klar denken zu können. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass sich dein Gehirn gerade wieder in die Steinzeit zurückkatapultiert hat. Für die nächsten 20 Minuten ist jegliches gutes Zureden verschwendete Mühe, das Einzige, was wir hier wahrnehmen, ist Drama. Unser gesamtes System ist jetzt im Überlebensmodus und wählt nur noch zwischen drei Handlungsmöglichkeiten: »Fight, Flight oder Freeze« (kämpfen, wegrennen oder totstellen). Da wir in diesem Zustand nicht in der Lage sind, gute Entscheidungen zu treffen und die Situation zu entschärfen, verstärkt der Überlebensmodus dieses Verhalten, den Konflikt in den meisten Fällen, anstatt ihn zu lösen. Sie verstärkt sogar genau das Szenario, vor dem wir eigentlich am meisten Angst haben, und führt zu Trennung und Verletzungen.

      Ich spürte, dass der Augenblick gekommen war, die tiefe Wunde zu heilen, die der Ursprung meiner Angst war und die mich über so viele Jahre davon abgehalten hatte, mein Herz zu öffnen und wieder ganz zu vertrauen. Ich hatte mich so lange gegen den Schmerz gewehrt und gedacht, ihn irgendwie unterdrücken zu können, wodurch ich mir aber auch die Möglichkeit genommen habe, ihn zu heilen. Der einzige Weg zu heilen, ist, die bittere Medizin zu schlucken und durch den Schmerz hindurchzugehen. Wir müssen Licht auf unsere Schatten werfen, damit sie sich auflösen.

      Ich nahm einen tiefen Atemzug und stellte mir vor, wie ich in Gedanken durch die Zeit zurückreiste bis zu dem Tag, an dem ich die Angst am stärksten spüren konnte. Ich konnte mich selbst wie von außen in einem Film in der Situation sehen, wie ich mich damals so hilflos und verlassen gefühlt habe, so, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich setzte mich neben mein jüngeres Ich und nahm die kleine Laura einfach in den Arm. Ich hielt sie fest, und ich sagte ihr, dass sie so stolz auf sich sein könne und dass vor ihr ein wunderschönes Leben läge, von dem sie jetzt noch nicht mal zu träumen wagte. Ich konnte den Schmerz und die Einsamkeit so stark in ihr und in mir spüren, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen. Ich wusste, ich war am Kern meiner Angst angekommen. Ich spürte, wie sich mein gesamter Brustkorb anfühlte, als würden Hunderte Steine daraufliegen, wie sich mein Hals zuzog und sich mein Magen verkrampfte. Ich wiederholte die Stimme von meinem Meditationslehrer in meinem Kopf: »Just observe«, einfach nur wahrnehmen. Und tatsächlich begann sich mein Körper zu entspannen – mit jedem Atemzug, den es mir gelang, einfach nur meine Empfindungen zu beobachten, ohne sie zu bewerten oder vor ihnen weglaufen zu wollen. Der Schmerz ließ nach. Die kleine Laura in meinem Arm begann, sich auch immer mehr zu entspannen, und es war, als würde sich ein Knoten lösen, der über 20 Jahre lang in meinem Herzen gewesen war. Die Tränen aus Schmerz verwandelten sich in Tränen der Dankbarkeit, dass ich den Mut gefunden hatte, den Schmerz zu fühlen und ihn dadurch endlich zu heilen.

      MÖGEST DU GLÜCKLICH SEIN

      › Manchmal ist es besser, nicht zu wissen,

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