Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber

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Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path - Daniela Leinweber

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damit Türme, Männchen und Fantasiebilder zu legen. Normalerweise sind wir nach einer Pause sehr gut ausgeruht und konnten Kraft für die nächste Etappe sammeln, aber heute schleppen wir uns nur mühsam weiter. Als wir endlich nach einer gefühlten Ewigkeit – und nach über zwei Kilo­metern in der realen Welt – am Ende des Strandes angelangt sind, finden wir nicht hinaus. Google Maps zeigt einen Weg, den es faktisch nicht gibt, und uns und die Straße trennt ein recht hoher Hügel. Ein ein­ziges Pärchen sonnt sich am Strand, aber da es dort so liegt, wie Gott es schuf, haben wir doch gewisse Berührungsängste und trauen uns nicht so richtig nach dem Weg zu fragen. Also laufen wir querfeldein und plötzlich taucht wie aus dem nichts ein Wegweiser des SWCP auf. Die Erleichterung ist groß, doch zwischen uns und unserem Quartier für die Nacht liegen immer noch gut vier Kilometer. Mittlerweile kommen wir an einem Parkplatz vorbei, von wo aus hier immer wieder Autos hin und her fahren, vielleicht würde jemand aufhalten, wenn wir nur leidend genug aussehen. Irgendwie vermitteln wir aber wohl das Bild, dass wir wandern WOLLEN, und so erbarmt sich keiner und bietet uns eine Fahrgelegenheit an. Allerdings könnte uns von hier aus auch ein Taxi holen, das würde gehen. Im Reiseführer steht sogar eine Empfehlung drin. Ich muss zugeben, dass die Versuchung noch nie so groß war wie genau in diesem einen Augenblick, aber dann denke ich wieder daran, dass ich Meilenpaten für genau diese Strecke habe und dass ich versprochen habe, die Meilen extra für sie zu gehen. Also schnalle ich den Rucksack, den ich zuvor achtlos ins Gras geschmissen habe, wieder auf den Rücken und weiter geht’s. „Durchhalten, geht schon noch, ist ja nicht mehr so lange“, motiviere ich mich selbst und versuche, die letzten Meilen zwischen dem Ästuar auf der einen Seite und dem trockengelegten Marschland auf der anderen doch noch ein bisschen zu genießen. Je näher die Stadt kommt, desto einfacher wird es wieder und so sind wir eine knappe Stunde später endlich beim Tesco Superstore. Wir entscheiden uns für einen sehr tiefen Einkaufswagen, nicht weil wir vor­haben, so viel einzukaufen, aber weil hier unsere Rucksäcke sehr gut ­hineinpassen und wir endlich unsere Rücken erlösen können. Zugegeben, wir sind die einzigen, die den Einkaufswagen dafür zweckentfremden, und ein paar Leute schauen uns schon irgendwie komisch an, aber wen interessiert’s? Das Heikle an der Sache ist, dass sich der Rücken plötzlich so leicht anfühlt und man dann mehr kauft, als eigentlich für den Abend nötig wäre. Nach dem Bezahlen wiegt jeder Rucksack um mindestens vier Kilo mehr und wir haben noch eine knappe Meile zu unserem B&B.

      Google Maps bringt uns zur angegebenen Adresse, nur ist dort weit und breit keine Unterkunft zu finden. Ein großer Tennisplatz ist genau da, wo unser B&B stehen sollte und ich habe ehrlich gesagt nicht vor, hier mein nicht vorhandenes, weil viel zu schweres, Zelt aufzustellen. Wir fragen ­Passanten und Leute, die auf der nahegelegenen Bushaltestelle auf ihr Verkehrsmittel warten, aber niemand hat je von Holmsleigh Guest House gehört. Zum Glück zeigt unser Telefon einen Strich Empfang an, etwas, das nicht selbstverständlich ist hier am Path, und so können wir ­unsere Gast­geberin anrufen. Wir stehen tatsächlich davor, nur befindet sich das Haus hinter dem Tennisplatz und die Sicht ist von den Sträuchern davor verstellt. Damit wir uns ja nicht verlaufen, holt uns die Gastgeberin persönlich von der Straße ab. „So nah und doch so fern“, heißt es also zum zweiten Mal an diesem Tag; aber schließlich haben wir es auch heute wieder trotz einiger Herausforderungen geschafft und freuen uns sogar irgendwie schon auf morgen, denn morgen soll es dann wirklich einfach werden.

      „Yesterday’s socks are tomorrow’s socks.“

      ~ hiking quote

      Tag 6

      Strecke: Braunton nach Appledore

      28,98 km – 110 hm – 4,48 km/h

      am Pfad: 129,98 km

      Unterkunft: Seagate Hotel, £ 90,–  großartig

      kalt ist anders

      Lautes Gebell verhindert, dass wir den Tag verschlafen. Der Haushund ist der Meinung, dass es für uns Zeit ist, aufzustehen und uns für die bevorstehende Wanderung vorzubereiten. Ein Übernachtungs-Buchungsfehler meinerseits beschert uns heute nämlich eine Strecke von 29 Kilometern. Allerdings soll es die ganze Zeit weitgehend flach verlaufen und so sind wir guter Dinge. Das klappt schon.

      Ich möchte ja nicht zu unbescheiden klingen, aber ich halte mich durchaus für so etwas wie ein Orientierungsgenie, daher denke ich nicht im Entferntesten daran, mir die heutige Route anzusehen, schließlich müssen wir nur runter zum Wasser. Bekanntlich kommt allerdings Hochmut vor dem Fall und so laufen wir mal eine Viertelstunde in die komplett falsche Richtung, bevor es sogar mir dämmert, dass wir da vielleicht doch nicht ganz richtig sind. Ich versuche das mit einer neuen Wegvariante zu verschleiern, doch Peter kommt natürlich schnell dahinter und wird mich den ganzen Tag, sogar die ganze Wanderung, damit aufziehen.

      Schnürlgerade am Tarka Trail.

      Schließlich finden wir ihn doch, den Tarka Trail, der hier mit dem SWCP verschmilzt. Es hört sich so an, als sei dieser Weg ganz alt und historisch, vielleicht wanderten hier einst die Kelten auf der Suche nach fruchtbarem Land entlang. Vielleicht waren es die Pikten, die sich von hier aus auf den Weg nach Schottland machten, um dort ihre Siedlungen entstehen zu lassen. Stimmt aber alles nicht, es war der kleine Otter Tarka, der hier nach dem gleichnamigen Buch von Henry Williamson seine Aben­teuer erlebte. Ab 1989 entstand nach und nach dieser Weg, der drei Jahre später von Prinz Charles eröffnet wurde. Diese royale Verbindung ist wohl das einzig wahre Geschichtliche an dem Ganzen. Wir gehen eine lange Gerade, bevor wir zum ersten Mal direkt mit der Präsenz des Militärs in England konfrontiert werden. Die Braunton Burrows haben wir gestern durch unseren Gewaltmarsch am Strand wortwörtlich links liegen lassen. Sie gelten, obwohl ein Teil davon zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt, als wichtige Militär­basis. Vor allem im Zweiten Weltkrieg war hier eine große Trainingsbasis für die Landung der Alliierten in der Normandie und trainiert wird immer noch. Heute allerdings wird fotografiert, nämlich an der ­Royal Marine Base Chivenor. Viele Soldaten und wenige Soldatinnen nehmen für unterschiedliche Gruppenfotos Aufstellung. Das Areal ist riesig und dient als Stützpunkt der englischen Marine. Im Laufe der Zeit werden wir uns so an das Militär gewöhnen, dass es uns nicht mehr von unseren Wanderungen abhalten wird, aber heute sind wir sehr neugierig und beobachten das grün-braune, weil bunt ist es nicht wirklich, Treiben eine ganze Weile.

      Kurze Zeit später sind wir in Barnstaple. Nein, eigentlich sind wir nicht in der Stadt, denn der Weg führt uns kurz davor über eine Brücke auf die andere Uferseite des River Taw und schickt uns dann im Grunde wieder zurück zum Ausgangspunkt, halt nur auf der gegenüberliegenden Seite. Von weitem sehen wir unser Pärchen aus Norfolk, doch es nimmt nicht die Brücke, sondern steuert ­direkt die Stadt an. Na, hoffentlich wollen sie auch wirklich dorthin und haben nicht den versteckten Wegweiser nach rechts versäumt. Wir werden es nicht mehr erfahren, denn wir werden sie nicht wieder treffen. Schade, eigentlich.

      Wir laufen nun die ehemalige Bahnstrecke entlang und kommen vorbei am wirklich liebevoll restaurierten Fremington Quay. Für eine Mittagspause ist es noch zu früh und so gehen wir schweren Herzens an dem ­kleinen Café vorbei und weiter zu einem stillgelegten Kraftwerk, das aber wenig Interessantes zu bieten hat. Bevor es mal wieder durch Dünen geht, passieren wir noch ein Cricketfeld, doch leider spielt gerade niemand. Ich hätte gerne zugesehen. Kurz darauf kommen wir in Instow an, wo eigentlich heute Schluss sein sollte, aber zumindest jetzt ist es Zeit für eine kurze Pause. Wie gerne würde ich mir das entzückende Café von vorhin hierher beamen lassen, aber in Ermangelung dessen bleibt uns nur eine Bank an der Marine Parade, auf der wir unser stibitztes Obst vom Frühstück und ein paar Schokokekse verspeisen. Irgendwie kann ich schon nachvoll­ziehen, dass viele SWCP-Wanderer diese Etappe als die unnötigste aller Teilstrecken empfinden. Es gibt so gut wie nichts Besonderes zu sehen und man wandert die ganze Zeit am Asphalt, meist entlang einer ehemaligen Bahnstrecke. Uns kommt der Tag allerdings

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