Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber
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Jedem die Behausung, die ihm gefällt.
Die letzten fünf Kilometer nach Appledore gestalten sich dann wieder etwas abwechslungsreicher und wir stellen verwundert fest, dass hier offensichtlich sämtliche Schiffe, die nicht mehr seetauglich sind oder anders eingesetzt werden, einfach sich selbst und den Gezeiten überlassen werden. Offensichtlich gibt es keine Verpflichtung zur umweltfreundlichen Entsorgung solcher und so verrotten sie hier vor sich hin. Abgesehen von dieser augenscheinlichen Umweltverschmutzung mache ich mir hier am Path auch Gedanken über die Fülle an Plastikflaschen, die wir täglich kaufen und abends wieder entsorgen. Ich versuche grundsätzlich Müll so gut wie möglich zu vermeiden, aber im Moment ist das eher schwierig, denn Plastik wiegt verhältnismäßig wenig und lässt sich daher am einfachsten tragen. Außerdem passen die kleinen Flaschen perfekt in die Seitentasche. Während ich mich noch mit dieser Problematik beschäftige, greife ich nach meiner Trinkflasche und öffne sie gedankenverloren. Keine Sekunde später bin ich nassgespritzt – und das nicht zum ersten Mal. Spezialisten im Öffnen von Getränkeflaschen sehen wohl anders aus, denn ich schaffe es einfach nicht, den Verschluss so aufzudrehen, dass die Wassertropfen nicht voll Freude und Elan in meine Richtung springen. Auch mein Mann ist, trotz mehrerer Versuche, keinesfalls erfolgreicher als ich.Vielleicht sollten wir auf stilles Wasser umsatteln, aber das trinkt sich irgendwie leichter und schneller und dann würden wir noch mehr Wasser brauchen, was das Gewicht des Rucksackes deutlich erhöhen würde. Das fällt also aus. Plötzlich sind wir mit ganz anderen Problemen als zu Hause konfrontiert. Ein weiteres stellt nämlich die Wäsche, besser gesagt die nicht vorhandene saubere Wäsche, dar. Irgendwie sind die Socken von gestern auch die Socken von heute und werden auch die Socken von morgen sein. Dadurch, dass es immer so heiß ist, können wir aber vor allem kein Shirt zweimal anziehen. Gut, könnten wir schon, aber wir wollen ja nicht, dass die Leute einen großen Bogen um uns machen. So sind wir spätestens nach drei Tagen dazu aufgefordert, die Shirts zumindest durchzudrücken. Das geht aber nur, wenn in der Unterkunft ein Handtuchtrockner vorhanden ist, sonst bekommt man die Kleidung bis zum nächsten Tag in der Früh nicht trocken. Wäsche waschen wird sich neben Wandern, Essen und Schlafen zu dem entwickeln, was wir am Path am öftesten zu erledigen haben.
Willkommen in Appledore.
Unsere Unterkunft in Appledore ist ein Traum, neu, sauber, groß, hier könnte ich bleiben. Zum Glück darf ich morgen auch länger verweilen als üblich, denn durch die vielen Kilometer, die wir heute gewandert sind, bleiben bis zum morgigen Etappenziel nur schlappe neun Kilometer mit so gut wie keinen Höhenmetern übrig. Das könnte durchaus so etwas wie Wellnesswandern werden, lassen wir uns überraschen.
„Keep on walking, superheroes!“
~ Rudy, Kassier im Northam Burrows Country Park
Tag 7
Strecke: Appledore nach Westward Ho!
10,82 km – 7 hm – 3,89 km/h
am Pfad: 140,8 km
Unterkunft: The Waterfront Inn, £ 80,– großartig
Sommer, Sonne, Sonnenschein
Heute ist unser siebter Wandertag, eine ganze Woche haben wir schon geschafft. Dass noch siebeneinhalb vor uns liegen, verdränge ich gekonnt. Wir genießen ein ausgiebiges Frühstück, verlassen erst gegen 11.00 Uhr das Seagate Hotel und bezahlen wie immer mit Kreditkarte. Ich unterschreibe, ohne auch nur einen Blick auf die Rechnung zu werfen, und schnalle meinen Rucksack auf den Rücken, als der Rezeptionist kurz aufstöhnt und zu uns gelaufen kommt. Anstelle von £ 90,– hat er £ 900,– in sein Kartenkästchen getippt und die wurden mir auch prompt abgezogen. Zum Glück ist ihm das noch aufgefallen und wir konnten eine Stornierungsbuchung unterschreiben, ich selbst hätte das wohl lange nicht kontrolliert. Aber so ist alles gut.
An der Promenade beobachten wir jede Menge Ruderer, die sich offensichtlich auf ein Rennen vorbereiten, denn das kleine Städtchen befindet sich heute im absoluten Ausnahmezustand. Hier geht’s zu wie auf einem orientalischen Basar. Fernsehteams, Fotografen und Zuschauer prügeln sich fast um die besten Plätze am Quay, dahinter feilschen jede Menge Imbissstände und Grillstationen um potenzielle Kunden. Die Appledore/Instow Regatta, die heute hier abgehalten wird, findet leider ohne österreichische Beteiligung statt; wir können trotz aller Suche keine rot-weiß-rote Flagge erkennen. Ohne es jemals versucht zu haben, denken wir, dass wir nicht über das nötige Talent verfügen, um hier jemandem Konkurrenz zu machen, daher wandern wir schließlich doch durch die bunte Irsha Street aus der Stadt hinaus. Kurz darauf kommen wir zum ersten, aber ganz bestimmt nicht zum letzten Mal an einer Royal National Lifeboat Institution Station, kurz RLNI Station genannt, vorbei. Diese gemeinnützige Freiwilligenorganisation hat über 400 Rettungsboote, mit denen sie im Jahr an die 10.000 Einsätze bewältigt. Das Gebiet, in dem sie operiert, umfasst Großbritannien, Irland und auch einige Binnengewässer im Vereinigten Königreich. Wieder etwas, das wir so zu Hause nicht erleben werden. Leider ist die Station geschlossen, ich hätte gerne einen Blick hineingeworfen, aber bestimmt wird sich irgendwann später noch eine Gele- genheit ergeben.
Regatta am River Torridge.
Jetzt heißt es erst einmal, sich durch dichtes Gebüsch, das vor allem aus Brennnesseln und Brombeerstauden besteht, zu quälen. Der Weg lässt sich bestenfalls erahnen. Zum Glück trage ich lange Hosen, denn ich höre Peter in seinen Shorts hinter mir lautstark fluchen. Auch meine Wanderstöcke sind hilfreich, denn so kann ich mir diese Biester doch etwas besser vom Leib halten. Aber wir wollten ja Abenteuer….
Kurz darauf gibt es wieder Trail Magic: Ein kleines Häuschen wartet auf Wanderer oder andere Passanten. Es ist gefüllt mit Obst, Kuchen und sogar kleinen Blumensträußchen. Wieder ist niemand verpflichtet, etwas zu geben, aber wenn man möchte, dann kommt der gesamte Erlös den Rettungsschwimmern zugute. Eher aus Solidarität und Dankbarkeit als aus Hunger entnehmen wir jeder einen Apfel und hinterlassen eine kleine Spende. Wenig später erreichen wir den Eingang zum Northam Burrows Country Park. Für alle Arten von Fußgängern ist der Eintritt das ganze Jahr über gratis, doch für Fahrzeuge gibt es neben einer Gebühr, die zu bezahlen ist, auch strikte Regeln. Der Kassier, dem etwas langweilig zu sein scheint, verwickelt uns in ein Gespräch übers Wandern und zeigt sich begeistert und erstaunt über unser Vorhaben. Rudy, wie er sich vorstellt, macht das wirklich gut, sein schauspielerisches Können ist hoch einzuschätzen, denn da dies die offizielle SWCP- Route ist und er diesen Job schon einige Jahre macht, ist er viele Male im Jahr mit einer solchen Spezies, wie wir es sind, konfrontiert. Dennoch schüttelt er den Kopf und lässt uns glauben, er hätte noch niemals Leute getroffen, die den ganzen Weg wandern, und drückt unablässig seine Bewunderung aus. Egal, ob es stimmt oder nicht, wir freuen uns trotzdem und fühlen uns sehr geschmeichelt. „Keep on walking, superheroes“, ruft er uns zum Abschied zu. Wusste ich es doch, wir sind also tatsächlich Superhelden.
Je weiter wir in die Northam Burrows vordringen, desto grotesker wird das Bild, das sich uns bietet. Ein mit Gras bewachsener Salzsumpf wechselt sich mit einer lieblichen Dünenlandschaft ab. Darauf grasen friedlich die Schafe