Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber

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Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path - Daniela Leinweber

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wir dann beim Marschland um die Ecke biegen, ist er plötzlich ­wieder da. Er liegt uns direkt gegenüber und scheint uns zuzuzwinkern. Vielleicht will er uns aber auch provozieren, der Saunton Sands Beach. Von hier aus sehen wir die tatsächliche Länge des Strandes, der uns wenige Tage zuvor fast die Lebenslichter ausgeblasen hätte. Jetzt glitzert er lieblich in der Sonne und tut so, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun. Aber nicht mit uns, mein Lieber, wir wissen, wozu du fähig bist. Besser, wir ­gehen weiter.

      Nur wenig später erreichen wir Westward Ho! (ja, tatsächlich mit Ausrufezeichen), es ist gerade mal 14.00 Uhr. Unser Zimmer ist zum Glück schon bezugsbereit, doch weder wollen noch können wir uns darin lange aufhalten. Das Nicht-Wollen liegt daran, dass wir endlich Zeit haben, an den Strand zu gehen und uns wie normale Touristen zu fühlen, und das Nicht-Können daran, dass es derart laut ist, dass ein Verweilen hier nicht möglich ist. Die Engländer versammeln sich im Pub, um das Fußballspiel gegen Schweden live am Bildschirm zu verfolgen; hier ist die Hölle los. Da England später 2:0 gewinnen wird, wird das auch den Abend und die Nacht über so bleiben. Aber es ist halt auch die Weltmeisterschaft, da ist ein solcher Ausnahmezustand mehr als gerechtfertigt.

      Nachdem wir uns eine riesige Portion Cheesy Chips gekauft haben – wir wollen ja nicht zu sehr vom Fleisch fallen – setzen wir uns auf einen Stein am Strand und beobachten all die mutigen Menschen. Es ist unfassbar, wie viele sich bei 14 Grad Celsius ins Wasser trauen, und zwar ohne Neoprenanzug. Stimmt schon, draußen ist es wirklich heiß, aber das kühle Nass bleibt trotzdem immer noch sehr kühl. Weiter als bis zu den Knöcheln komme ich heute nicht und zum Schwimmen hätten wir dann ohnehin keine Zeit, denn abends haben wir uns noch mit Sue und John verabredet. Ich habe die beiden in einer SWCP-Facebook-Gruppe kennengelernt. Die Mitglieder haben mich bei der Planung und Realisierung ­unterstützt und stehen mir auch jetzt täglich mit Rat und Tat zur Seite. Vor einigen Tagen hat mir John eine Nachricht geschickt, ob wir Lust auf ein Treffen hätten und natürlich habe ich zugestimmt. Ich freue mich immer, wenn ich mich länger mit Leuten auf Englisch unterhalten kann.

      Schafe und Golfer – ein durchaus üblicher Anblick.

      Sue und John sind pünktlich am Treffpunkt. Um der Hektik der fußballbesessenen Innenstadt zu entfliehen, gehen wir etwa einen Kilometer zu einem schönen Kaffeehaus direkt am Meer. John meint, dass wir hier morgen auch hermüssen, denn wir würden direkt am SWCP laufen. Na super, die gleiche Strecke dreimal zu gehen, das war eigentlich nicht der Plan, aber heute mache ich halt eine Ausnahme – wird im Übrigen nicht die letzte sein. Wir verstehen uns wunderbar mit den zweien und auch Peter kramt ganz tief in seiner Fremdsprachenkiste. Mehr als falsch kann es schließlich nicht sein. Wobei, auf diese Art und Weise hat er schon das eine oder andere Mal Brieffreunde von mir verwirrt zurückgelassen. Seit 25 Jahren schreibe ich wildfremden Leuten aus der ganzen Welt und habe viele von ihnen auch schon persönlich getroffen. Mit einer großen Anzahl von Leuten habe ich über die Jahre den Kontakt wieder verloren, aber der harte Kern ist geblieben und der ganz harte hat sich sogar an meiner Benefizwanderung beteiligt. Ich habe zu diesem Zeitpunkt Meilenpaten und -patinnen aus sieben verschiedenen Ländern begeistern können. Begeistern konnte ich auch Sue und John, die sich heute großzügig zeigen. Sie bezahlen nicht nur das gesamte Essen und Trinken, sondern spenden auch noch eine nicht unerhebliche Summe, die mich weiter in Richtung Ziel­betrag bringt. Ich bin sehr dankbar, vor allem dafür, wie offen die Menschen diesem Versuch der Spendenbeschaffung gegenüberstehen.

      Am heutigen Abend erfahren wir viel über den Wanderweg, aber auch über das Leben von Sue und John. Sie sind große Teile des SWCP schon selbst gewandert, wissen aber nicht so recht, ob sie ihn auch tatsächlich fertig gehen werden. Im Alter würden sich die Prioritäten verschieben, meinen sie. Das kommt für mich nicht in Frage, ich will auf alle Fälle bis zum Endpunkt, auch wenn ich mir das jetzt noch gar nicht vorstellen kann. Meine Cousine meinte zu mir, bei dieser Wanderung sei ja wohl der Weg das Ziel, aber ich sag’ es ganz ehrlich: Für mich ist trotz der großartigen Landschaft eindeutig das Ziel das Ziel.

      „Wenn Englein reisen, dann lacht der Himmel“

      ~ Sprichwort

      Tag 8

      Strecke: Westward Ho! nach Clovelly

      18 km – 913 hm – 2,46 km/h

      am Pfad: 158,8 km

      Unterkunft: The Red Lion, £ 160,–  maßlos überteuert

      sommerlich heiß

      Der Tag beginnt angenehm, denn wir kennen die Strecke bereits von gestern. Sie hat sich in der Zwischenzeit nicht verändert und so gehen wir schnellen Schrittes an den zahlreichen Ferienappartementhäusern und Strandhütten vorbei. Wer sich hier eine Wohnung für die Ferien leisten möchte, die annähernd mit unserem Standard vergleichbar ist, zahlt gut und gerne eine Million Pfund. Wir sind entsetzt über die Immobilien­preise und nutzen von nun an jede Gelegenheit, um uns über die jeweiligen Preise für Häuser und Wohnungen in den unterschiedlichen Gebieten zu informieren. Bis zum Schluss werden wir keinen Ort finden, in dem wir es uns leisten könnten, irgendeine Art von Zuhause zu kaufen. Selbst wenn wir alle Ersparnisse zusammenkratzen und unser eigenes Haus auf den Markt schmeißen würden, würde der Erlös gerade einmal für die ­Anzahlung reichen. Der Südwesten ist ein teures Pflaster, da verwundert es auch nicht, dass hier viele Immobilien zum Verkauf stehen, was die Städte irgendwie trostlos erscheinen lässt. Aber der SWCP ist vermutlich auch der teuerste Weitwanderweg, den es gibt, wenn man, wie wir, ein Flashpacker ist. Diesen Begriff habe ich zum ersten Mal in den großartigen Reiseerzählungen „Ich nehm dann mal das Upgrade!“ von Sascha Tagtmeier gelesen – dieses Wort gibt es wirklich. „Der Begriff ist eine Wortschöpfung aus Backpacker und ‚flashy‘, englisch für ‚schick‘. Flashpacker sind mit mehr Komfort und höheren Ansprüchen unterwegs als klassische Back­packer“, beschreibt Tagtmeier diese Art des Rucksackreisens. In dem Begriff finden wir uns tatsächlich eins zu eins wieder, denn der Flash­packer ist immer noch ein Individualreisender und meidet Massentourismus so gut wie möglich. Gleichzeitig aber trägt er seine ganze Ausrüstung am ­Rücken – inklusive Smartphone und Laptop versteht sich – und entscheidet sich eher für ein Upgrade des Doppelzimmers mit Klimaanlage statt für einen Zehnmannschlafsaal. „Der Geruch von Freiheit muss nicht mit dem Gestank von alten Socken einhergehen. Freiheit kann auch nach frischen Blumen in der Premiumunterkunft duften“, zumindest wenn es nach Tagtmeier geht; denn obwohl wir tatsächlich nicht im Zelt schlafen, werden noch viele unserer Unterkünfte eher nach alten Socken als nach Blumen riechen.

      Die schönsten Ausblicke gibt‘s von oben.

      Nach etwas mehr als fünf Kilometern wird eines schnell klar: Die Wellnesstage sind vorbei! Die Strecke schlängelt sich nun ziemlich steil auf die erste Klippe hinauf, um kurz darauf wieder ebenso steil bergab zu führen. Danach geht es sofort wieder ganz massiv nach oben, bevor wir langsamen Schrittes hinunter zu einem Kiesstrand trippeln. Wobei, Kies ist wohl Defini­tionssache, denn der Strand besteht aus riesigen, glitschigen Steinen, die unter jedem einzelnen Schritt wegzurutschen drohen. Jawohl, der eigent­liche Weg hat uns wieder, wir sind zurück an der als sehr schwierig beschriebenen Nordküste des SWCP. Yes! Ich würde ja gerne sagen, wir ­haben sie vermisst, aber das wäre nicht nur ein bisschen geschwindelt, sondern haushoch gelogen.

      Von weitem sehen wir unser heutiges Tagesziel, zumindest vermuten wir, dass es Clovelly sein könnte, denn sonst ist weit und breit nichts zu erkennen, was auch nur annähernd einer Ortschaft gleichkommen könnte. Ich glaube sogar, unsere Unterkunft erspähen zu können, doch das ist eher Wunschdenken. In Wahrheit erscheinen die paar Häuser, die mitten in

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