Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path. Daniela Leinweber

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Schritt für Schritt – Unterwegs am South West Coast Path - Daniela Leinweber

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      Der kleine Badeort Combe Martin, in dem wir heute übernachten, hat nicht wirklich viel zu bieten und besteht aus höchstens drei kleinen und einer ewig langen Straße. Auch gut, zumindest können wir uns nicht verlaufen. Für Royalisten ist der Ort vor allem deshalb interessant, weil aus dem Silber, das hier abgebaut wurde, Teile der Kronjuwelen entstanden. Außerdem hält Combe Martin den Weltrekord für die längste Straßenparty. Ich kann mir gut vorstellen, wie diese Party das kleine, ruhige Fischerdorf in Aufruhr versetzt haben muss. Heute allerdings ist hier tote Hose und nach dem obligatorischen Supermarkteinkauf gehen wir in unser Hotel, das natürlich wieder den Hügel hinauf liegt. Es hätte sogar einen Pool, doch wir sind zu müde, um jetzt auch noch schwimmen zu gehen. Außerdem haben sich in der letzten Stunde die Wolken ziemlich verdichtet, da zieht mich nichts ins Wasser. Dann lieber E-Mails beantworten, Fotos hochladen und ein wenig fernsehen. Obwohl es ein langer Tag mit über 1.000 Höhenmetern war, haben wir ihn gut gemeistert und können uns auf die Schulter klopfen. Vielleicht verleihen meine blauen Wunderpillen ja sogar kleine Flügel.

      So nah am Meer wie möglich.

      „Everywhere is walking distance, when you have the time.“

      Steven Wright, Comedian

      Tag 4

      Strecke: Combe Martin nach Woolacombe

      20,3 km – 1.011 hm – 2,32 km/h

      am Pfad: 76,8 km

      Unterkunft: Marine House, £ 90,–  wunderschön

      unfassbar heiß

      Mittlerweile haben wir schon so etwas wie ein Morgenritual entwickelt, das im Wesentlichen aus duschen, packen, frühstücken, einkaufen und losgehen besteht. Doch zwischen dem Aufwachen und dem Frühstücken liegt meist recht viel Zeit, denn das Leben in England beginnt deutlich später als bei uns zu Hause. Heute allerdings dürfen wir uns bereits um 8.30 Uhr den kulinarischen Genüssen hingeben. Mittlerweile verzichtet auch Peter schon auf das „Full English Breakfast“, da es sich mit vollem Bauch wirklich sehr schlecht wandern lässt.

      Die erste Station danach ist der Supermarkt, der auch in Combe Martin nicht größer als eine Greißlerei ist. Allerdings gibt es sie hier ­wenigstens noch, bei uns zu Hause sucht man diese meist vergeblich. Als ich noch ein Kind war, gab es in jedem Dorf einen Greißler, doch mittlerweile sind sie fast ausnahmslos verschwunden und selbst den lokalen ­Geschäf- ten in den Städten droht durch Internetshopping und Großkonzernen das gleiche Schicksal. Nach uns bezahlt ein Paar, deren Sprache wir nicht ­richtig zuordnen können. Deutsch scheint es irgendwie nicht zu sein, doch während ich eher auf Niederländisch tippe, glaubt mein Mann, das typische Schwitzerdütsch herauszuhören. Die Verkäuferin versucht ge- rade mühevoll, ihnen die einzelnen Wertestufen der britischen Münzen zu erklären. Dieses Problem kennen wir nur zu gut; auch wir drehen jede Münze zwei- bis dreimal um, bevor wir eine Ahnung haben, welche es möglicherweise sein könnte. Dies wird sich auch bis zum Ende unserer Reise nicht wesentlich bessern, das kann ich an der Stelle schon verraten.

      Rastbänke sind nur dann da, wenn wir sie nicht brauchen.

      Wir starten auf der Straße und steigen viele Stufen hinab, nur um diese hundert Meter später hinaufzugehen, um auf die gleiche Straße zu kommen. Für mich fällt das in die Kategorie „unnötige Anstrengung“. Der Path rühmt sich damit, so nah wie möglich am Meer entlang zu gehen, und durch diese Wegführung brachte er uns tatsächlich dem Meer zwei Meter ­näher. Wieder oben auf der Straße wartet verlockend eine kleine Bushütte auf uns. Spaßeshalber sage ich zu meinem Mann: „We could take the bus“, und wir kommen so mit einem älteren Pärchen, das hier tatsächlich auf den Bus wartet, ins Gespräch. Viel Zeit zum Plaudern gibt es leider nicht, denn wir müssen weiter. Der nächste Abschnitt ist nicht wirklich spektakulär: Wir wandern über Campingplätze, durch Stauden und auf kurzen, steinigen Stränden, haben aber immer einen großartigen Blick aufs Meer. In Ilfracombe angekommen, entschließen wir uns zu einer ­kurzen Pause, da mich von weitem schon eine kleine Bäckerei magisch anzieht, vielleicht gibt es dort ein Kipferl. Ich betrete das schnuckelige Geschäft und wer kauft dort auch gerade ein? Das nette Pärchen von der Bushaltestelle. Man sieht sich wohl tatsächlich immer zweimal im Leben. Kipferl haben sie trotzdem keines, immer nur Croissants, aber die haben halt deutlich mehr Kalorien. Daher entscheide ich mich für ein kleines Chelsea Bun, das irgendwie wie eine Zimtschnecke aussieht und doch ­keine ist. Wikipedia meint, dass es eine Art Johannisbeer-Brötchen sei, aber bei mir haben sich die Johannisbeeren als Rosinen getarnt. Egal, ­lecker ist es auf jeden Fall.

      Ilfracombe an sich ist ein Städtchen, in das ich gerne noch einmal reisen möchte. Sowohl den Hafen als auch die High Street fand ich faszinierend und ich denke, dass es da noch vieles zu ent­decken gäbe. Heute allerdings nicht. Während das Pärchen sich wieder auf den Weg zum Bus macht, bleiben wir tapfer und folgen weiterhin den Weg­weisern des SWCP. Diese führen uns nach dem Hafen rund um den ­Capstone Point und zum Torrs Walk. Hier ist wirklich alles großartig ­ausgeschildert und so können wir die Stadt recht bald verlassen und ­kommen verhältnismäßig schnell in Lee Bay an.

      Jetzt wartet die anstrengendste, aber auch schönste Teilstrecke des heutigen Tages. Wir durchqueren zwei tiefe Täler, die uns einen Vorgeschmack dessen geben, was wir ab jetzt fast täglich überwinden werden: Stufen! ­Stufen hinunter, Stufen hinauf. Erdstufen, Holzstufen, Steinstufen, Grasstufen, lose Stufen … einmal 20 Zentimeter hoch, dann 80, dann 40. Ohne Stufen wäre es einfach zu steil, mit ihnen ist es allerdings irrsinnig anstrengend für Knie und Hüften. Aber wir müssen den Weg ohnehin so nehmen, wie er ist, und es wird sich zeigen, dass Runtastic in den Teilen, in denen Stufen zu überwinden sind, die langsamste Durchschnittsgeschwindigkeit aufzeichnet.

      Schließlich erreichen wir Bull Point und den dazugehörigen Leuchtturm. Er liegt so romantisch, dass er eine großartige Kulisse für einen ­Rosamunde Pilcher Film abgeben würde. Bis jetzt haben Filmcrews dieser Reihe dieses wunderschöne Fleckchen Erde noch nicht entdeckt, das mag aber auch daran liegen, dass wir immer noch in Devon unterwegs sind und Cornwall deren bevorzugter Drehort ist.

      Camper gibt es etwa genauso viele wie Schafe.

      Der Weg führt uns weiter um den Morte Point herum. Die zerklüfteten Schieferfelsen ragen hier spektakulär aus dem Meer und erinnern mich irgendwie an den Rücken eines Dinosauriers. Vielleicht habe ich ja gerade ein gigantisches Fossil entdeckt und gehe mit diesem Fund in die Weltgeschichte ein. Wer weiß … Jetzt allerdings erregt etwas ganz ­anderes meine Aufmerksamkeit. Unten auf den Felsen liegen zwei Robben und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein. Eine weitere chillt genüsslich im Wasser und schmeißt sich kurz darauf auch auf den Gemeinschaftsfelsen. Naturbeobachtungen zählen zu den großartig­sten Erlebnissen bei einer Weitwanderung, doch Robben in ihrer natür­lichen Umgebung zu beobachten, gehört dann zumindest für mich noch einmal eine Kategorie höher eingeordnet. Wir können uns gar nicht satt­sehen und während wir den Anblick genießen, kommt auch wieder unser deutsches Pärchen von gestern und vorgestern vorbei. Dieses Mal nehmen wir uns ein wenig mehr Zeit zum Plaudern, erfahren, dass sie Sylvia und Fabian heißen und dass für die zwei bereits morgen der letzte Wandertag ist. Wahnsinn, sie haben es schon fast geschafft, wir haben da noch deutlich länger in der Gegend zu tun. Ich erzähle, dass sie uns gerne auf Facebook folgen können und wir erzählen, dass wir doch etwas ängstlich auf eine Etappe nächste Woche blicken. „Ah, das war, wo du so im Arsch warst“, meint Sylvia zu ihrem Mann.

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