Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane. Pete Hackett
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Da hatte Torrence seine Winchester aus dem Scabbard bekommen!
Clay Dillons Navy Colt spie einen neuen Feuerstrahl. Doch der Bandit hatte seinen Gaul losgelassen, und das Tier fegte schnaubend davon. Dillons Kugel fetzte an Torrence vorbei in das dunkelgrüne Blattwerk der Dogwood Sträucher.
Zur gleichen Zeit flog Torrences Gewehr an die Schulter.
Greg war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt.
„Nein, Torrence!“, brüllte er verzweifelt und stieß sich mit beiden Füßen vom Boden ab.
Er prallte in dem Moment, da die Mündungsflamme aus Torrences Gewehrlauf raste, gegen den Verbrecher. Sie stürzten beide zu Boden.
Greg konnte nicht feststellen, ob Torrence getroffen hatte. Er glaubte noch immer den Hall des Schusses in den Ohren zu hören. Wie besessen, versuchte er Torrence zu fassen. Dieser schlug mit dem Gewehr nach ihm. Der Kolben traf Gregs Schulter und warf ihn auf den Rücken.
Er rollte herum und sah Dillon noch im Sattel sitzen.
„Schnell, Marshal, kommen Sie!“, keuchte er. Im nächsten Moment bemerkte er entsetzt den großen dunklen Fleck auf Clay Dillons Hemdbrust. Das eckige Gesicht des Reiters hatte sich aschgrau gefärbt. Er versuchte, die Faust mit dem Colt nochmals in die Hände zu bekommen. Da verließ ihn die Kraft. Er kippte seitwärts vom Pferd.
Greg entdeckte aus den Augenwinkeln einen Schatten über sich. Geistesgegenwärtig schnellte er sich zur Seite. Torrences Gewehrkolben sauste mit voller Wucht an ihm vorbei und trieb eine Staubwolke aus der trockenen Erde.
Scharf einatmend rammte Greg seine Stiefel gegen Torrences Beine. Eine Wildheit, wie er sie noch nie gespürt hatte, loderte in ihm auf.
Torrence verlor das Gleichgewicht, stürzte, und die Winchester rutschte über die zertrampelte Grasfläche. Torrence fluchte krächzend und holte, noch am Boden liegend, ein Messer aus seinem Hemdausschnitt hervor. Die Klinge blitzte gefährlich im grellen Sonnenlicht.
Torrences Faust holte zum Wurf aus.
Da bekam Gregs Rechte einen harten Gegenstand zu fassen: den Kolben seines 45ers.
Er schwang die Waffe hoch, während er sich blitzschnell auf die Knie stemmte, und Torrence erstarrte mitten in der Bewegung. Zum erstenmal sah Greg Furcht in den Augen des Verbrechers.
Torrence ließ das Messer fallen. Er streckte abwehrend beide Hände aus.
„Nein, Williams, nein!“, schnaufte er. Sein Gesicht verfärbte sich. Sein Blick hing wie gebannt an Gregs schussbereitem Colt.
Greg erhob sich vollends. Aus den Augenwinkeln sah er Dillon mit dem Gesicht nach unten im halbverdorrten Büffelgras liegen, reglos und verkrümmt. Gregs Augen glühten. Langsam ging er auf den Mörder zu.
Torrence, noch immer am Boden, schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein! Tu es nicht, Williams! Nicht!“
Drei Schritte vor ihm blieb Greg stehen.
Seine eigene Stimme kam ihm fremd und tonlos vor. „Steh auf, Torrence!“
Lee Torrence stand auf. Er atmete flach und stoßweise. „Williams, du wirst doch nicht schießen. Mann, das wirst du doch nicht tun!“
Allmählich glättete sich Gregs Gesicht. Er spie verächtlich aus.
„Jetzt zeigst du deine wahre Natur, Torrence! Ich wusste ja schon immer, dass du ein ganz elender Lump bist! – Los, hol mir Dillons Pferd! Wir machen uns auf den Weg zu den anderen!“
Die Schultern verkrampft, ein Flackern in den Augen, gehorchte der Verbrecher.
*
Kurze Zeit später kamen sie aus den gelben Hügeln heraus und hatten eine endlose sonnenverbrannte Grasebene vor sich. Die Herde hatte sich über die riesige Fläche hin verstreut. Eine rötliche Staubwolke wölbte sich unter dem tiefblauen Firmament. Überall waren grasende Rinderrudel zu sehen. Vereinzelte dunkle Flecken huschten davor hin und her und brachten die Longhorns in Bewegung: die Reiter, die die Herde sammeln wollten.
Eine halbe Meile entfernt stand der angekohlte Küchenwagen. Black Noel war eben dabei, ein neues Planendach über das Gerüst zu ziehen.
Greg zwang Torrence, der zu Fuß vor ihm herging, auf den Wagen zuzuhalten. Aus der mächtigen Staubfahne, die schwerelos über der Steppe lagerte, lösten sich drei Reitergestalten. Sie erreichten den Wagen, hielten an und stiegen aus den Sätteln.
Dann vernahmen sie den Hufschlag von Gregs Pferd und drehten sich wie auf ein geheimes Kommando gleichzeitig um. Greg schaute in stoppelbärtige finstere Gesichter. Eines davon erkannte er sofort – ein Gesicht mit einer gezackten Narbe auf der rechten Wange. Das war Brod Slakeson!
Slakeson knurrte seinen Begleitern etwas zu. Sie sprangen von den Gäulen weg und senkten ihre Hände auf die Kolben der tiefgeschnallten Colts.
Greg zielte mit dem 45er auf Torrences Genick und rief scharf: „Lasst eure Eisen nur stecken, sonst geht es eurem Freund schlecht!“
Torrence wollte anhalten, aber Greg befahl ihm weiterzugehen. Die drei Banditen tauschten funkelnde Blicke. Slakeson sagte leise wieder etwas, was Greg nicht verstand. Erst als sie auf gleicher Höhe mit dem Küchenwagen waren, befahl Greg seinem Gefangenen stehenzubleiben.
„Schnallt eure Gurte ab!“, befahl er den Desperados.
Slakeson bewegte seine kräftigen Schultern. Gegen das grelle Sonnenlicht blinzelte er Greg lauernd an.
„Dir hat wohl die Sonne das Gehirn ausgedörrt, was? Komm, mein Junge, steig schön brav vom Pferd und lass dir ein paar kalte Umschläge machen!“
„Das hat Zeit bis nachher!“, erwiderte Greg trocken. „Zuerst schnallt ihr ab – oder es knallt!“
In diesem Augenblick trat Mary Lockwood hinter dem Küchenwagen hervor. Sie hielt ein Gewehr in den Händen, und die Mündung zielte auf Greg.
*
„Es ist genug, Williams!“, sagte sie kalt. „Werfen Sie Ihren Colt weg.“
Gregs Lippen wurden ganz schmal. Eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen.
„Miss Mary! Lassen Sie mich erklären …“
„Das ist nicht notwendig, Williams! Ich weiß Bescheid!“
Slakeson grinste seinen Komplizen heimlich zu. Torrence ließ die erhobenen Arme sinken.
Er keuchte hastig: „Was Ihnen dieser Schuft auch erzählen will, Miss Mary – glauben Sie ihm kein Wort.“
„Wo ist Dillon, Lee?“
„Dillon?“, schnaufte der Vormann. „Williams hat ihn erschossen – heimtückisch über den Haufen geschossen, dieser verwünschte Schurke!“
Mary