Tödlicher Fetisch. Frederique La Rouge
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Sie hatten seit geraumer Zeit getrennte Schlafzimmer und jeder von ihnen lebte seine eigene Sexualität in Form von zahlreichen Affären aus, die sie in stillem Einvernehmen tolerierten. In Wahrheit hatte Jennifer nie etwas für Pascals Fetisch übriggehabt, und dennoch hatte sie es zugelassen, dass er im Keller des gemeinsamen Hauses ein üppig ausgestattetes Sado-Maso Zimmer hatte einrichten lassen, indem er immer wieder Frauen behandelte, oder misshandelte und quälte, wie Jennifer es auszudrücken pflegte. Sie selbst betrat diesen Raum niemals, er war ihr zutiefst zuwider. Sie bevorzugte kurze, manchmal sogar parallele Affären, die sie selbst begann und meist auch wieder beendete, wenn sie des jeweiligen Partners überdrüssig wurde. Häufig hatte sie kaum tiefergehende Information, über die jeweiligen Typen, mit denen sie gerade das Bett teilte, und sie legte auch keinen übermäßigen Wert darauf. Das Exemplar, mit dem sie sich gestern Abend noch in einem Hotelbett vergnügt hatte, verfügte ganz offensichtlich über einen recht vernünftig bezahlten Job in irgendeinem Büro, zumindest ließen seine Garderobe und der Mercedes darauf schließen. Mehr wollte sie gar nicht von ihm wissen. Tiefe Emotionen oder gar Liebe spielten bei Jennifer nur eine untergeordnete Rolle. Es ging um die Befriedigung ihres Sexualtriebes, und zumindest in dieser Hinsicht nahmen sich Pascal und Jennifer nicht das Geringste. Ihre Affären waren vom Egoismus geprägte Intermezzos. Vielleicht war es gerade das fehlende soziale Gewissen, dass ihnen beiden eigen war, dass dafür Sorge trug, dass sie einander nicht verließen. Einzig die unleugbare Tatsache, dass Jennifer ihn finanziell aushielt, war für Pascal nur schwer auszuhalten. Natürlich, eine geregelte Arbeit gehörte schlicht und ergreifend nicht in seine Lebensphilosophie. Und die fünftausend Euro, die Jennifer ihm monatlich für seinen Lebensunterhalt überließ, betrachtete er nur als angemessen. Lediglich die Art und Weise, mit der sie ihm den Betrag an jedem Monatsersten zukommen ließ, empfand er als ungeheure Demütigung. Sie könnte ihm das Geld einfach überweisen. Aber nein; Jennifer hatte es sich zur lieben Angewohnheit gemacht, es regelmäßig, fast nachlässig mit einer Büroklammer zusammengesteckt, auf dem Küchentisch zu drapieren. Er wusste nur zu gut, dass Jennifer ihm mit dieser Art der Geldübergabe ihre Machtposition demonstrierte, und es genoss, ihn damit an seinem wundesten Punkt zu treffen. An jedem Monatsersten, in dem Moment, wenn er nach dem Geldbündel griff, und Jennifer ließ es sich selten nehmen, ihn dabei süffisant anzulächeln, war er von finsteren Gedanken beseelt, die allesamt damit beschäftigt waren, Jennifer auf schmerzhafte, unauffällige aber auf jeden Fall nachhaltige Weise aus seinem Leben zu katapultieren. Der persönlich überreichte Obolus, war für Pascal eine monatlich wiederkehrende, grausame Niederlage und Demütigung die Jennifer in eine Machtposition gerückt hatten, die er nur für sich in Anspruch nehmen wollte und niemandem sonst gönnte.
Jennifer betrat das geräumige Wohnzimmer. „Hallo Schatz.“, sagte sie und warf ihm einen kurzen prüfenden Blick zu. Sie hatten sich dieses Kosewort als persönliche Anrede erhalten. Wenn auch aus rein pragmatischen Gründen, um es auf Banketten oder bei sonstigen offiziellen Anlässen wie selbstverständlich benutzen zu können. In der Öffentlichkeit als harmonisches Paar aufzutreten, war ein Teil ihres gut strukturierten Erfolgskonzeptes. Pascal sah dennoch nur kurz in ihre Richtung, und reckte ihr dann zur Begrüßung lediglich das nahezu leere Bourbon Glas entgegen. Sie griff nach der Flasche an der Bar, goss sich selbst einen ordentlichen Drink ein, und mischte etwas Eis hinzu. Während sie sich mit ihrem Glas auf die große Terrasse aufmachte, stellte sie beiläufig die Whiskyflasche vor ihm auf den runden Designercouchtisch ab. Man kannte sich eben gut, und Jennifer wusste, dass dies nicht der geeignete Moment für belanglosen Smalltalk war. Pascal war in Gedanken und wollte nicht gestört werden, und Jennifer hatte nicht das Geringste daran auszusetzen, wenn er sie nicht mit seinen privaten Geschichten behelligte.
Versonnen blickte Pascal durch die lichtoffenen Gardinen zu ihr hinaus. Er betrachtete ihre langen schlanken Beine und die verheißungsvollen Konturen ihres Körpers, die sich durch das strenge Kostüm, das sie trug erregend abzeichneten. Wenn sie sich ihm damals doch nur untergeordnet hätte. Sie wären das perfekte Paar geworden, ein unschlagbares Team sozusagen. Mein Gott, wie sehr er sie dafür hasste, in diesem Moment. Ein einziges Mal hatte er versucht, sie für seine Sexualität zu begeistern. Er hatte sie geschnappt, gefesselt, sie nach allen Regeln der Kunst gevögelt, und sie hatte vor unbändiger Lust geschrien. Danach hatte er den Flogger benutzt, eine mehrstriemige Peitsche, die er besonders gerne einsetzte, und ihr heftig den sexy Arsch versohlt, bis sich zahlreiche, dicke, rote Striemen abgezeichnet hatten. Während er immer geiler geworden war, war Jennifer bei dieser Behandlung irgendwann verstummt. Ihr war nicht mehr zu entlocken gewesen, als kurze schmerzverzerrte Laute. Als er sich an diesem Abend in ihr gemeinsames Bett legen wollte, dass sie damals noch teilten, hatte Jennifer ihn mit einem geladenen Revolver empfangen. Sie hatte ihm unmissverständlich klargemacht, was sie von seiner Aktion mit dem Flogger gehalten hatte, und dass sie ihn ohne zu zögern erschießen würde, falls er auch nur auf die Idee käme, sich neben sie zu legen. Pascal war klug genug gewesen, ihren Worten Glauben zu schenken, und hatte die Nacht auf der Couch verbracht. Am nächsten Morgen hatte sie sich verhalten, als ob nichts geschehen sei. Erst beim gemeinsamen Frühstück hatte sie ihm einen Zettel zugeschoben, auf dem detailliert beschrieben war, wie sie sich ihr zukünftiges Zusammenleben mit ihm vorstellte. Er solle es lesen und rückhaltlos akzeptieren, hatte sie von ihm gefordert, während sie ihn mit eiskalten Blick aus ihren hübschen Augen taxiert hatte. Andernfalls könne er noch am selben Tag ausziehen.
Pascal war geblieben. Letzten Endes hatte er es noch ganz gut getroffen, fand er. Das Arrangement, das Jennifer ihn genötigt hatte zu akzeptieren, war letztlich nicht zu seinem Schaden: er hatte ein vernünftiges Auskommen, und konnte im Grunde tun und lassen was er wollte. Jennifer hatte lediglich verlangt, dass sie die Fassade einer Vorzeigeehe weiterhin bedingungslos aufrechterhielten. Und als etwas Gras über die ganze Sache gewachsen war, war es ihnen sogar möglich gewesen, sich innerhalb ihrer eigenen vier Wände relativ normal zu begegnen. Einzig die unglaubliche Demütigung, die sie ihm damit versetzt hatte, nagte noch immer schwer an ihm. Und wer weiß, dachte er bitter, vielleicht lasse ich dich irgendwann dafür büßen.
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