Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter. Группа авторов

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Situation erfordert und es die vorhandene Auslastung erlaubt. Eine einzelne Rolle wird daher häufig sehr überschaubar und pragmatisch beschrieben, um den jeweiligen Rolleninhabern eine selbstorganisierte Ausübung zu ermöglichen. Je umfangreicher Rollen beschrieben und „aufgeladen“ werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich Rolleninhaber mit anderen abstimmen müssen, sich verzetteln oder Priorisierungsprobleme haben. Umgekehrt ist einer Rolleninflation ebenso entgegenzuwirken, um nicht den Überblick zu verlieren und Mitarbeiterkapazitäten möglichst sinnvoll und wertschöpfend einsetzen zu können. Aufgrund regulatorischer oder gesetzlicher Anforderungen kann es jedoch dazu kommen, dass auf eine Stellendokumentation nicht verzichtet werden darf, und Rollen übergeordneten Stellen oder Funktionen zugeordnet werden, beispielsweise um die Tariftreue sicherzustellen. Auf diese Weise kann es zur Koexistenz von Rollen- und Stellenbeschreibungen in ein und demselben Unternehmen kommen.

      Flexible Ressourcenallokation

      In agilen Strukturen werden zeitliche und finanzielle Budgets, Mitarbeiterkapazitäten sowie technische und sonstige Ressourcen nicht einmal pro Jahr oder zu fixierten Zeitpunkten ausgewählten Projekten, Abteilungen oder Bereichen fest zugeordnet (vgl. Kritik an klassischen Organigrammstrukturen in Kapitel 3.3), sondern flexibel und bedarfsorientiert, je nach inhaltlichem und aktuellem Fokus verteilt. Der iterativ-inkrementelle „Test und Lern“-Ansatz kann nur dann funktionieren, wenn basierend auf den neuesten Erkenntnissen auch die Ressourcen entsprechend flexibel disponiert werden können.

      Dementsprechend sind auch die Rollen in agilen Strukturen flexibel gestaltet. Basierend auf aktuellen unternehmensexternen und -internen Informationen, Anforderungen und Erwartungen bspw. von anderen Rolleninhabern können Rollen situativ, schnell und unkompliziert gebildet und angepasst werden. Gleiches gilt für agile Teams bzw. Module. Auch diese sind nicht dauerhaft fixiert, sondern sind i. d. R. mithilfe standardisierter und verbindlicher Anpassungsmechanismen flexibel gestaltbar (vgl. bspw. Governance Meeting in Kapitel 8.3). Dadurch soll gewährleistet werden, dass die personellen Kapazitäten und Kompetenzen dort eingesetzt werden, wo sie ihr größtes Potenzial entfalten. Da Rollen in agilen Organisationen nicht an bestimmte Personen gebunden sind, sondern eher kompetenzorientiert gebildet werden, sind diese flexibler zu besetzen und wieder abzugeben, als dies in einer hierarchisch geprägten Stellenorganisation der Fall ist.

      Und auch finanzielle und technische Ressourcen werden nicht auf lange Zeiträume verplant, sondern flexibel allokiert und möglichst selbstorganisiert verteilt (vgl. bspw. den Beitrag von SCHMIDT et al. oder das Tactical Meeting in Kapitel 8.3). In agilen Organisationen kann sich die Ressourcenallokation jederzeit ändern – bei Bedarf von Woche zu Woche oder sogar täglich, wenn es das Umfeld und die Rahmenbedingungen erfordern.

      Die in Kapitel 4.3 dargestellten Charakteristika einer agilen Strukturgestaltung sind in der Abbildung 20 nochmal zusammengefasst dargestellt. Das Kapitel 8 stellt verschiedene Ansätze vor, wie dies konkret umgesetzt werden kann.

      Abb. 20: Charakteristika agiler Strukturgestaltung

      4.4 Agile Koordination

      Weil sich die Charakteristika der Koordination in agilen Unternehmen nicht 1:1 den Prozessen bzw. Strukturen zuordnen lassen, sondern die folgenden Koordinationsprinzipien für Prozesse und Strukturen gelten, werden sie hier in einem eigenen Kapitel 4.4 vorgestellt. Wie diese Koordinationscharakteristika in konkreten agilen Methoden und Ansätzen angewendet bzw. umgesetzt werden, wird dann später in den Kapiteln 6 bis 8 erläutert.

      Selbstorganisation

      Die Koordination innerhalb agiler Prozesse und Strukturen erfolgt nicht durch detaillierte Pläne, festgelegte Prozessbeschreibungen oder eine übergeordnete Instanz, sondern „auf Augenhöhe“ zwischen den Mitgliedern innerhalb der Teams im Rahmen definierter Rahmenprozesse. Das heißt, statt Fremdorganisation (vgl. Kapitel 3.4) erfolgt Selbstorganisation. Selbstorganisation im unternehmerischen Sinne bedeutet, dass Akteure eigenverantwortlich darüber entscheiden, wie sie die zu erledigenden Aufgaben ausüben. Denn es wird davon ausgegangen, dass bessere Entscheidungen getroffen werden, wenn sich diejenigen, die die Aufgaben operativ tun – und damit näher am Problem und Kunden dran sind – direkt selbst untereinander abstimmen und dabei ihre unterschiedlichen Kompetenzen und Perspektiven einbringen.110 Der kollektiven Intelligenz/Kompetenz des Teams an der Basis werden bessere Entscheidungen zugetraut als der individuellen Intelligenz/Kompetenz einer Führungskraft oder eines Vorgesetzten.

      Selbstorganisation ist aber nicht gleichbedeutend mit Hierarchiefreiheit. Stattdessen kann treffender von „hierarchiearm“ gesprochen werden.111 Eine gewisse Über- und Unterordnung gibt es meist auch in agilen Organisationen (vgl. Kapitel 8). Untergeordnete Organisationseinheiten (z. B. Subkreise, Squads) müssen sich natürlich irgendwie an den Entscheidungen in der übergeordneten Organisationseinheit (z. B. Kreis, Tribe) ausrichten – und alle am gemeinsamen Zweck (Purpose). Einzelne Rollen (z. B. Lead Link, Tribe Lead) können durchaus disziplinarische Macht ausüben.112 Und es gibt Rechtsvorschriften (z. B. § 76 AktG, § 35 GmbHG, § 26 BGB), die geschäftsführende Positionen einfordern. Darüber hinaus werden temporäre Hierarchien, in denen sich Führungsaufgaben auf mehrere bzw. wechselnde Personen verteilen, oft auch in agilen Strukturen akzeptiert. Schließlich bilden sich bei fehlenden formellen Hierarchien sehr häufig informelle Machtstrukturen bzw. Hierarchien. Von daher führt Selbstorganisation zu Hierarchiearmut, aber nicht Hierarchiefreiheit.

      In agilen Organisationen gilt deshalb das organisatorische Subsidiaritätsprinzip, das besagt, dass Entscheidungen möglichst weit „unten“ getroffen werden und „höhere“ Einheiten nur dann eingreifen sollten, wenn die Möglichkeiten des Einzelnen bzw. des Teams auf der niedrigeren Ebene allein nicht ausreichen, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Dabei kann sich die Entscheidungshoheit nicht nur auf die Art und Weise der Aufgabenverrichtung erstrecken, das Wie, sondern umfasst u. U. auch die Entscheidung darüber, welche Zielsetzung und welche Aufgaben überhaupt verfolgt werden, das Was. Das schließt beispielsweise die Entwicklung eigener Prinzipien zur Selbststeuerung und Selbstführung mit ein – Ausführungs-, Ergebnis-, Prozess- und Führungsverantwortung sind gebündelt und liegen in einer Hand. Dazu benötigen die Akteure weitreichende Kompetenzen bzw. Rechte. Zu große Freiräume bei Akteuren oder Teams können die Gesamtorganisation jedoch schnell überlasten.

      Welcher Grad an selbstorganisiertem und eigenverantwortlichem Handeln sinnvoll ist, hängt vom jeweiligen Kontext ab. In selbstorganisierten Systemen geht der Bedarf nach Regeln und Struktur idealtypisch von dem Rolleninhaber aus, bei dem dieser entsteht und wird nach Möglichkeit auch durch diesen gelöst. Nur wenn eine organisatorische Einheit den Regelungsbedarf nicht selbst lösen kann bzw. weitere Rollen oder Teams in die Entscheidung involviert oder von dieser betroffen sind, treten übergreifende Koordinationsmechanismen in Kraft (vgl. nächsten Punkt). Der Regelungsbedarf wird auf dafür geschaffene Plattformen bzw. Ebenen „gehoben“ und allen Beteiligten und Betroffenen

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