Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter. Группа авторов

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Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter - Группа авторов

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Kundenfeedback und können diese Erkenntnisse nutzen, um nachfolgende Iterationen und Inkremente inhaltlich und prozessual an die neuen Bedingungen zu adaptieren.

      So gelang es beispielweise der STADTSPARKASSE DÜSSELDORF, ein agiles Projekt mit mehr als 60 Mitarbeitenden auf die Beine zu stellen, die innerhalb kürzester Zeit ein Corona-Soforthilfeprogramm entwickelten, mit dem Ziel, Firmenkunden schnell und unbürokratisch Liquidität zu verschaffen. Aufgrund der aktuellen Krisensituation hatte das Vorhaben hohe Priorität. Die Projektteams verständigten sich darauf, eine funktionierende und schnelle Lösung einer perfekten vorzuziehen. Prozesse und Abstimmungsrunden konnten dadurch enorm verkürzt werden, mit dem Ergebnis, dass eine Erstversion bereits nach 26 Stunden vorlag, die Liveschaltung nach 59 Stunden erfolgte und die ersten Kreditanträge bereits nach 99 Stunden ausgezahlt werden konnten.94

      Organisiert wird idealerweise nur so viel, wie es die kundenorientierte Ausrichtung des Wertstroms erfordert. Die agilen Teams (vgl. Kapitel 4.3) erhalten weitreichende Kompetenzen und Priorisierungswerkzeuge, damit sie Aufgaben eigenverantwortlich einschätzen und transparent bewerten können. Im Mittelpunkt steht dabei stets der Kundennutzen, der in Relation zum korrespondierenden Umsetzungsaufwand den Return on Investment darstellt. Die Handelnden sind dadurch in der Lage, den Fokus auf die Fertigstellung der wertschöpfenden „Features“ zu richten. Wenn zu viele Aufgaben gleichzeitig auf dem Tisch liegen, dann sind zwar alle beschäftigt, ein funktionales Ergebnis für den Kunden lässt aber oft auf sich warten, wenn ständig zwischen Aufgaben hin und her gesprungen wird und man sich verzettelt. Es ist daher wichtig, sich auf die Fertigstellung und Lieferung der Inkremente zu konzentrieren. „Work in Process/Progress“-Limits (WIP-Limits, vgl. Kapitel 6.2) beispielsweise disziplinieren die Handelnden dabei, priorisierte Aufgaben zuerst fertigzustellen, bevor mit neuen begonnen werden kann.

      Pull-Prinzip

      Die Auswahl der in der nächsten Iteration fokussiert zu bearbeitenden Anforderungen und die Verteilung der Arbeit erfolgt in agilen Organisationen nicht wie in klassisch-hierarchischen Systemen zentral nach dem sogenannten Push-Prinzip, bei dem Aufträge „top down“ – von oben nach unten – in das System „gedrückt“ werden (vgl. Kapitel 3). Denn hier drohen Kapazitätsengpässe und personelle Überlastungen – sowohl an der Spitze, durch ein Zuviel an Entscheidungszentralisation, als auch an der Basis, durch das Input-getriebene „pushen“ von Aufträgen.

      Stattdessen dominiert in agilen Prozessen das umgekehrte Pull-Prinzip. Hierbei werden die Aufträge von den operativ ausführenden Akteuren in den agilen Teams „gezogen“. Steuerung und Arbeitsteilung erfolgen eigenverantwortlich und selbstorganisiert. Dadurch sollten nur so viele Aufträge angenommen werden, wie Ressourcen und Personalkapazitäten zu gegebenen Zeitpunkten vorhanden sind. Wenn dies gelingt, kann es in agilen Organisationen idealtypisch nicht zu einer Überlastung kommen (vgl. zum Pull-Prinzip ausführlich die Kanban-Methode in Kapitel 6.2).

      Hier tritt auch wieder der enge Bezug zu den Lean-Ansätzen (vgl. Kap. 2.2) in den Vordergrund, die mit dem sogenannten Just-in-Time-Prinzip und One-Piece-Flow-Konzept einen perfekt aufeinander abgestimmten und synchronisierten Arbeitsfluss anstreben, bei dem Werkstücke ohne Unterbrechung und Liegezeiten über den gesamten Produktionsprozess bis zu deren Fertigstellung durch einen Mitarbeiter oder ein Team begleitet werden.95 Übertragen auf die agile Organisation bedeutet diese Vorgehensweise, dass die Mitarbeiter eines Entwicklungs- oder Produktionsprozesses alle anfallenden Aufgaben beherrschen, diese selbstständig koordinieren, selbstorganisiert verrichten, und dadurch für den Gesamtprozess und das Ergebnis (-Inkrement) Verantwortung übernehmen.

      Zusammenfassend lässt sich für Kapitel 4.2 festhalten, dass agile Prozesse danach streben, in einem inkrementellen, auf jeweils einzelne Aspekte fokussierten und von Kundenfeedback geprägten Lernprozess, eine möglichst optimal zum wahren Kundenbedürfnis passende Lösung zu entwickeln. Die Aufgaben bzw. Aktivitäten werden dabei nicht fremdorganisiert vorgegeben, sondern von den operativ verantwortlichen Menschen bzw. Teams selbst „gezogen“.

      4.3 Agile Strukturgestaltung

      Auch im Hinblick auf die Gestaltung von Strukturen gibt es einige typische Charakteristika einer agilen Organisation, die im Folgenden vorgestellt werden. Wie diese in konkreten Strukturansätzen angewendet bzw. umgesetzt werden, wird dann später in Kapitel 8 erläutert.

      Cross-funktionale Teams

      Was TOYOTA in den sechziger Jahren eingeführt hat, versuchen andere bis heute: autonome Teams, die Probleme schneller lösen als funktionale Spezialisten oder Arbeitsgruppen.96 Für viele Experten und Managementberater sind funktionierende Teamstrukturen das wichtigste Merkmal einer erfolgreichen Unternehmens- und Organisationsentwicklung. JEFF SUTHERLAND, der Erfinder von Scrum, formuliert bespielhaft: „[T]eams are what makes the world go ‘round.”97

      Weil agile Teams eine Themenstellung umfassend bearbeiten sollen, müssen auch alle benötigten Kompetenzen und Perspektiven im Team vertreten sein. Dafür braucht es Vertreter verschiedener fachlicher Funktionen, weshalb von cross-funktionalen Teams gesprochen wird.98

      Deshalb bilden beispielsweise Krankenhäuser interdisziplinäre Case-Teams, die sich auf den Therapieerfolg ihrer Patienten ausrichten. Banken bilden cross-funktionale Teams, um den digitalen Vertrieb für Privatkunden zu positionieren. Stadtwerke besetzen ihre ÖPNV-Teams für die Steuerung und Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs interdisziplinär mit Programmierern, Produktmanagern, Business-Analysten und Verkehrsplanern. Dabei müssen keinesfalls immer alle Unternehmensfunktionen enthalten sein, aber die für die konkrete Problemstellung relevanten. Das heißt, wenn z. B. ein Chatbot für den Kundenservice gebaut werden soll, dann sollte zwingend ein Mitarbeiter aus dem Kundenservice im Team sein. Genauso muss ein Vertriebler eingebunden sein, wenn ein neues Vertriebssystem entwickelt wird.

      Bei der Zusammenstellung der Teams gilt die Regel: Das Team muss (im Hinblick auf die nötigen Kompetenzen und Perspektiven) so groß wie nötig sein, aber (im Hinblick auf die Koordination) so klein wie möglich. Um schnell handlungs- und anpassungsfähig zu sein, sind agile Teams, mit typischerweise maximal 9 Personen, relativ klein.

      Ein wichtiger Erfolgsfaktor agiler Teams ist daher auch die Kompetenz der Teammitglieder. Agilität ist keine Abkehr vom Leistungsprinzip, kein Bällebad, Ponyhof oder „Ringelpiez mit Anfassen“, sondern fordernd und anstrengend. Agile Teams müssen leisten. Dafür braucht es gute bzw. exzellente Leute.

      Der Streaming-Anbieter NETFLIX beispielsweise ist sehr agil aufgestellt und setzt auf ausgeprägte Entscheidungsfreiheit. CEO REED HASTINGS äußert häufig und gerne, dass er kaum Entscheidungen trifft bzw. treffen muss. Aber er erläutert auch, dass es ein wesentliches Element der Erfolgsgeschichte von NETFLIX ist, dass nach der Dotcom-Krise von einer Familienkultur, bei der man das schlechte Benehmen eines Bruders toleriert, zur Leistungskultur einer Fußballmannschaft gewechselt wurde. Man will lieber 10 Top-Spieler als 20 Durchschnittsspieler haben. Jeder darf auch mal einen Elfmeter verschießen, aber wer nicht angemessen „kicken“ kann bzw. das Team nicht weiterbringt, ist in einem anderen Unternehmen besser aufgehoben.99

      Damit die Zusammenarbeit in gemischten Teams funktioniert, sind sogenannte „T-Shaped Profiles“

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