Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland

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Extra Krimi Paket Sommer 2021 - A. F. Morland

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Flüche las er nur von ihren Lippen ab und die wütenden Blicke ließen ihn kalt. Mit sich zufrieden kletterte Rogge den schmalen, steilen Weg hoch. Bei der nächsten Erklärung der Lehrerin mischte er sich schon unter die Schüler.

      »Okay, in einer Viertelstunde geht’s weiter.« Die Bande stob wie ein aufgescheuchter Hühnerschwarm auseinander, Rogge fing wieder einen Blick auf und stellte sich vor: »Jens Rogge. Ich hoffe, ich störe Sie nicht.«

      »Sibylle Wagner. Nein, Sie stören nicht, und wenn Sie sich nützlich machen wollen, dürfen Sie die Nachhut bilden.«

      »Alles klar. Einige Herrschaften gieren nach einer Zigarette, wie ich vermute.«

      Sie lachte, was sie ausgesprochen sympathisch wirken ließ: »Schlimmer noch. Ich kann nicht alle Saftflaschen und -behälter kontrollieren.«

      Den Rest des Tages war Rogge als Aushilfswächter engagiert, sie stellte ihn den Kindern vor und damit war für seine Unterhaltung gesorgt. Die jungen Damen siezten ihn ausnahmslos, die meisten Jungen duzten ihn und nur in zwei Fällen hatte er das Gefühl, dass darin aggressive Verachtung mitschwang. Von der Burg liefen sie ins Tal hinunter. Rogge musste alle seine Kenntnisse zusammenklauben, um zu erklären, wie Holzkohle gebrannt wurde, und die Lehrerin machte den Kindern klar, welchen Wert in früheren Zeiten Holz besaß, als Baumaterial und für das Heizen im Winter. Rogge räusperte sich und erklärte, dass Fleisch teuer und selten war, dass aus Hunger regelmäßig gejagt wurde, aber nicht jeder einfach schießen durfte. Es gab Wald- und Jagdrechte, außerdem Fischrechte, und weil Wald so wertvoll war, durfte auch nicht jeder Bäume schlagen, wie er wollte. Bei seinem Vortrag zerkaute die Lehrerin ein Lächeln und fragte hinterher halblaut: »Sind Sie Jurist?«

      »Nein, Polizist.«

      »Hervorragend, dann weiß ich ja, wie ich meine Terroristen notfalls einschüchtern kann.«

      In der Kochenbachmühle war für Rogge und die Lehrerin gedeckt und sie unterhielten sich wie alte Bekannte. Zwei Mädchen setzten sich zu ihnen und begannen, ihm ein Loch in den Bauch zu fragen. Nein, er war kein Lehrer. Ja, er hatte auch Kinder. Nein, die gingen nicht mehr zur Schule. Ja, er war schon Großvater. Nein, er machte Urlaub. Ja, er lief gerne. Nein, er kannte Frau Wagner nicht von früher. Ja, er würde gerne noch bei ihnen bleiben.

      »Dann is ja gut.« Und weg waren sie.

      »Der Ritterschlag«, belehrte Sibylle Wagner Rogge und amüsierte sich.

      Der restliche Tag verging wie im Fluge, und am meisten erstaunte und rührte ihn sogar, dass ihm die Kinder freiwillig die Hand gaben, als er sich verabschieden musste.

      »Sie waren eine große Hilfe«, dankte die Lehrerin ernsthaft und Rogge verbeugte sich: »Das vernimmt man gerne.«

      Gertrud schien ein wenig beleidigt: »Kein Essen heute?«

      »Nein, danke, ich musste über Mittag eine Riesenportion Erbsensuppe mit Würstchen essen.«

      »Nicht doch eine Kleinigkeit? Die Chefin hat falschen Hasen gebraten, der ist wirklich gut.«

      »Also eine winzige Portion Bärenhase und einen gemischten Salat.«

      Zufrieden spitzte sie die Lippen und wirbelte davon. Der Bär war mittelprächtig besucht, die schwarze Schönheit stand hinter dem Tresen und zapfte, Olli schien sich einen freien Abend zu gönnen. Zwei aus Bennos Bande hockten rechts auf der Bank und ödeten sich an, den einen zierte ein prächtiger, wenn auch schon schmuddeliger Kopfverband und Rogge musste an die Diskoschlägerei vom Wochenende denken.

      Der falsche Hase schmeckte wirklich ausgezeichnet und Gertrud freute sich über das Lob: »Ich richt's der Chefin aus.«

      Was sie auch sofort tat, die Schwarzhaarige suchte seinen Blick und verneigte sich ungezwungen. Was Rogge brav erwiderte und sich wieder einmal fragte, was sie über ihr Leben mit Olli denken mochte. Wenn sie lächelte, war sie verführerisch schön.

      Olli erschien gegen 23 Uhr und löste seine Frau am Zapfhahn ab. So weit es ihm überhaupt möglich war, eine Stimmung zu zeigen, wirkte er heute selten zufrieden, fast aufgekratzt; er verzichtete sogar darauf, sich mit einer Hand abzustützen.

      »Tja, Gertrud, wir müssen uns auch auf Wiedersehen sagen. Ich fahre morgen Vormittag.«

      »Die Chefin hat’s schon erzählt.« Gertrud nickte betrübt.

      »Ich komm bestimmt noch einmal vorbei.«

      »Ja, sicher«, sagte sie zögernd und musterte ihn verlegen, bevor sie sich vorbeugte und hauchte: »Können wir - ich meine, ich würde Sie gern noch - also, haben Sie nachher noch Zeit für mich?«

      »Ja, natürlich«, entgegnete Rogge ruhig.

      »Fein, ich komm dann zu Ihnen.« Sie huschte davon, und als er ihr nachsah, fing Rogge von Olli einen wütenden, gehässigen Blick auf, der ihm zu denken gab. Es hatte ihm nicht gefallen, dass Gertrud einen Moment so vertraulich mit Rogge gesprochen hatte.

      Der Wirt merkte, dass Rogge ihn beobachtet hatte, und schaute ihn ausdruckslos an. Dem Kerl würde ich nicht gern allein im Dunkeln begegnen, schoss Rogge durch den Kopf.

      Das Telefon hörte er, als er sein Zimmer aufschloss.

      »Rogge.«

      »Hei, Chef, hier spricht Kili. Wir erwarten dich dringend auf dem Revier in Herlingen.«

      »Wir?«

      »Simon ist auch da. Beeil dich!«

      Nachdenklich legte Rogge auf. Wenn Simon und Kili nach Herlingen gefahren waren, musste es wichtig sein. Wichtig genug, um sich mit drei Gläsern Bier im Bauch ans Steuer zu setzen.

      Rogge parkte direkt vor der Wache und Wibbeke hielt ihm die Tür auf. »Sie werden mir eine sehr lange Geschichte erzählen müssen«, bemerkte Wibbeke trocken.

      »Meinen Sie?«

      »Nein, das weiß ich. Der Besuch sitzt in meinem Zimmer.«

      Im Bereitschaftszimmer füllte eine Streifenwagenbesatzung Formulare aus. Der Schichtleiter löste ein Kreuzworträtsel, ein Radio dudelte kaum vernehmbar. Die meisten Lampen wären ausgeschaltet und der düstere Raum wirkte kalt und abweisend.

      Als Rogge die Tür zu Wibbekes Zimmer öffnete, gähnte Kili, dass seine Gelenke knackten, und Simon schreckte aus einem Halbdusel hoch. Der Besuch entpuppte sich als ein spindeldürres Männchen, das vor Unruhe schlotterte. Seine wässrigen Äuglein flitzten hin und her, während er sich nervös die Handflächen an der Hose trockenrieb. Die grauen Haare waren dünn geworden, Rogge schätzte ihn auf zweite Hälfte fünfzig und wunderte sich, dass man ihn wegen dieses Würstchens hierher zitiert hatte.

      »Hans-Peter Eckard, 57 Jahre alt, verheiratet, wohnhaft Neustadt an der Eltz, Wiesenstraße 122, Lagerist bei der Firma Elektro-Markt in Neustadt«, leierte Kili herunter.

      »Guten Abend«, sagte Rogge leise und Eckard zog den Kopf ein.

      Simon schlenkerte seinen eingeschlafenen Fuß, und sobald Wibbeke sich zu Eckard gesetzt hatte, verzogen sie sich zu dritt ins Nebenzimmer, Kili schloss die Tür.

      Simon

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