Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
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Nach fünf Minuten stemmte Weinert sich hoch. Es nutzte ja nichts, er musste beichten, welchen Bock der Verfassungsschutz geschossen hatte. Hoffentlich war Reineke einigermaßen gut gelaunt.
Dienstag, 19. September
»Ich würde gerne noch bis Freitag bleiben«, sagte Rogge leise, als Angi den Kaffee abstellte.
»Ich freue mich, dass es Ihnen bei uns gefällt«, antwortete sie herzlich. »Das Zimmer ist frei.«
Die Bewölkung hatte sich verzogen, aber die Sonne wärmte nicht mehr so wie in der Vorwoche. Rogge verließ sich wieder einmal auf seine Wanderkarte. Allein zu laufen störte ihn nicht, er ordnete dabei seine Gedanken und fühlte sich frei, wenn er auf niemanden Rücksicht nehmen und keine Fragen beantworten musste.
Bis jetzt hatte er sich nicht mit Ruhm bekleckert. Dank Gertrud hatte Rogge zwar viel erfahren, und bevor er abreiste, musste er noch herausfinden, warum sie so schnell Vertrauen zu ihm gefasst hatte. Aber seine Anwesenheit hatte niemanden wirklich aufgescheucht, obwohl er sicher war, dass Gertrud eifrig im Dorf verbreitet hatte, welchen Beruf er ausübte.
Auf der anderen Seite - die beiden Männer vor Schönborns Villa. Mit einem gefälschten Autokennzeichen und bewaffnet. Und die beiden Schüsse. Irgendeinem Menschen war er schmerzhaft auf die Füße getreten, aber Rogge hatte keine Ahnung, wem und wann. Zuletzt Simons Geheimniskrämerei. Also wohl doch kein Fall einfacher Amnesie. Schönborn würde nach der Samstagepisode schon dafür sorgen, dass Inge Weber geschützt wurde, um die Sicherheit der Dunkelblonden musste Rogge sich nicht den Kopf zerbrechen. Wenn - und das stand leider gar nicht fest - die beiden geflüchteten Knaben wirklich an der Person Inge Weber interessiert waren und nicht doch einen Bruch ausspioniert hatten.
Über Mittag stand Rogge in einer Schmiede und schaute zu, wie zwei Reitpferde beschlagen wurden. In der Volksschule hatten sie ein Lesebuch benutzt, in dem der Schmied noch schmiedete, der Müller mahlte und der Bauer hinter seinen Rössern fröhlich pfeifend schritt. Du meine Güte, wo war das alles geblieben! Die sentimentale Anwandlung gestand er auch dem jungen Meister, der ihn auslachte: »Es kommt alles wieder. Ich hab gut zu tun, wenn Sie Richtung Weltersmühle laufen, sehen Sie gleich zwei Reiterhöfe. Und drüben in Sickenbach wird ein Golfhotel gebaut.«
In Sickenbach kam Rogge mit einer alten Frau ins Gespräch, die im Heimatmuseum Spitzen klöppelte. »Nein, leben könnte ich davon nicht, aber die Rente besseres schon auf!« Bei den Preisen der ausgestellten Stücke schluckte Rogge trocken,
Der Rückweg führte ihn durch die Halterer Berge, hier wurde Wein angebaut und er kaufte sich für zwei Mark ein Faltblatt für den Weinlehrpfad. Dass der Tourismus eine Industrie war, wusste er, aber womit man den Besuchern Geld aus der Tasche zu ziehen vermochte, erregte seine widerwillige Bewunderung.
Im Bären war nichts los. Gertrud hatte ihr Stimmungstief überwunden und brauste im gewohnten Tempo zwischen Tischen und Tresen hin und her. Olli stützte sich mit einer Hand ab, strich sich über den Kopf und war mit den Gedanken weit weg. Die Krakeeler-Bank blieb leer. Doch gegen halb zehn kam Andrea Wirksen in die Gaststube und setzte sich an einen Tisch, Rogge konnte sie im Profil mühelos beobachten.
Sie bestellte ein Bier und einen Klaren und schüttelte sich, nachdem sie den Schnaps gekippt hatte, ihre mürrischverkniffene Miene hellte sich auf, als habe sie etwas heruntergespült, was sie bedrückt hatte. Sobald sie bei Gertrud bezahlt hatte, ging sie zum Tresen und redete auf Olli ein, der sie von oben herab unbewegt musterte und verächtlich die Nase rümpfte, als sie hüfteschwenkend den Bären verließ. Eine Viertelstunde später hinkte Benno Brockes in den Raum, unterhielt sich kurz mit Olli und verließ sofort wieder die Gaststube. Seine hohen Gummistiefel wirkten durch Lehm und Dreck wie gepanzert.
Gertrud lächelte grimmig, ihr entging nicht viel.
»Wo wohnt diese Andrea eigentlich?«
»In der Hauptstraße.« Eine Sekunde zögerte Gertrud, aber die Boshaftigkeit siegte über ihre Diskretion: »Da wird sie heute aber nicht schlafen.«
»Sondern wo?«
»Bei Benno.«
»Wo liegt denn diese alte Schäferhütte?«
»Halbwegs Herlingen. An der Straße zum Deneckerhof.«
In der Nacht blieb alles ruhig.
Mittwoch, 20. September
Den Tag vertrödelte Rogge in Herlingen. Zum ersten Mal langweilte er sich, hockte in einem Café und studierte den Stockerboten von der ersten bis zur letzten Zeile, stöberte in der Buchhandlung und besichtigte die Kirche, die außer einem ehrwürdigen Altar und fragwürdigen Renovierungen künstlerisch nichts zu bieten hatte.
Um die Zeit totzuschlagen, lief Rogge auf der Landstraße zurück, ärgerte sich über die vielen Autos und bog dann in eine schmale Seitenstraße ein, die laut Hinweisschild zum Deneckerhof führte. Die Steigung war beachtlich, doch auf der Kuppe wurde man mit einem schönen Blick in ein Seitental belohnt, an dessen Ende Rogge hinter hohen Bäumen gerade noch einen Fachwerkbau erkennen konnte. Rechts lag die Schäferhütte, wie der Hauptkommissar vermutete, obwohl der Ausdruck Hütte nicht zutraf. Zwar gab es ein kleines Fachwerkhäuschen, aber auch zwei scheunengroße Gebäude, bis zur halben Höhe gemauert, darüber aus Holz gebaut. Die früheren Ställe? Das ganze Anwesen machte einen verlotterten, verlassenen Eindruck. Gemütlich schlenderte Rogge daran vorbei. Es passte zu Benno.
Auf dem Rückweg bemerkte er, dass die Dachfirste der Hütte und der Ställe etwas tiefer lagen als die Kuppe der Anhöhe. Also wind- und sichtgeschützt.
Mittlerweile kannte Rogge viele Gäste vom Sehen und um den einzigen Unbekannten, einen jungen Mann zweite Hälfte zwanzig, kümmerte sich Gertrud so angelegentlich, dass er grinsen musste. Ihre roten Ohren verrieten alles.
»Wie heißt er denn, Gertrud?«, flüsterte Rogge und sie seufzte: »Michael.«
Da hatte der Blitz gezündet, es brannte lichterloh.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit verbargen sie sich in dem Dorf. Es schien ausgestorben zu sein, nur in zwei Häusern war Licht, die anderen halb eingestürzten Gebäude lagen im Dunkel, die Straßenlaternen funktionierten wohl schon lange nicht mehr. Kein Hund bellte, keine Katze miaute. Es roch nach Verfall, als ob hier nie Menschen gelebt hätten. Nach dem letzten großen Oder-Hochwasser waren viele weggezogen.
Ellwein schauderte und der Grenzschutzoffizier betrachtete ihn herablassend. An die Einsamkeit hatten sie sich gewöhnt, auch an diese merkwürdige Stille, in der alle Geräusche auf Kilometer deutlich zu vernehmen waren. Nicht einmal die Blätter raschelten und das Oderwasser floss lautlos.
Auch so ein Schreibtischstratege, der längst von der Realität abgehoben hatte. Warum Ellwein sich seinem Trupp angeschlossen hatte, wusste der Offizier nicht so genau, das BGS-Gebietskommando