Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
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Großartig. Mühsam tippte sich Rogge durch die Menüs, verirrte sich ein paar Mal und landete mehr zufällig im Bestand Groß-Gerau: KL 2521 war vor acht Monaten abgemeldet worden. Der Opel trug also keine Dublette, sondern eine Nummer, die im Moment amtlich nicht zugeteilt war.
Zufall? An dem hinteren Kennzeichen war ihm nichts aufgefallen, TÜV-Plakette und Siegel, scheinbar alles ganz normal.
Rogge stellte sich ans Fenster und starrte auf die Kastanie. Am Montag war ihm ein Wagen gefolgt, nachdem er Inge Weber zu ihrer Gymnastik begleitet und anschließend sein Auto geholt hatte, das nahe der Bäckerei stand. Auch nur ein Zufall? Und wenn es keine Zufälle waren - was wusste Simon? Welche Einzelheiten verheimlichte der Rat?
Nein, nicht mit ihm! Er würde keinen Bericht für Simon schreiben! Vertrauen war immer noch eine Zweibahnstraße.
Entschlossen schaltete Rogge seinen Computer aus und lauschte danach auf die ungewöhnliche Stille im Haus. Seit seiner Krankenhauszeit überkam ihn manchmal das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören. Dagegen half nur, etwas zu unternehmen, bevor ihn der Trübsinn überwältigte.
Er legte Hertha Wassmuth einen Zettel auf den Tisch: Bleibe noch eine Woche weg!, und fuhr nach Hause, um sich umzuziehen.
Auf dem Weg zur Autobahn bog Rogge ab und hielt vor dem Friedhof. Er ging nicht oft zum Grab, weil er sich jedes Mal mit einem Vorwurf herumplagte. Ihre Ehe war zum Schluss ohne Höhen und Tiefen verlaufen, gleichförmig, für seine Frau vielleicht sogar langweilig, und er grübelte, ob er ihr nicht früher hätte gestehen sollen, was ihm erst nach ihrem Tod aufgefallen war: dass er sie brauchte. Leicht hatte sie es nie gehabt, je älter er wurde, desto weniger konnte er abends seine Fälle an der Garderobe aufhängen wie seinen Mantel. Seine Frau hatte lange mit sich gerungen, bis sie seine wachsende Verschlossenheit nicht mehr auf sich bezog, die Ursache nicht in ihrer Person, in ihrem Zusammenleben suchte. Ob sich deshalb die Kinder so selten bei ihm meldeten?
»Auf dem Friedhof raucht man nicht!«, quäkte eine alte gebückte Frau neben ihm, ihre Knopf äugen glitzerten vor Abscheu und Kogge fröstelte. »Sie haben ganz Recht, es stört die Toten mehr als die Lebenden.«
Im Bären war weniger Betrieb, als Rogge vermutet hatte; Olli zapfte in seiner gewohnten Stellung und warf ihm nur einen gelangweilten Blick zu. Von den jungen Leuten ließ sich keiner sehen und Gertrud wusste auch, warum: »Die sind alle zur Disko nach Herlingen.«
»Und Sie?«
Halb enttäuscht, halb wütend winkte sie mit dem Kopf Richtung Tresen: »Olli behauptet, er findet für Samstagabend keine Aushilfe.«
»Das tut mir Leid für Sie.«
»Lässt sich halt nicht ändern!«, schickte sie sich tapfer drein. In einer Disko würde sie mit ihrer Ausdauer und nicht zu bremsenden Energie Furore machen.
Keine Minute später durfte sie unter Beweis stellen, was sie leisten konnte. Eine Wandergruppe, an die vierzig Männlein und Weiblein, fiel ausgehungert und halb verdurstet in den Bären ein; Olli kratzte sich den Kopf und verzichtete auf seine Handstütze; nach einer Viertelstunde tauchte seine Frau auf und half Gertrud beim Aufträgen.
Die gute Laune der Fußfreudigen hob sich mit dem Bierverbrauch, der Lärm belästigte Rogge und deshalb verdrückte er sich.
Sonntag, 17. September
Die Wirtin sah müde aus und Rogge erkundigte sich, wie lange es denn gestern noch gegangen sei.
»Um Mitternacht kam endlich der Bus, da haben wir sie vor die Tür gesetzt. Einige haben aber hier übernachtet«, gestand sie.
»Au weia. Eine Frage hätte ich: Wie kommt man zum Scherkenhof?«
»Ganz einfach. Sie gehen die Brückenstraße hinunter und dann auf dem Weg immer geradeaus. Zu Fuß ist es allerdings eine gute Stunde.«
»Also ein schöner Spaziergang.«
Sie lächelte ihm zu, bevor sie ging. Ihre Vorliebe für hautenge Hosen und Oberteile irritierte Rogge. Wenn ihre melancholische Blässe nicht gewesen wäre, hätte man leicht auf falsche Gedanken kommen können.
Die Brückenstraße endete ziemlich abrupt vor einem Haufen Sand und Kies, seitlich führte tatsächlich ein Weg quer durch das Tal auf die Höhe zu. Der Himmel hatte sich bewölkt, Rogge schritt kräftig aus, weil die vereinzelten Windstöße kalt durch seinen dünnen Anorak bliesen. Auf beiden Hängen des schmalen Tals wuchsen Obstbäume mit niedrigen, breiten Kronen. Er marschierte an einer Herde Rinder mit schwarzem, fast samtigem Fell vorbei, die einschläfernd regelmäßig wiederkäuten und ihn mit friedlicher Neugier beäugten. Beete mit Gemüse, ein Kartoffelacker. Maisfelder, zum Teil schon abgeerntet. Dann zwei riesige Grasflächen, mit einem dünnen Maschendraht abgedeckt, auf denen sich Hunderte von braunen Hühnern tummelten. An einer Stelle war der winzige Bach zu einem flachen Becken aufgestaut, zwei gepflasterte Wege führten ins Wasser hinunter und zum ersten Mal in seinem Leben konnte Rogge Schweine bewundern, die freiwillig badeten. Es sah zu komisch aus.
Neben ihm hielt eine Radfahrerin an und grüßte freundlich: »Guten Tag.«
»Guten Tag.« Rogge deutete vergnügt auf die Schweine: »Man soll es nicht glauben.«
»Oh, da irren Sie, Schweine sind ausgesprochen reinliche Tiere, Sie müssen ihnen nur genügend Auslauf geben.«
»Gehören Sie auch zum Scherkenhof?«
»Ja. Wollen Sie auch dort hin?«
»Einer der Mitbewohner war so leichtsinnig, mich einzuladen. Johann Thelen.«
Sie grinste anerkennend: »Jo rührt überall die Werbetrommel. Ich heiße übrigens Marlies Ackeren.«
»Freut mich. Jens Rogge.«
Den Rest der Strecke schob sie ihr Rad. Er schätzte die Frau auf Ende zwanzig, sie hatte ein offenes, energisches Gesicht und schien gern zu lachen. Ohne Nachfrage erfuhr er, dass sie seit zwei Jahren auf dem Hof lebte, zuständig für die Buchführung und als Aushilfe im Laden tätig war, der heute freilich geschlossen hatte. Über ökologischen Landbau sprach sie sehr gelassen, es war eine Chance, solange man direkt vermarkten konnte und Kunden fand, die bereit waren, etwas mehr für die Produkte zu zahlen. Mit den Erträgen haperte es noch, wie sie freimütig erläuterte, und bis für jede Fläche die optimale Fruchtfolge gefunden war, würden noch ein paar Jahre mühevoller Experimente vergehen. Zudem hatte Bauer Scherken den lehmigen Boden mit seinen schweren Traktoren stark verdichtet, sie mühten sich noch ab, die Böden aufzulockern und eine stabile Bodenfauna aufzubauen.
»Wie ist der Bauer eigentlich auf die Idee gekommen umzustellen?«, forschte Rogge neugierig und Marlies Ackeren schnalzte deftig mit der Zunge: »Er hat einen Brunnen, einen Hausbrunnen. Der wird vom Gesundheitsamt des Kreises regelmäßig geprüft und beim letzten Mal hatten sie ihm verboten, sein eigenes Wasser zu trinken. Wegen zu hoher Nitratbelastung. Das hat ihm einen Stoß versetzt.«
»Verständlich«, murmelte er.
Schon in Sichtweise des Hofes lehnte Marlies Ackeren ihr Rad an einen Baum und führte ihn in die Felder. »Ich enthülle Ihnen jetzt unser größtes Geheimnis«, wisperte sie listig. »Das hier.«
Verständnislos schaute