Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland

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Extra Krimi Paket Sommer 2021 - A. F. Morland

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      »Sicher, ja, warum nicht?«

      »Kann ich mir gar nicht vorstellen.«

      »Wieso? Was macht er denn heute?«

      »Klinkenputzer ist er. Vertreter.«

      »Eberhard?« Wenn dramatisches Theater gewünscht wurde, konnte Rogge mithalten und die Rolle des entsetzten Ungläubigen beherrschte er berufsbedingt besonders gut. »Eberhard hat seinen Job aufgegeben?«

      »Ich weiß nur, dass er Vertreter ist. Dickes Auto, große Sprüche, Schulden bis obenhin, immer neue Mädchen nebenan und ewig Lärm, rücksichtslos bis zum Es-geht-nicht-Mehr.« Jetzt war es heraus, das hatte er mal loswerden müssen, und was er Eberhard nicht an den Kopf werfen konnte, durfte er wenigstens bei seinem mitschuldigen Freund und Bekannten abladen.

      Rogge fasste es nicht: »Eberhard? So kenne ich ihn gar nicht.«

      »Dann wird es höchste Zeit, dass Sie Ihren Freund richtig kennen lernen.«

      Rogge schüttelte den Kopf: »Da muss was passiert sein.«

      Vorwerk meckerte vorwurfsvoll. »Wetten, dass er wieder unterwegs ist, um sich ein neues Flittchen aufzugabeln?«

      »Aufzugabeln? Wo?«

      »Meistens in Onkel Toms Hütte.«

      Ach nee, er spionierte seinem ungeliebten Nachbarn also doch nach, aber Rogge wollte den Alten nicht darauf hinweisen, dass er sich verraten hatte.

      »Das ist ja alles sehr betrüblich«, trauerte er. »Tja, vielen Dank auch und entschuldigen Sie bitte die Störung.«

      Der junge Mann an der Hotelrezeption betrachtete ihn voller Zweifel, der mit Abscheu gemischt war: »Onkel Toms Hütte?«

      »Ja, kennen Sie das Lokal?«

      »Doch, ja. In der Nähe vom Steintor, im Rotlichtviertel.«

      Das Lokal lag im doppelten Sinne des Wortes an der Grenze und Rogge betrat es erst, nachdem er zwei Straßen weiter ein dunkelblaues Coupé mit der Buchstabenkombination H-PE entdeckt hatte. Eine Kneipe mit schlechter Luft und lauter Musik, billig mit Resopaltischen und unbequemen Metallrohrstühlen eingerichtet, an den Wänden ein Spielautomat neben dem anderen, der Holzboden übersät mit Kippen. Einen Moment fürchtete Rogge, Giftzwerg Vorwerk habe sich geirrt, aber dann fiel ihm auf, dass sich keiner nach ihm umdrehte. Das Publikum war ausgesprochen gemischt, alte Männer und junge Frauen, und der Mann hinter dem Tresen fletschte die Zähne so liebenswürdig wie eine ausgehungerte Speikobra.

      »’nen Bier«, brummte Rogge und bemühte sich, nicht auf die fleckige Sitzfläche des Hockers zu schielen. Bisher ging der Fall gewaltig zu Lasten seiner Garderobe.

      »Zum ersten Mal hier?«, vergewisserte sich der Wirt.

      Rogge unterschätzte die Fähigkeit dieser Leute nicht, einen Bullen zehn Meilen gegen den Wind zu riechen. »Ja. Bin mit einem Hardy hier verabredet.«

      Das sagte dem Knaben nichts, er zuckte die Achseln und Rogge drehte sich sofort weg, eine Antwort erwartete er nicht.

      Nach einer halben Stunde leistete er dem wütenden Nachbarn in einem Punkt Abbitte. Onkel Toms Hütte war tatsächlich eine Anbandelkneipe, zwar auf dem untersten Niveau, aber auf hohen Touren. Ab und zu kamen zwei Frauen zusammen herein, aber nie ein Paar, und wer sich allein an einen Tisch setzte, ob Männlein oder Weiblein, wurde sehr bald angesprochen. Die meisten gingen nach einer halben Stunde wieder, und zwar in Begleitung.

      Rogge überlegte, wie er weiter vorgehen sollte, aber da wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Hinter ihm polterte es plötzlich bedrohlich, und als er herumfuhr, sah er, wie zwei Männer aufeinander einschlugen. Wie der Blitz schoss der Kerl hinter dem Tresen hervor, in der Hand einen gummibezogenen Knüppel, doch es lief nicht so ab, wie er sich das vorgestellt hatte. Den einen Kampfhahn erwischte er zwar sauber am Kinn, hatte aber eine Zehntelsekunde nicht aufgepasst und wurde deshalb voll von dem Stuhl getroffen, den der andere Streithahn mit mörderischer Wut schwang. Riesengebrüll, der Thekentyp ging zu Boden, riss einen Tisch mit um, andere Männer sprangen auf, Frauen kreischten, Glas splitterte und Rogge glitt eilig vom Hocker, kippte ihn einem Heranstürmenden, der bereits die Übersicht verloren hatte, in den Weg und schlängelte sich vorbei an dem Hektischen, der lang hinschlug, nach draußen. Drinnen tobte jetzt eine mittlere Völkerschlacht. Dass er seine Biere nicht bezahlt hatte, beschwerte Rogges Beamtengewissen nur mäßig.

      Er schaute zwei Straßen weiter nach, das Coupé war verschwunden. Er machte sich auf die Suche nach einem Taxi.

      X.

      Es dämmerte schon, als Glasauge ins Zimmer schlüpfte und geräuschlos die Tür verriegelte. Vor einer halbe Stunde war sie aufgewacht, einer der üblichen Angstträume hatte sie geweckt, in deren Mittelpunkt immer er stand, das Monster, die Maschine. Er trank nicht, rauchte nicht, schwätzte nicht, ermüdete nicht, jemand hatte ihn darauf programmiert, die Papiere zu finden, um jeden Preis, und das würde er erledigen, stur wie ein Panzer, unerbittlich wie ein Roboter. Manchmal hielt sie ihn für einen Killer, dann zweifelte sie wieder, weil er ihr so unsäglich dumm vorkam.

      »Vielleicht gibt es diese Papiere gar nicht«, hatte sie einmal zu bedenken gegeben und seinem Glasaugenblick standgehalten, obwohl ihre Lippen zitterten. Eine Antwort bekam sie nicht, hatte sie auch nicht erwartet. Aber mit wem sollte sie reden?

      Die anderen, vom Verfassungsschutz, vom Bundesnachrichtendienst, vom Zollkriminalamt, hatten sie doch längst entdeckt, sie und das zweite Team, aber das schien ihn nicht zu stören. War er so verblendet, so beschränkt, dass er die Gefahr nicht erkannte? Warum griffen die anderen nicht zu? Dafür musste es einen Grund geben, doch von ihm würde sie keine Silbe erfahren.

      Schritte kamen näher, sie unterdrückte einen Schluchzer. Jeden Abend fiel er über sie her, regelmäßig wie eine Maschine, ein schweigendes Monster. Auf was hatte sie sich da eingelassen? Und das alles nur, weil er nicht aufgepasst und übersehen hatte, dass die Frau doch im Haus war, vor der er dann in Furcht oder Panik weglief, statt auch sie umzulegen. Doch dazu hatte er keinen Auftrag gehabt, und den Bericht hatte er auch nicht gefunden! Eine Leiche, zwei Leichen, lebenslänglich war ihm so oder so gewiss.

      Unter seinen Stößen jammerte sie vor Schmerzen auf.

      Sonntag, 24. September

      Sauna und Gymnastik betrachtete Rogge als konzessionierte Formen von Masochismus, aber Schwimmbecken liebte er, zumal dann, wenn er sie wie jetzt ganz allein für sich hatte. Auch den Frühstücksraum betrat Rogge als Erster.

      Nach dem Frühstück zahlte er und quälte sich noch einmal zur Von-Haaren-Allee durch. Auch am heiligen Sonntag litt das Viertel unter akuter Parkplatznot, Rogge lief kreuz und quer, bis er das Coupé entdeckte, und stiefelte anschließend zum Haus. Diesmal schnarrte der Offner und er betete, dass Opa Vorwerk nicht am Türspion klebte.

      Fuhrmann sah aus, als plage ihn ein veritabler Kater. Unrasiert, ungekämmt, in einem schmuddeligen Trainingsanzug, die Augen rot unterlaufen, sichtlich nicht ausgeschlafen. Er mochte Mitte vierzig sein und Rogge schätzte, dass er nüchtern und gewaschen, in einem ordentlichen Anzug noch gut genug aussah, um etwas unbedarfte Frauen in Onkels Tom Hütte zu beeindrucken. Fuhrmanns weicher Mund verriet Gemeinheit. In Onkel Toms Hütte war er Rogge gestern nicht aufgefallen, allerdings zuckte

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