Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
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Und die Scheißkantine hatte natürlich noch geschlossen.
Lauwarmer Tee und Zwieback. Davon hing jetzt sein Überleben ab. Er musste raus aus dem Bau, zum Teufel mit dem Computer, wo war das nächste Geschäft?
Den ersten Zwieback erbrach er umgehend. Und dieser Durst! Eine mitleidige Seele organisierte ihm den Schlüssel für das Krankenzimmer, beim dritten Versuch behielt er Tee und Zwieback bei sich und schlief vor Erschöpfung auf der Liege ein.
Gegen 15 Uhr wankte er wieder in sein Zimmer, hockte sich an seinen Schreibtisch, den Kopf auf beide Fäuste gestützt, und stierte vor sich hin. Der Griff nach der Tastatur zählte zu den unbekannt gebliebenen Heldentaten des männlichen Geschlechts. Achtzig Meldungen waren aufgelaufen und die Anfrage nach Zinneck, Charlotte und Zinneck, Hans hätte er beinahe überlesen.
Pertz schluckte und atmete dreimal tief durch, bis er wieder mit normaler Stimme fragen konnte: »Wann ist die Anfrage eingelaufen?«
»Um 8.06 Uhr.«
»Und das erfahre ich erst jetzt?«
Schippel wollte zu einer Erklärung ansetzen, aber ein gütiges Geschick bewahrte ihn vor diesem Fehler, deshalb schwieg er. Nachdem Jockel Pertz wortlos aufgelegt hatte und nur stumm über die Kooperation von Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt fluchte, rief Schippel Kitty an und sagte unter einem Vorwand ihre Verabredung ab.
Montag, 25. September
Seit Sonnenaufgang regnete es, staubfeiner Niesei schwebte herab, genug, um die Windschutzscheibe zu verschmieren, zu wenig, um die knarzenden Scheibenwischer ruhig zu stellen. Es war empfindlich kühl geworden, was Rogge in einem Punkt nicht störte, seine Sommerhosen und -jacketts hatten in den beiden vergangenen Wochen heftig gelitten und mussten irgendwann ersetzt werden; allein bei dem Gedanken an Geschäfte und Anproben und Umkleidekabinen schauderte Rogge. Altbier und Samtkragen verursachten keinen schweren Kopf, erst recht nicht auf der Grundlage von Gundas hervorragenden Buletten und Bratkartoffeln, und auch Kili, der schon seit sieben Uhr an seinem Schreibtisch hockte, hatte den mäßigen Exzess gut überstanden.
In der Semperstraße parkte Rogge drei Häuser vor der Bäckerei Krone. Als er das Geschäft betrat, warf Inge Weber ihm einen beunruhigten Blick zu, offenbar verriet sein Gesicht seine Spannung.
»Guten Morgen, Herr Rogge.«
»Guten Morgen. Können wir uns einen Moment ungestört unterhalten?«
»Ja, kommen Sie.«
Zwischen Geschäft und Backstube lag ein schmaler Raum, voll gestellt mit Schränken, einem langen Tisch und Stühlen; Inge Weber setzte sich und starrte ihn an.
»Ich glaube, ich habe etwas herausgefunden.«
»So?«
»Sagt Ihnen der Name Zinneck etwas?«
»Zinneck«, wiederholte sie gedehnt. »Nei...ein.«
»Charlotte.«
Sie überlegte, die Stirn vor Konzentration gerunzelt. »Nein«, murmelte sie schließlich und forschte in seinem Gesicht: »Müssten denn beide Namen ...«
»Ich bin mir ziemlich sicher, Sie heißen Charlotte Zinneck.«
»Charlotte Zinneck.« Sie flüsterte die beiden Wörter und ihre Blicke irrten umher. »Charlotte Zinneck - Herr Rogge, ich muss Sie enttäuschen, das sagt mir gar nichts.«
»Keine Erinnerung, keine schwache Ahnung, das merkwürdige Gefühl, man müsste sich an etwas erinnern, aber käme bloß nicht drauf?«
Ihm zuliebe strengte sie sich an, aber als ihre Lippen hilflos zu zittern begannen, erhob er sich mit einem Zentnergewicht auf den Schultern. Den Fehlschlag hatte er nicht erwartet und sie schaute ihn flehend an, als bitte sie um Entschuldigung dafür, dass sie ihm nicht helfen konnte.
»Können Sie heute Nachmittag, nach Ihrem Dienst, zu mir ins Präsidium kommen?«
»Ja, natürlich. Gegen fünf, ja?«
»Dann erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte.«
»Ja - ja - um fünf — ich muss Achim anrufen«, murmelte sie verwirrt. Sie war durcheinander, seine Erregung hatte sie angesteckt, und als sie ihm die Hand hinstreckte, kämpfte sie mit den Tränen.
Die Montagskonferenz hatte schon begonnen, als Kogge ins Präsidium kam, und Hertha legte den Kopf schräg: »Ist das nicht ärgerlich? - Nun haben Sie schon wieder diese schöne Versammlung versäumt.«
»Lieber eine Tasse Kaffee als zwei Stunden Konferenz«, flachste er sie an.
»Schon recht, aber wenn ich an die Kaffeekasse denke ...«
»Sie sollten Kassiererin bei der Mafia werden.«
»Hier fühle ich mich sowieso wie bei der Mafia«, entrüstete sie sich und er zückte ergeben sein Portemonnaie.
Kili lobte Gunda in den höchsten Tönen, ihre Buletten etwas weniger, und erwähnte nur höflichkeitshalber die Kombination von Altbier und Samtkragen, einen klaren Schnaps, auf den so vorsichtig ein dunkelroter Magenbitter gegossen wurde, dass er auf der Oberfläche des Klaren schwamm und einen Kragen bildete.
»Wie alt ist Gunda eigentlich?«, fragte Kili sehr beiläufig und Rogge grinste breit. Daraus machte sie ein Geheimnis, Rogge kannte ihr Geburtsdatum allerdings aus den Akten, und als Gunda ihn eines Abends direkt anhaute: »Stört es dich, dass ich vorbestraft bin?«, hatte Rogge geantwortet: »Wäre ich dann hier?«
»Gunda meint ganz zu Recht, man sei nur so alt, wie man sich fühle.«
»Dann steckt sie wohl noch in der Pubertät«, murrte Kili, der gestern Abend heftig mit ihr geflirtet hatte, was Rogge naserümpfend missbilligt, aber nicht gerügt hatte. Die zierliche aschblonde Gunda war hübsch und schien sanften Gemütes zu sein, hatte eine hinreißende Figur und liebte enge Kleider, bei denen sie oben und unten an Stoff sparte; alle drei Eigenschaften hatten Kili wohl daran erinnert, dass seine Jasmin gerade bei Kerzenlicht mit einem anderen Mann schäkerte, wenn nicht noch mehr, und Gunda hatte seine Komplimente mehr geduldig denn erfreut ertragen.
»Es wird sie begeistern zu hören, dass du sie für einen albernen Teenager hältst. Was macht unser Fall?«
»Alles aufs Gleis geschoben, Chef.« Anfragen in Hamburg, bei den Kollegen und der Einwohnermeldestelle, beim BKA, beim Kraftfahrzeugbundesamt, bei den Autoversicherungen. Zentraler Abgleich mit den Vermisstenmeldungen lief noch; dass Hans Zinneck seine Frau - Schwester? - Charlotte nicht als vermisst, verschwunden angezeigt hatte, ließ sich am einfachsten dadurch erklären, dass ihm ebenfalls etwas zugestoßen war. Aber beim BKA geriet jede Anfrage in die große Warte-und Kontrollschleife vor den zentralen Computern.
»Schon was aus Herlingen gehört?«
»Nein,