Drehschluss. Claudia Rossbacher

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Drehschluss - Claudia Rossbacher

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Und sie plante ihr Versprechen zu halten, auch wenn sie damit den einen oder anderen Prominenten ans Messer liefern würde. Die sensationshungrige Klatsch- und Tratschgemeinde wartete schon begierig darauf, was oder besser wen sie da demnächst verschlingen würde.

      Die einzigen Bedenken hatte Clara wegen Jackies berüchtigter Launen. Sie konnte mit Allüren nicht besonders gut umgehen, schon gar nicht, wenn sie diesen über einen längeren Zeitraum hinweg ausgesetzt war. Bisher war die Schauspielerin ihr gegenüber stets freundlich, für einen Star ihres Kalibers beinahe pflegeleicht gewesen. Doch wer wusste schon, wie das bei enger Zusammenarbeit aussehen würde? Hoffentlich packte die Diva nicht ihre gefürchteten Zicken aus. Andererseits war Clara die Chefredakteurin der UP und die Benz lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass sie auch in Zukunft auf ihr Wohlwollen angewiesen war. Ohne Medien mochte sie eine gute Schauspielerin sein, doch gewiss keine Celebrity, der ein Millionenpublikum zu Füßen lag. Schlussendlich bestimmte die Öffentlichkeit ihren Marktwert, und Jackie war clever genug, um sich mit der Journaille zu arrangieren. Auch mit der unbestechlichen Clara Bodenstein.

      Kurz bevor der Airbus A320 auf der Landepiste aufsetzte, erhaschte Clara von ihrem Gangplatz aus einen Blick aus dem Fenster. Erfreut stellte sie fest, dass die Sonne auch unterhalb der Wolkengrenze vom mallorquinischen Himmel schien. Nach ziemlich ruppiger Landung bremste der Pilot die Maschine herunter. Einige Passagiere klatschten Beifall, was Clara ein genervtes Augenrollen entlockte, das alsbald in ein zauberhaftes Clara-Bodenstein-Lächeln überging. Jetzt, da sie in Palma gelandet war, freute sie sich so richtig auf die neue Herausforderung. Clara liebte ihren Job bei der UP und hatte im Verlag noch einiges vor, aber ein Buch zu schreiben war die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Ihre Autorenkarriere hatte sie zwar erst für einen späteren Zeitpunkt geplant, aber wenn es sich jetzt schon ergab, umso besser. Sie brannte darauf, Jackie Benz’ Biografie zu schreiben. Und Mallorca war allemal eine willkommene Abwechslung. Überhaupt, wo es in diesem Jahr in Berlin einfach nicht warm werden wollte.

      Jackies Fahrer erwartete Clara am Flughafen, um sie zum geheimen Filmset zu bringen, wo in den nächsten Wochen der 90-Minüter Straße ohne Schatten gedreht werden sollte. Drei Wochen lang hatte die Crew bereits in der Inselhauptstadt Palma de Mallorca gearbeitet. Ab sofort diente eine Finca als Location, die irgendwo im Hinterland in der Nähe von Pollença vor den südlichen Ausläufern der Serra de Tramuntana lag. Mehr wusste Clara nicht.

      Conny Krämer, die übervorsichtige Produktionsleiterin der Filmproduktion hatte befürchtet, dass sie den Drehort in der UP verraten und damit schaulustige Touristen anlocken könnte, was Clara reichlich paranoid fand. Immerhin hatte sie sich vertraglich verpflichtet, ihre Exklusivberichte von den Dreharbeiten erst nach Drehschluss zu veröffentlichen, zudem ausschließlich die Bilder des Set-Fotografen zu verwenden. Schon ein merkwürdiges Völkchen, diese Filmleute, dachte Clara, ohne zu wissen, wie recht sie damit hatte.

      Während sie im Fond der Mercedes-Limousine Platz nahm, hievte der untersetzte Fahrer namens Pedro ihren riesigen knallroten Koffer unter wildem, katalanischem Fluchen in den Kofferraum. Wieder einmal hatte Clara viel zu viel eingepackt. Wer wusste schon, was man um diese Jahreszeit bei einem Filmdreh im gebirgigen Norden Mallorcas benötigte? Vier Paar High Heels waren vermutlich ein wenig übertrieben, aber es konnte ja keinesfalls schaden, auch outfitmäßig auf alles vorbereitet zu sein.

      Im Wagen zückte Pedro ein blassblaues Baumwolltaschentuch. Schnaufend wischte er sich damit den Schweiß von der Stirn und aus dem wulstigen Nacken und startete den Motor.

      20 Minuten später jagte er die Limousine über die Autobahn, die sie von der Küste durch die Ebene im Landesinneren immer näher ans Gebirge heranführte. Zu dieser Jahreszeit präsentierte sich die Insel noch recht grün, fand Clara, die Mallorca bislang nur im brütend heißen, trockenen Hochsommer kannte. Eine halbe Stunde später fuhr Pedro von der Autobahn ab. Sie passierten die drittgrößte mallorquinische Stadt Inca, die auf riesigen Schildern für ihre Lederwaren warb. Danach fuhren sie durchs malerische Provinzstädtchen Selva, das am Fuße des majestätischen Tramuntana-Gebirges lag. Nach der nächsten Ortschaft Caimari bog Pedro in die Nebenstraße ein. An deren Ende hielt er vor der Hotel-Finca an. Hier waren der Regisseur Sebastian Reimann, der Kameramann Martin Rosen, die Produktionsleiterin Conny Krämer und die wichtigsten Darsteller einquartiert. Und Clara als Jackie Benz’ persönlicher Gast. Der Rest der rund 50-köpfigen deutsch-spanischen Filmcrew verteilte sich auf mehrere kleinere Unterkünfte in der Umgebung, erklärte ihr Pedro in passablem Deutsch. Die ganze Fahrt über hatte er beleidigt geschwiegen. Jetzt, da sich ein junger Spanier mit Claras schwerem Koffer abmühte, plauderte er munter auf sie ein, während er sie zu ihrem Zimmer im Erdgeschoss begleitete. Um 12 Uhr wollte er sie vor der Finca wiedertreffen, damit er sie zum Mittagessen zum Set fahren konnte.

      Clara steckte dem Kofferträger zwei Euro zu, schloss dann die Tür hinter den Männern. Dem Fahrer wollte sie später ein größeres Trinkgeld geben. Irgendwie war ihr der stolze Pedro sympathisch. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Ihr blieb noch eine knappe Stunde, um sich zu duschen und ihren Koffer auszupacken.

      Danach schlüpfte sie in ihre Designerjeans und die weiße Bluse, legte frisches Make-up auf und steckte ihre schulterlange weizenblonde Lockenmähne locker hoch.

      Es war Punkt 12 Uhr, als sie Pedro im Mercedes aus seiner Siesta riss. Die Zehn-Euro-Note, die sie ihm nach vorne reichte, versöhnte ihn augenblicklich. Lächelnd steckte er das Trinkgeld in die Brusttasche seines Hemds und startete erneut den Motor, um zum ominösen Drehort aufzubrechen.

      Wenig später passierten sie das pittoreske Straßendorf Campanet, das um die Mittagszeit völlig ausgestorben war. Jeden Samstag sei hier Wochenmarkt, erklärte ihr Pedro und fuhr weiter durch Pollença in Richtung Gebirge. Der Mercedes folgte nun den engen, holprigen Straßen, die sich im Naturschutzgebiet bergauf und bergab schlängelten, vorbei an kargen Felsen, malerischen Olivenhainen und Pinienwäldchen, ehe er in einen staubigen Weg einbog, der steil nach oben bis zu einem gut versteckten Landgut führte.

      Dort lag sie also. Die geheimnisvolle Location, auf der die mit Abstand kostspieligste TV-Produktion des Jahres gedreht wurde. Der alte Turm der Finca war Clara schon aus einiger Entfernung aufgefallen. Jetzt erst nahm sie das emsige Treiben vor dem steinernen Gebäude wahr. Pedro hielt den Wagen an und wirbelte dabei eine dicke Staubwolke auf, die langsam, aber unaufhaltsam in Richtung Set zog.

      Clara stieg aus dem Wagen.

      »Psst! Wir drehen«, zischte ihr die junge Frau mit den aschblonden Dreadlocks zu, die plötzlich neben dem Mercedes aufgetaucht war. »Leise, bitte«, flehte sie im Flüsterton und hielt die offene Autotür verzweifelt fest.

      »Guten Tag. Ich bin …«

      »Psst!«, wiederholte die junge Frau, ihren Zeigefinger beschwörend an die Lippen legend. Ihr banger Blick folgte der Staubwolke, die dem Set bedrohlich nahe war.

      »Und Schnitt! Großartig, Jackie! Genau die war es! It’s a wrap!«, meinte Reimann beglückt.

      »Check the gate!«, rief der Regieassistent.

      Der Kameraassistent beugte sich über die Kamera und überprüfte das Bildfenster auf etwaige Fusseln, Abrieb oder Haare, die die Aufnahme unbrauchbar gemacht hätten. »Sauber«, antwortete er. Die Szene war im Kasten.

      »Puh, das ist ja grad noch mal gut gegangen«, meinte die Aschblonde erleichtert zu Clara. »Der Reimann hätte mir den Arsch aufgerissen, wenn ihr ihm den Take vermasselt. Ich sollte den Weg schon weiter unten absperren, damit keiner hoch kann, während wir drehen. Aber ich musste dringend Pipi«, erklärte sie in rasantem Sprechtempo, während sie Clara die Hand schüttelte. »Herzlich willkommen!«, fügte sie hinzu.

      »Danke«, erwiderte Clara wenig begeistert und wischte sich die Hand an ihrem Hosenbein ab.

      »Siesta!

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