Brillanter Abgang. Alexander Hoffmann
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Hans ging wieder in die Küche, ließ einen zweiten Kaffee in seine Tasse tröpfeln, seine Hände zitterten noch immer. Er war froh, ihr nicht in die Augen schauen zu müssen, und rief ihr von der Küche aus zu: »Na, da trifft es sich ja gut, dass du aus dem Bankwesen kommst.« Er schleppte sich zurück ins Arbeitszimmer, umarmte sie von hinten und flüsterte: »Nur dass 200 Millionen etwas zu viel sind für meine Fantasie. Außerdem gehört mir das Geld gar nicht.«
Tonja tippte mit einem Zeigefinger auf den Bildschirm. »Doch, doch. Immerhin steht hier schwarz auf weiß geschrieben, dass du nicht mehr pleite bist.« Sie stand auf und stemmte ihre Hände in die Hüften. »Haben wir die Bank gezwungen, uns das Geld gutzuschreiben? Nein! Wir haben uns nicht aufgedrängt. Sieh es einfach als nettes Angebot.«
Hans brauchte frische Luft und öffnete ein Fenster zur Straße hin. Aber es half nichts. Die Augusthitze war längst auf dem Weg nach oben. Ihm wurde schwindlig.
Tonja trat an ihn heran, ihr warmer Atem strich über seinen Nacken. Sie gurrte: »Lass uns die Millionen als Leihgabe betrachten, als Überbrückung in großer Not. Die kriegen es zurück, irgendwann. Wenn wir was draus gemacht haben. Wir lassen das Geld arbeiten. Selbst wenn die Concom später Zinsen haben will, erzielen wir noch ein kräftiges Plus obendrauf.«
Hans ließ sich auf der Récamiere in seinem Arbeitszimmer nieder, seiner Lieblingsruhestätte. Er war wie gelähmt, nun zitterten auch seine Knie. Er sagte matt: »Das habe ich noch nie erlebt, das geht doch alles gar nicht.«
Tonja ging in die Hocke vor ihm, das Oberhemd klaffte auf und ihre Haut duftete nach Pfirsich. »Versuchen wir es mal ganz rational. Denk an deine fünf besten Freunde.«
»Wozu?«
»Was würden die tun, wenn sie zwei Millionen auf ihrem Konto vorfänden, die ihnen nicht gehören?«
Hans überlegte. »Zurückgeben, wenn auch mit einem gewissen Bedauern.«
»Richtig. Und bei 20 Millionen?«
»Das Bedauern wäre intensiver.«
»Wieder richtig. Und bei 200 Millionen?«
»Da kämen alle fünf ins Grübeln.«
Tonja erwiderte: »Wenn sie Mumm haben, würden sie sagen: ›Jetzt oder nie.‹«
2. Kapitel
Frankfurt am Main
Hans stand vor dem Bankomaten an der Bockenheimer Landstraße, keine 100 Meter von seiner Wohnung in der Myliusstraße entfernt. Eine feine Wohnstraße im feinen Frankfurter Westend. Doch trotz der guten Adresse waren seine Dialoge mit dem Automaten zuletzt ziemlich unfruchtbar gewesen. Vorsichtig tippte Hans eine herzliche Bitte um Auszahlung von 1.000 Euro ein. Es knarzte und schabte, dann hatte das Gerät seinen Wunsch in handliche Scheine verwandelt. Sein Herz entkrampfte. Er ließ die angehaltene Luft aus den Lungen entweichen. Auf seinem Konto war tatsächlich Geld.
Tonja hatte ihn zum Geld holen geschickt. »Auf keinen Fall zur Bank«, hatte sie gesagt. »Wir sollten selbst prüfen, was Sache ist. Außerdem muss ich in Ruhe telefonieren.«
Als er zurückkehrte, telefonierte sie immer noch. Hans wunderte sich, denn dieses Handy hatte er noch nie gesehen.
Sie legte es kurz beiseite und flüsterte: »Ein Prepaid-Handy, habe ich immer dabei, für alle Fälle. Heute ist es so weit, keiner soll meine Nummer zurückverfolgen können.« Tonja hatte sich inzwischen angekleidet, sie trug Jeans und eine Bluse. Es stand ihr gut, wie alles, was sie anzog.
Sie hatten sich erst im Frühling – es war kaum vier Monate her – in einer Sachsenhäuser Apfelweinkneipe kennengelernt. Bei Hans hatte es sofort gefunkt, bei Tonja beim dritten Treffen. Kurz darauf begann sie, Höschen um Höschen bei ihm einzuziehen. Es ging rasch mit ihren wenigen Habseligkeiten. Eine wilde Zeit, zu der auch Durstewitz gehörte. Zumindest bis der sich mit den vier Millionen vom gemeinsamen Konto aus dem Staub gemacht hatte.
Hans riss sich aus den gedanklichen Abschweifungen und fixierte Tonja. Sie führte ein wohl wütendes Gespräch auf Kroatisch. Hans stand stumm in der Ecke des Arbeitszimmers, er verstand kein Wort. Eine seltsame Sprache. Tonja verfiel jäh in einen anschwellenden Singsang sirrender Vokale, dann kam ein Sturzbach ratternder Konsonanten – mršav, brzo, krk, trg. Hans kam es vor, als ob sie mit einem Maschinengewehr auf Kokosnüsse schoss.
Tonja hatte sich die Haare zu einem Zopf gebunden, die Haut über ihren hohen Wangenknochen glühte. Sie war konzentriert, wovon tiefe Querfalten über den hochgezogenen Brauen zeugten. Vor ihr auf dem Bildschirm die magischen 200 Millionen. Das Maschinengewehr schoss weiter, und Hans schweifte erneut ab.
Was sie wohl fand an ihm, diesem Verlierer? Er sah noch ziemlich gut aus mit seinen 40 Jahren, aber außer der Hülle hatte er im Moment – ein Moment, der sich hinziehen konnte – nichts zu bieten. Sie war bei ihm geblieben, als er ihr das Ausmaß der Katastrophe unterbreitet hatte. »Was hat das mit uns zu tun?«, hatte sie gemeint und dass vier Millionen Verlust sowieso derart unfassbar sei, dass sie sich lieber an ihm festhalte.
Endlich legte Tonja auf. Hans winkte mit den Banknoten, ihre Augen funkelten.
»Na also, wir sind wieder flüssig.«
»Mit wem hast du gesprochen? Das klang nach einem Streit.«
Tonja lachte. »Ach was, so reden wir immer. Das war Drago, ein ehemaliger Kommilitone. Arbeitet bei der Zagorska Banka in Zagreb. Praktischerweise genau dort, wo wir ihn brauchen.«
»Für was brauchen wir einen Banker in Zagreb?«
»Bäumler, wir können doch nicht zu deiner Concom gehen und deinen Kundenberater höflich bitten, uns 200 Millionen in einen Überseekoffer zu füllen.«
»Erstens«, wandte Hans ein, »entscheide ich, und ich habe noch nichts entschieden, zweitens ist es mein Geld.«
»Dein Geld – haha.«
»Zumindest eine Zahl, die viel zu lang ist, um nur kurz drüber nachzudenken.«
Tonja wedelte mit den Händen. »Egal wie viel, es muss runter von deinem Konto, und zwar jetzt. Ich transferiere es nach Zagreb, dann sehen wir weiter. Drago wird uns dabei helfen.«
»Können wir das nicht in Ruhe diskutieren?«
»Nein, jeden Augenblick kann die Concom ihren Irrtum bemerken und das Konto blockieren. Es geht um jede Minute.«
Hans hasste spontane Entscheidungen, in seinem Kopf brodelte es immer noch, ihm war übel. Zaghaft meinte er: »Hierbleiben können wir dann wahrscheinlich auch nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du nicht. Du musst erst mal weg aus Deutschland, dorthin, wo dich niemand findet. Aber ich fahre mit, ist das nichts?« Sie strahlte ihn an.
Hilflos breitete er die Arme aus. »Ich bin in Frankfurt geboren, ich habe hier mein Geschäft, die schöne Wohnung, meine Freunde, ich mag das alles hier.«
Tonja