Brillanter Abgang. Alexander Hoffmann
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Tonja nickte. »Und es lief offenbar lange recht gut für deinen Durstewitz, mit unglaublich hohen Umsätzen, da flipperten die Millionen nur so hin und her. Genau das konnte ich jetzt ausnutzen, ohne auf den ersten Blick aufzufallen. Wir waren ja kräftig im Plus, der Concom-Computer sah keinen Anlass, Alarm zu schlagen.«
Auch Hans nahm sich ein Brötchen. »Wenn ich mich recht erinnere, sind noch 200.000 auf dem Konto. Warum?«
Tonja machte eine generöse Geste. »Ich hätte es peinlich gefunden, alles bis auf den letzten Cent abzuräumen.«
Das gefiel Hans. »Ja, das hat Stil.«
Tonja fuhr fort: »Ich habe die knapp 200 Millionen in drei Tranchen unterteilt, jede mit einer schön unrunden Summe. So wollte es auch Drago.«
»Wofür ist der eigentlich bei der Zagorska Banka zuständig?«
»Für den Zahlungsverkehr mit dem Ausland. Es hat alles gepasst.« Sie lachte.
»Darf ich teilhaben?«
»Ich stelle mir gerade Durstewitz vor, sollte er durch irgendein Wunder davon erfahren, was sich auf seinem alten Konto getan hat. Der würde glotzen wie ein bosnischer Ochse. Was meinst du, wo er sich aufhält?«
Hans dachte kurz nach. »Keine Ahnung, hängt von seiner Kassenlage ab. Entweder logiert er in einem Fünf-Sterne-Hotel in Paris oder er schlürft Muckefuck in einem Männerwohnheim in Offenbach.«
Ach, Durstewitz, der Charmante, der Umtriebige. Fünf Jahre hatten sie zusammengearbeitet, Durstewitz hatte viele Kunden beigebracht und die Finanzen im Antiquitätengeschäft geregelt. Das Trüffelschwein hatte auch den prächtigen Nachlass auf einem Schloss in Oberhessen ausfindig gemacht. Einzigartige Renaissancemöbel, ein paar Schwergewichte aus dem Barock, dazu einige erlesene Stücke von David Roentgen und eine hübsche Sammlung Aquarelle von Picasso. Für manche dieser Objekte hatte Hans schon Interessenten gehabt, es wäre der Coup schlechthin gewesen. Die Concom-Bank hatte den Kauf des ganzen Nachlasses vorfinanziert, und nun wollte sie ihr Geld zurück. Von ihm, der so treuherzig gewesen war, Friedbert Durstewitz blind zu vertrauen. Friedbert, das klang anheimelnd, fast ein wenig doof. Aber im Gegenteil: Der Gute war alles andere als das.
Tonja drängte zum Aufbruch. Sie übernahm das Steuer, wofür Hans dankbar war, der Tag hatte ihn erschöpft. Er machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem. Tonja fuhr schnell und sicher. Er musterte sie von der Seite, ihr volles Haar, ihre schimmernden Wangen, die Schenkel, die sich unter den eng sitzenden Jeans abzeichneten. Er war süchtig nach ihr, da war nichts zu machen.
Bevor Hans wegdämmerte, zogen die Gedanken in Schwaden durch sein überspanntes Hirn. Heute Morgen hatten ihm noch 200 Millionen gehört. Doch die hatte jetzt dieser Drago. Seine einzige Verbindung zu ihm war Tonja. Was, wenn er morgen früh mit einem Brummschädel allein auf einem Feldweg irgendwo in Slowenien aufwachte? Er würde sich nie verzeihen, Tonja nicht gesagt zu haben, dass er süchtig nach ihr war.
6. Kapitel
Guguljak
»Wo sind wir?«
»Gleich da.«
Hans richtete sich in seinem Sitz auf. Er hatte fest geschlafen und fühlte sich frisch. 10 Uhr. Vor rund zehn Stunden waren sie in Frankfurt losgefahren. Er sah aus dem Seitenfenster, konnte aber kaum etwas erkennen. Es regnete aus tief hängenden Wolken. Willkommen in Kroatien, dem Land der Sonne und Strände. Wasserwirbel und karstige Felder verschmolzen zu einem glänzenden, braun in braunem Postkartenbild, das keiner kaufen würde. Sie waren auf einer Autobahn, ein Schild mit dem Hinweis »Rijeka 150 km« huschte vorbei. Da ging Tonja vom Gas und steuerte eine Ausfahrt an.
»Noch zehn Kilometer.«
Wie durch ein Wunder wurde die Landschaft lieblicher und der Regen ließ nach. Die Landstraße, der sie folgten, schlängelte sich an einem kleinen Fluss entlang.
»Die Kupa, in der habe ich als Kind oft gebadet«, sagte Tonja.
Sanfte grüne Hügel tauchten auf, Weinberge. Hans fühlte sich an Franken und Südbaden erinnert. Auf der Straße waren kaum Fahrzeuge unterwegs.
»Hier ist es aber ruhig«, bemerkte Hans.
»Zu ruhig«, sagte Tonja.
Die Sonne brach durch, das Wasser der Kupa glitzerte. In einer langen Kurve sah Hans hoch auf einem Bergrücken einen schlanken Kirchturm, umkränzt von einem geduckten Häuflein rot gedeckter Häuser.
»Guguljak«, sagte Tonja.
Drei Kilometer weiter schrie sie plötzlich auf: »Oh je, die Warnleuchte!« Sie deutete auf die Anzeige, die im Armaturenbrett glühte.
Hans seufzte. Wahrscheinlich war die Pumpe für das Kühlwasser ausgefallen. Nichts Neues, aber ausgerechnet jetzt! »Fahr sofort rechts ran.«
Tonja brachte das Auto an einer Abzweigung, die bergauf führte, zum Stehen. Praktischerweise war der Jaguar exakt an der richtigen Stelle kollabiert, von hier aus ging es hoch nach Guguljak. Der Wagen köchelte, weißgraue Schwaden drangen durch die Ritzen der Motorhaube.
»So ein Scheiß«, schimpfte Hans beim Aussteigen.
Tonja nahm es leichter. »Ich rufe Vater an, der kann uns abschleppen oder abholen.« Sie zückte ihr Handy.
Hans musterte sein Exil in der Ferne. Ein steiler Schotterweg lag vor ihnen, durchzogen von tiefen Furchen, durch die jetzt das Regenwasser vom Berg herunterschoss.
Tonja packte ihn am Arm. »Tihomir meldet sich nicht. Er spaziert wahrscheinlich durch den Wald, das macht er vormittags gerne. Ich hab es noch bei unserem Nachbarn Mirko versucht, der eine kleine Autowerkstatt in Guguljak hat. Er geht auch nicht ans Telefon, aber ich habe ihm auf die Mailbox gesprochen.«
»Und nun?«, fragte Hans gereizt.
»Wir gehen zu Fuß. Zwei Stündchen und wir sind da.«
Das ließ sich ja gut an, dachte Hans, als er das Hebammenköfferchen mit der Gallé-Vase aus dem Wagen nahm. Sie schoben das röchelnde Auto unter einen Baum am Straßenrand.
Tonja schritt vorneweg, hüpfte locker über die Pfützen und legte ein hohes Tempo vor. Hans kam kaum nach, der handgenähte Rahmen seiner Schuhe sog sich voll mit Nässe. Die Sonne entfaltete ihre Kraft, die Hitze wurde brutal. Der Weg gewann in vielen Spitzkehren an Höhe, unten im Tal glänzte das Band der Kupa wie Metall. Dann wurde es endlich flacher. Zu beiden Seiten erstreckten sich Felder. Dunkle, saftige Erde, aber nur wenige bestellte Flecken. Ein einsamer Trecker hing wie gestrandet in einem Graben.
Mit einer kreisenden Handbewegung sagte Tonja: »Das ist bester Boden, wirklich schade drum. Es gibt in Guguljak kaum noch Landwirte, es lohnt einfach nicht. Vom Weinbau ganz zu schweigen.« Sie wies nach Süden auf die löchrigen Rebhänge. »Keiner hat Lust auf die Plackerei.«
Sie passierten ein Wäldchen. Linker Hand tauchte ein verfallenes Pförtnerhäuschen auf. Dahinter ein zweigeschossiges Gebäude mit vernagelten Fenstern und eine ausgebrannte Halle, die das kaum zu entziffernde Emblem »TK« trug.