Brillanter Abgang. Alexander Hoffmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Brillanter Abgang - Alexander Hoffmann страница 9
Sie flüsterte: »Keiner von denen hat Geld, aber sie kennen Leute, die Leute kennen, die angeblich Geld haben. Oder besondere Geschäftsideen. Und das bemurmeln die jeden Abend.« Sie lauschte unauffällig, dann fasste sie das Gehörte zusammen. »Im Moment geht es darum, wie man Goldbarren herstellt, die im Kern nur aus Wolfram bestehen. Soll besser sein als Füllungen aus Blei oder Stahl, weil nicht so schnell nachweisbar.«
Hans trank seinen dritten gemišt und beobachtete den Nachbartisch. Der Wortführer trug als Einziger Anzug und Krawatte. Ein fragender Blick zu Tonja.
Die meinte, der käme sicher aus Zagreb. »Nun spricht er über garantiert echte künstliche Diamanten.«
Danach wurde laut Tonja der Verkauf von Anteilscheinen einer nichtexistenten Ölbohrplattform in der Bucht von Rijeka diskutiert, gefolgt von einem Sonderposten Benzin aus serbischen Armeebeständen und vier Lastwagen Schmuggelzigaretten aus Montenegro. Hans war auf einmal bester Laune, er wünschte sich Durstewitz in diese Runde.
Als Hans und Tonja das »Fässchen« verließen, erörterten die Bisnissmän das neueste Geschäftsmodell: den doppelten Verkauf von Ferienwohnungen an der Adria.
Unter sternenklarem Himmel spazierten Hans und Tonja Hand in Hand Richtung Schachtel. Hans freute sich darauf, mit Tonja die Jolle im Gästezimmer zu besteigen.
Er wurde nicht enttäuscht. Es schwankte und ächzte, Tonjas zärtliche Seufzer mischten sich in den Gesang der Zikaden draußen vor dem offenen Fenster. Hans war es, als höre er das 150 Kilometer entfernte Meeresrauschen. Er verlor sich im Duft ihrer Pfirsichhaut, in ihren Säften, in ihrer Weichheit und Wärme. Wonne ohne Ende. Und Vater Tihomir, der ewige Bassist, schaute aus seinem Foto heraus zu.
9. Kapitel
Zagreb
»Odlično!« Juchzend jagte Tonja den alten Renault ihres Vaters durch Guguljak. Hühner stoben auseinander, Staub wirbelte hoch. Es war gegen elf und der Tag nicht so heiß wie der gestrige. Hans wusste schon, was odlično bedeutete – toll, prächtig, ausgezeichnet. Auf Höhe der Zwillinge drosselte sie das Tempo. Durch die offene Seitenscheibe hörte Hans das vertraute »Pi me ga, pi me ga« herüberwehen.
Tonja sagte: »Eigentlich sind es brave Burschen, Slavko und Branko. Mit denen habe ich noch einiges vor.«
Grundgütiger, dachte Hans und duckte sich tief in seinen Sitz, als Tonja das Gaspedal wieder durchtrat.
Der Fahrtwind wirbelte ihre schwarze Mähne auf, sie schnalzte mit der Zunge. »Wie aufregend! Ist doch herrlich, mal etwas völlig Neues anzufangen.«
Ergeben nickte Hans. Er wollte nur die Fahrt bis in die Hauptstadt überleben. Der Wagen donnerte bergab, Hans schloss die Augen. Er öffnete sie erst wieder, als er das Auto in der Horizontalen wähnte. Sie waren auf der Autobahn nach Norden, Tonja fuhr gesitteter und reihte sich in den Verkehr ein, der umso dichter wurde, je näher sie Zagreb kamen. Auf einer mehrspurigen Straße durchquerten sie Novi Zagreb, den Südteil der Hauptstadt. Hans sah vielgeschossige graue Wohnmaschinen, dazu moderne Bürohochhäuser, viel Stahl, Beton und Glas. Sie fuhren über die Save, die den Süden und Norden der Stadt trennte, und hinein in das alte Zagreb. Prächtige Fassaden, Ringstraßenarchitektur; unversehens sah sich Hans in das alte Wien seiner angenehmsten Erinnerungen versetzt. Endlich wieder Großstadt, zurück in der Zivilisation.
Tonja stellte das Auto vor dem Hauptbahnhof ab, einem eleganten, klassizistischen Bau.
»Ich will dir was zeigen«, sagte sie, während sie ausstieg. Sie zog ihn durch das Gewimmel der Menschen, und plötzlich standen sie vor einem mächtigen Denkmal, einem mittelalterlichen Reiter mit gezücktem Schwert. »Tomislav, unser erster König. 925. Ist zwar ein Weilchen her, aber wir sind stolz auf ihn.«
Hans war beeindruckt. Vom Denkmal aus öffnete sich eine Blickachse über einen von Baumalleen gesäumten Park bis hin zur Oberstadt mit zwei blendend weißen Kirchtürmen. Am Horizont sah Hans die Silhouette eines gewaltigen Bergmassivs.
»Unsere Kathedrale, und dahinter siehst du das Medvednica-Gebirge mit dem Sljeme, dem Hausberg von Zagreb«, sagte Tonja.
Hans nickte zustimmend, das alles gefiel ihm.
Tonja bemerkte seine Freude. »Kroatien ist klein, aber größer als Guguljak.« Sie lenkte seinen Blick nach links. »Und das ist das Esplanade.«
Ein paar Hundert Meter entfernt ragte das Hotel wie eine Zauberburg vor ihm auf. Sechs zartgraue Geschosse zählte Hans, vorgelagert waren eine große Terrasse und ein Springbrunnen mit mächtiger Wasserfontäne.
»Art déco von 1925, hier machten früher die Reisenden aus dem Orientexpress Station. Inzwischen zum Glück wieder ein Fünf-Sterne-Haus«, sagte Tonja.
Hans blieb stehen und staunte, bis sie ihn am Arm nahm und mahnte: »Wir müssen los, wir sollten pünktlich sein.«
Hans witzelte: »Habt ihr hier nicht eher ein mediterranes Zeitgefühl? Von wegen polako?«
Tonja lachte. »Du lernst schnell. Aber Drago ist überpünktlich. Wie der Prokurist einer deutschen Schraubenfabrik.«
Eine geschwungene Auffahrt, in der gerade ein Bentley entladen wurde, führte sie ins Foyer des Hotels. Alles in Hans atmete auf. Er musterte den schwarz-weißen Marmor der Wände, die edeldünnen Teppiche, die ausladenden Treppenaufgänge, die prachtvollen Lüster und Uhren im Stil von 1925, die die Ortszeiten in New York, Buenos Aires, London und Paris anzeigten. Hans war versucht, die Uhren »Zeitmesser« zu nennen. Vor der Rezeption stand das zum Bentley gehörende Paar: ein gepflegter Herr und eine junge Brünette, die mit Sicherheit nicht seine Tochter war. Hans genoss die luxuriöse Ruhe. Hier liefen keine Ziegen herum, hier wurde auch nicht geschossen.
Tonja lenkte ihn sanft in die angrenzende Bar mit ihren Spiegeln und dem glänzenden Parkett. Nur wenige Tische waren besetzt. Ein Pianist spielte dezent im Hintergrund, Kellnerinnen in weißen Schürzchen und Schnürschuhen schwebten durch den Raum. In einer Ecke erhob sich ein junger Mann. Drago sah ganz anders aus, als Hans ihn sich vorgestellt hatte. Er schätzte ihn auf Anfang 30, Tonjas Alter. Drago neigte schon zur Fülle, er hatte kurz geschnittenes Haar, große, flinke Augen. Seine Pausbäckchen erinnerten Hans an die Putten in der Fassade seiner Westend-Wohnung.
Drago kam ihnen in einer weit ausholenden Kurve entgegen, orderte im Vorübergehen bei einem der Engel in Schwarz-Weiß Champagner und Sandwiches. Er küsste und umarmte Tonja. Hans wurde mit einem kräftigen, weniger langen Händedruck bedacht. Aber beide lud Drago überschwänglich ein, sich zu setzen. Sie waren die Einzigen in dieser hintersten Ecke der Bar.
Hans sank in einen schwarzbraunen Ledersessel. Seine linke Hand liebkoste das erstklassig vernähte Leder, mit der rechten streichelte er den feinen Samt an der Seite. Auf dem runden Clubtisch vor ihm schwamm in einem kugeligen Glas das weiße Köpfchen einer Rose. Sein Blick ging durch eines der hohen, von cremefarbenen Vorhängen flankierten Fenster hinaus auf die Terrasse. Hier könnte er länger bleiben.
Dragos blauer Anzug war so perfekt wie sein Englisch und die Maniküre seiner Fingernägel. Als der Champagner perlte, hob er das schlanke Glas und kam schnörkellos in fast akzentfreiem Deutsch zur Sache. »Fünf Millionen für mich. Fünf weitere für euch, die ich in bar dabei habe. Ich habe mir erlaubt, ein Menü aus Euro, Kuna und US-Dollar zusammenzustellen – war gar nicht so einfach, ich hatte viel Lauferei. Das Geld ist in meinem Wagen, der direkt hinter dem Hotel parkt.«
Tonja nickte stumm.
Drago