Brillanter Abgang. Alexander Hoffmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Brillanter Abgang - Alexander Hoffmann страница 3
Hans sackte in sich zusammen und bettete sich auf die Récamiere. Mit der Miete war er drei Monate im Rückstand, nach einer Insolvenz erwarteten ihn lange, graue Jahre. Über ihm schwebte erneut die Grabplatte. Ohnmächtige Wut auf Durstewitz kam hoch, mit dem er so lange so gut kooperiert hatte, auch dann noch, als die Geschäfte schwieriger wurden. Hans war für das Schöne zuständig gewesen und Durstewitz für die Finanzen. Der Vier-Millionen-Deal sollte ihr Befreiungsschlag werden. Doch befreit hatte sich nur Durstewitz. In Hans’ Innerem hallte plötzlich eine Melodie: »Jetzt oder nie«.
Er richtete sich auf und lockerte demonstrativ seine Armmuskeln. »Na dann, leg los! Mach, was gut für dich ist. Das wird auch gut für mich sein.«
Tonja umarmte ihn. »Ich wusste es. Du bist der, den ich meinen Helden nennen will! Und bitte her mit deinem Smartphone.«
Mit ihrem Handy rief sie erneut Drago an und machte sich Notizen. Anschließend nahm sie das Smartphone und loggte sich in das Konto von Hans ein.
Der streichelte sein Lieblingsmöbel und überließ seine Gedanken dem Leerlauf.
Nach wenigen Minuten klatschte Tonja in die Hände. »Es ist vollbracht.«
Hans flüsterte: »Will heißen, von meinem Konto verschwunden?«
»Sagen wir so, ich habe dem Geld den Befehl gegeben, über die Alpen Richtung Südosten zu fliegen. Bis morgen früh sollten wir die Luft anhalten.«
3. Kapitel
Frankfurt am Main
Früh um 9 Uhr war der Held in einem Kaufhaus an der Hauptwache gewesen. Auf Geheiß von Tonja hatte Hans auch für sich ein Prepaid-Handy gekauft. Sein schönes Smartphone hatte Tonja zertreten und der Mülltonne überantwortet. »Ab jetzt müssen wir schnell und gleichzeitig extrem vorsichtig sein«, hatte sie gesagt.
Ihr Tempo machte ihm Angst. Vor der Alten Oper hielt er kurz inne und spürte seinen beschleunigten Herzschlag, den er sofort mit dem Hitzetag kurzschloss, der angekündigt worden war. Er atmete tief ein. Es soll ja Frauen geben, die an einen bad guy gerieten. Er schien eindeutig einer bad woman verfallen zu sein.
Er ging die Bockenheimer Landstraße zurück Richtung Wohnung, musterte die Passanten und fragte sich, ob man ihm den Betrüger schon ansah. Seine heiß laufende Fantasie hielt Ausschau nach Männern in schwarzen Ledermänteln, die hinter ihm her waren.
Zuhause aktivierte Tonja seine neue SIM-Karte. Sie saß wieder vor dem Rechner, das Display seines Kontos hatte die Überweisungsaufträge vermerkt. Den 200 Millionen fehlten drei Nullen. Ein Anruf bei Drago. Sie lauschte kurz und beendete das Gespräch. Hans wagte nicht zu atmen. In ihren grünen Augen leuchtete der Triumph auf. »Es hat funktioniert. Das Geld ist bei der Zagorska Banka.«
Zögerlich fragte Hans: »Und bei der Zagorska heben wir das dann alles wieder ab?«
Sie schürzte die Lippen. »Schatz, so einfach geht das nicht, auch dort sollten sich die Millionen nur für sehr kurze Zeit aufhalten. Der Concom wird schon bald dämmern, dass ihr 200 Millionen fehlen.«
»Wozu dann das Ganze?«
Tonja nahm Hans bei der Hand und führte ihn in die Küche. Bei einem frischen Cappuccino sagte sie: »Exakt aus diesem Grund habe ich Drago aktiviert. Der sorgt in diesen Minuten dafür, dass die Millionen bei der Zagorska sofort verschwinden und in einem sicheren Hafen landen.«
»Darf der das so einfach?«
Sie antwortete fröhlich: »Drago tut gerne Dinge, die er nicht darf.«
»Das kommt doch raus, das wird ihn bei der Zagorska Banka den Kopf kosten. Macht der das alles aus reiner Freundschaft?«
Sie lächelte schief. »Drago macht nichts aus reiner Freundschaft. Er kriegt für seine Dienste fünf Millionen von uns. Erst wollte er zehn, aber ich habe ihn runtergehandelt. Auch mit fünf Millionen kann er sich leichten Herzens von der Zagorska Banka trennen.« Tonja sprang wieder auf, ihren Cappuccino hatte sie kaum angerührt. »Ich erklär dir das alles in Ruhe – später. Machen wir erst mal, dass wir wegkommen.«
Hans protestierte: »Aber ich kann Frankfurt nicht von jetzt auf gleich verlassen!«
Spott tanzte in Tonjas Augen. »Warum nicht? Willst du der Concom-Bank noch eine Nachsendeadresse vorbeibringen?«
Hans gab sich geschlagen. »Natürlich nicht. Aber irgendwie brauche ich ein gutes Gefühl bei der Sache.«
»Gefühle kriegst du von mir. Wir fahren um Mitternacht und wir fahren durch. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
4. Kapitel
Frankfurt am Main
Wie liquidiert man 40 Jahre an einem Tag, von dem kaum noch zwei Stunden übrig sind? Hans stand vor seiner Jugendstilgarderobe (Mahagoni, hochrechteckiger Spiegel, gebogter Unterbau mit vier Ablagen, auf der Frontseite Blütenstaude in feiner Reliefschnitzerei, deutsch, um 1910) und nahm Abschied. Zwei Stunden, dann wären sie unterwegs. Wohin und für wie lange? Wehmütig glitt sein Blick über das dunkel glänzende Holz. Ein schönes Stück, hätte im Verkauf einen ordentlichen Preis gebracht. Aber eigentlich war für ihn jeder Verkauf ein Verlust gewesen, er hätte am liebsten alles behalten. Nun würde die Garderobe zurückbleiben und die vielen anderen Stücke auch.
Er prüfte sich im Spiegel. Volles blondes Haupthaar, graublaue Augen, feine Gesichtszüge, mittelgroße, schlanke Gestalt. Sah so ein Dieb aus? Ein Dieb, der heute untertauchen würde wie der unselige Durstewitz? Hans wendete sich ab von seinem Spiegelbild, nahm die 20 Schritte entfernte Wohnungstür ins Visier und versuchte, Gefühle und Wahrnehmung auszuschalten. Er stieg die Treppe hinab zur Straße, wo sein bauchiger Jaguar parkte. 40 Jahre und vier Kanister Benzin mussten im Wagen Platz finden. »Alle Spuren verwischen, an keiner Tankstelle halten«, hatte ihm Tonja eingebläut.
Den Inhalt des stationären Rechners hatte er auf sein Notebook übertragen. Immerhin etwas, das ihm blieb. Den Rechner würden sie irgendwo in Kroatien entsorgen, auch das hatte Tonja verfügt, wieder wegen der Spuren. In zwei Koffer hatte sie ihm eine karge Auswahl seiner Kleidung gepackt, während er drei Taschen für die Fotoalben, Briefe und seine Tagebücher aus den Stauräumen der Wohnung zerrte. Nicht zu vergessen das Silberbesteck mit Monogramm (1943, deutsch, kriegsbedingt nur versilbert), das ihm seine Großmutter hinterlassen hatte. Mit einem Bademantelgürtel hatte er die sechsbändige Erstausgabe von »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« fluchtfertig verschnürt. 5.700 Seiten Proust – bislang war er nie über die ersten 100 Seiten hinausgekommen.
Er stopfte die Taschen und die verlorene Zeit in den Fußraum hinter den Vordersitzen. Draußen war es längst dunkel, aber die Laternen der Myliusstraße ließen die weiße Gründerzeitvilla, in der er lebte – gelebt hatte –, leuchten. Die Fassade mit ihren hohen Fenstern und den pausbäckigen Putten war erst kürzlich renoviert worden, ebenso das Belvederchen oben auf dem Dach. Er sah das Licht in seiner Wohnung. 160 Quadratmeter Beletage, fünf Zimmer. Sein Zuhause seit über zehn Jahren. Er bemerkte Tonja, die wie ein dunkler Geist durch die Räume huschte.
Zurück in der Wohnung, ergriff er die Biedermeier-Reisebar (England, um 1830, nussbaumfurnierter Korpus, abgerundeter Klappdeckel, auf der Innenseite mit Halterung für zwei Gläser,