Die Toten von Rottweil. Herbert Noack
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Toten von Rottweil - Herbert Noack страница 13
Kapitel 8
Zeller rief in seiner Dienststelle an und fragte nach dem aktuellen Stand. Es gab nichts Neues für ihn. Auch keinen vorläufigen Bericht aus der Rechtsmedizin. Die Leichen waren zwar mittlerweile in Tübingen angekommen, deren Obduktion dauerte jedoch noch an. Das brauchte seine Zeit. Drei Mordfälle auf einen Schlag hatte man hier nicht alle Tage.
Er bat um die Adresse von Wachmann Seidel und rief sich ein Taxi. Bis zu dessen Wohnung in der Oberndorfer Straße war es ein Stück und er wurde schließlich nicht fürs Wandern bezahlt, rechtfertigte er die Entscheidung vor sich selbst.
Nach kurzer Fahrt hielten sie vor der genannten Hausnummer. Seidel wohnte im dritten Stock eines Hauses aus den 50er-Jahren. Es sah sauber und gepflegt aus. Die Hauswände waren nicht beschmiert, die Abfalltonnen standen in einem Unterstand ohne herumliegende Papierreste oder Bananenschalen, ein paar Autos in den dafür vorgesehenen Parkbuchten. Keine Hinweise auf Vernachlässigung, auf Armut oder Kriminalität. Ein normales Haus, wie es in Rottweil Tausende andere gab. Wieso war er überhaupt davon ausgegangen, dass Seidel in prekären Verhältnissen lebte, fragte sich Zeller. Nur weil ihn seine Informanten mit Gaunereien in Verbindung brachten? Vorsicht, rief er sich zur Ordnung. Seidel hatte eine geregelte Arbeit, dazu Frau und Kinder.
Er klingelte an der Haustür. Eine weibliche Stimme meldete sich. Zeller stellte sich vor und bat um Einlass. Prompt öffnete sich die Tür. Das ging aber schnell, dachte der Kommissar, erkannte dann aber, dass das Öffnen der Tür nicht von der Dame an der Gegensprechanlage veranlasst worden war, sondern durch einen älteren Herrn, der gerade aus dem Haus trat und wohl zufällig mit angehört hatte, was durch die Anlage gesprochen worden war.
»Na, endlich kommt mal einer von der Polizei in diese abgelegene Gegend. Lange genug hat es gedauert. Es ist doch nicht mehr auszuhalten mit denen da oben!«, redete er sogleich Klartext mit Zeller.
»Wen meinen Sie mit ›denen da oben‹? Die Landesregierung oder die des Bundes?«, gab der ironisch zurück.
»Quatsch! Na, die Seidels im Dritten natürlich. Mit der Frau haben Sie doch gerade gesprochen? Da ist immerzu Krach und Streiterei und Remmidemmi zwischen den beiden. Dazu noch die Kinder. Dabei ist die Frau ja noch ganz nett. Barbara grüßt freundlich und ist schön anzusehen. Immer gepflegt und ordentlich gekleidet. Die hätte Besseres verdient als diesen Kerl. Der hat ein Problem. Schreit beim kleinsten Anlass wie wild durch die Gegend. Doch von mir haben Sie das nicht. Ich möchte keinen Ärger mit ihm haben.«
Ehe Zeller weiter nachfragen konnte, war der Mann in sein Auto gestiegen und davongefahren. Der Kommissar nahm immer zwei Stufen auf einmal und freute sich, dass er dabei nicht außer Atem kam. Dafür reichte seine Fitness also offenbar noch aus. Vielleicht sollte er trotzdem mal wieder zum Training gehen. Für die Seniorenmannschaft seines Rottweiler Rugbyvereins fühlte er sich allerdings viel zu jung.
Im obersten Stock angekommen, klingelte er an der Eingangstür unter einem von Kinderhand gemalten Namensschildchen. Eine Frau öffnete ihm. Er zeigte ihr seinen Dienstausweis. Sie stellte sich als Barbara Seidel vor und erklärte ihm, dass er ungelegen käme. Ihr Mann habe sich gleich nach der Arbeit hingelegt, eventuell solle der Herr Kommissar später wiederkommen. Es sei eine fürchterliche Nacht gewesen, habe Eduard zu ihr gesagt, ohne es weiter zu erklären. Anders als sonst. Jetzt könne man ihn unmöglich stören, außer, es sei etwas lebensbedrohlich Wichtiges.
»Frau Seidel, lassen Sie Ihren Mann ruhig schlafen. Ich würde Sie gern etwas fragen. Am besten gleich. Kann ich vielleicht reinkommen? Oder wir laufen ein paar Schritte nach draußen?«
Sie überlegte, blieb aber bei der Aussage, dass es in diesem Augenblick unmöglich sei. Die Kinder bräuchten ihr Mittagessen. Aber in zwei Stunden könne sie nach unten kommen, wenn es unbedingt sein müsse. Hauptsache, sie oder ihr Mann bekämen keine Schwierigkeiten.
Sie verabredeten sich auf dem nahen Spielplatz. Zeller wusste, wo er sich befand. Er war mit dem Taxi daran vorbeigefahren.
Frau Seidel hielt Wort und kam mit zwei Kindern im Schlepptau zum vereinbarten Treffpunkt. Noch war hier zum Glück nicht viel los, nur wenige Mütter und Väter mit ihren Sprösslingen waren zu sehen. Der Lärmpegel kam Zeller entgegen. Die Tochter der Seidels, sie mochte um die fünf sein, lief sogleich hinüber zum Sandkasten und begann mit roten, gelben und blauen Kunststoffformen Sandkuchen zu backen, die sie ständig der Mutter und dem Kommissar zum Probieren brachte. Das andere Kind, ein etwa siebenjähriger Junge, turnte mit zwei weiteren Kindern geschickt im Klettergerüst herum.
»Herr Kommissar, was hat mein Mann schon wieder ausgefressen, dass Sie nicht mit ihm selbst sprechen können? Hängt es mit dem zusammen, was heute im Turm passiert ist?«
»Was wissen Sie darüber?«, fragte Zeller prompt zurück. Vorhin hatte sie doch behauptet, dass ihr Mann so müde gewesen sei und sich sofort habe hinlegen müssen. Vielleicht hatte er ihr mehr erzählt, als sie ihn glauben ließ.
Es stellte sich heraus, dass sie keine Ahnung davon hatte, was geschehen war. Ihr Mann hatte nur angedeutet, dass der Turm für den Besucherverkehr gesperrt worden war und dies über das gesamte Wochenende. Es habe einen Unfall auf der Besucherplattform gegeben. Zeller ließ sie reden. Wortlos hörte er ihr zu und betrachtete sie dabei. Die Frau sprach unaufgeregt und gewählt. Ganz anders als ihr Mann. Er stellte sich vor, dass sie gut Lehrerin sein konnte oder Erzieherin. Den Umgang mit ihren Kindern meisterte sie souverän. Das gefiel ihm.
Allerdings ging es der Frau augenscheinlich nicht besonders gut. Sie sah erschöpft aus und blickte Zeller mit einem traurigen, resignierten Blick an. Sie hatte es offenbar nicht leicht. Zeller glaubte zu wissen, warum, er hatte Frauen wie sie schon oft zu Gesicht bekommen. Meistens wurden sie allein gelassen mit der Erziehung ihrer Kinder, während sich die Erzeuger entweder aus dem Staub gemacht hatten oder in Arbeit, Alkohol oder in andere Affären flüchteten. Diese Männer waren zumeist überfordert von den eigenen Ansprüchen und der unbarmherzigen Realität um sie herum. Zellers Mitgefühl ihnen gegenüber hielt sich in Grenzen.
»Wieso musste Ihr Mann seine besser bezahlte Arbeitsstelle vor ein paar Monaten verlassen?«, brach er das aufkommende Schweigen.
»Man hatte ihm gekündigt. Er wollte dort nicht von sich aus weg.«
»Warum ist er entlassen worden?«
»Er hat selten von der Arbeit erzählt. Seiner Aussage nach hatte man sich für einen anderen, billigeren Wachdienst entschieden. Da wurde er nicht mehr gebraucht. Man hat ihn abserviert und ihm einige Dinge vorgeworfen, die nicht stimmten. Ich glaube ihm. Eduard ist ein ehrlicher Mensch. Lügen ist nicht seine Sache.«
»Warum hat er sich keinen Anwalt genommen?«
»Dafür war er zu feige. Er hatte Angst, danach keinen neuen Job mehr zu finden.«
»Wenig später wurde er im Testturm angestellt. Nicht schlecht für Sie. Oder?«
»Wie man es nimmt. Er verdient dort weniger. Wir haben getrennte Konten, ist besser so. Er kann nicht mit Geld umgehen. In der Regel zahlt er einen festen Betrag auf mein Konto ein. Der ist gleich geblieben, es geht nicht anders. Aber er jammert darüber. Eduard kommt mit dem Wenigen schlechter aus als wir. Er ist leider mehr zu Hause, so komisch das