Die Toten von Rottweil. Herbert Noack

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Die Toten von Rottweil - Herbert Noack

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Sie trank einen Schluck von ihrer zweiten Latte macchiato, die die Bedienung eben vor ihr abgestellt hatte. Langsam normalisierte sich ihre Gesichtsfarbe wieder.

      »So kriminell ist es bei uns gar nicht. Zum Glück, und wir machen einiges dafür, damit es so bleibt. Unsere Zahlen sind gut. Also, warum Rottweil? In einer Großstadt wäre mehr los als hier. Bis heute Morgen war das jedenfalls noch so. Mit den aktuellen Mordfällen können wir es allerdings mit jeder Metropole aufnehmen. Bitte verraten Sie mir, warum Ihre Wahl nicht auf Stuttgart gefallen ist, wo alle guten Abgänger hinwollen, oder meinetwegen auf Heidelberg. Meines Wissens suchen die dort dringend jemanden.«

      »Ich komme von Stuttgart. Dort habe ich meine dreijährige Ausbildung absolviert. Es musste aber unbedingt Rottweil sein. Ich wollte zu Ihnen.«

      »Zu mir?« Er schaute sie erstaunt an. Das war mal etwas ganz Neues, dass jemand seinetwegen in die Stadt kam. Die meisten wollten wegen ihm so schnell es ging wieder weg.

      »Genau. Sie haben einen wirklich guten Ruf. Da habe ich mir gedacht, wenn es irgendwie geht, will ich zum Zeller. Der kann mir was beibringen, bei dem lerne ich wirklich etwas. Wie Sie den Fall mit den Dutzenden Mafiosi gelöst haben – echt toll. So will ich werden.«

      Zeller musste bei diesen Worten grinsen. Da hatte er ja gleich am Anfang viel dafür getan, um ihre schönen Vorstellungen von ihm zu zerstören. Als ob er ein Vorbild sein könnte! Sein Heiligenschein dürfte in ihren Augen dahin sein. Und das war gut so. Womöglich ohrfeigte sie sich schon jetzt im Stillen für ihre fixe Idee und überlegte panisch, wie sie aus dieser Nummer wieder rauskam, ohne einen negativen Eintrag in ihre Personalakte verpasst zu bekommen. Ihr polizeiliches Idol war ein Säufer. Das hatte ihr bisher niemand gesteckt. Alle hatten dichtgehalten und ihn nicht verraten.

      Als eine Art Wiedergutmachung bot er ihr das Du an. Sie freute sich sichtlich darüber. Ihm erschien es schlicht unkomplizierter im Umgang miteinander. Zeller schmunzelte und goss sich einen Schluck aus seinem Flachmann in die leere Tasse. Genau wie in ihre.

      Kapitel 6

      Am Tisch hinter den beiden Kriminalbeamten saß scheinbar ein vollkommen in seine Zeitung versunkener junger Mann. Nichts in der Welt vermochte ihn von seiner Lektüre abzulenken. Es musste ein spannender Bericht sein, den er da las. Er wandte selbst dann nicht den Blick ab, als er sein Croissant nach französischer Art in einen großen Pott mit dampfendem Kaffee tunkte. Genussvoll und genau zum richtigen Zeitpunkt steckte er sich das aufgeweichte Plunderteiggebäck in den Mund. Nicht zu früh und nicht zu spät. Hätte er einen Augenblick länger gewartet, wäre es als teigige Masse im Kaffeepott versunken.

      Mike Färber war stolz auf seine französische Vergangenheit. Er hatte seine gesamte Jugend unweit von Paris verbracht, war in der Hauptstadt zur Schule gegangen und hatte später sogar ein paar Semester Philosophie an der Sorbonne studiert. Das war eine tolle Zeit gewesen, intensiv und aufregend. Doch was gewesen war, war vorbei und allenfalls noch als nostalgischer Erinnerungskram etwas wert. Es war nicht alles schön gewesen und er war inzwischen froh, damals das Weite gesucht und in Deutschland eine neue Heimat gefunden zu haben. Aber immerhin hatte er in Frankreich gelernt, wie man richtig frühstückte. Er trank einen Schluck Kaffee und wischte sich mit dem Handrücken den Mund sauber.

      Wieso sprachen die beiden so leise? Kommissar Zeller war sonst kein Mann der leisen Töne. Er sagte deutlich, was er wollte. Nicht immer gewählt formuliert, aber so, wie es sein sollte – klar, schonungslos und ehrlich. Bei ihm gab es kein großes Drumherumgerede, kein Wischiwaschi wie bei den anderen, die sich oft scheuten, Stellung zu beziehen. Er machte unmissverständliche Ansagen. Jedenfalls meistens.

      Mike Färber saß nicht zufällig auf dieser Bank im Bistro des Rottweiler Bioladens. Die Zeitung interessierte ihn keineswegs. Sie diente nur der Tarnung, genau wie die Zelebrierung eines französischen Frühstücks. Ihn interessierte an diesem Samstagnachmittag nur, was der Kriminalhauptkommissar und seine ganz passable Begleitung zu besprechen hatten. Den Zeller kannte er gut, nicht persönlich zwar, aber von einigen Besuchen im Gericht und aus der Zeitung. Der Hauptkommissar stand öfter Rede und Antwort bei Prozessen, was er stets souverän und unaufgeregt meisterte. Färber hatte noch nie eine Situation erlebt, in der er aus der Ruhe gebrachte worden wäre. Zeller aufs Kreuz zu legen, wie es manche Verteidiger versuchten, war ein erfolgloses Unterfangen.

      Färber wollte näher ran an den Kommissar, ihn am besten als Informanten gewinnen. Vor einiger Zeit hatte er ihn deshalb um ein Interview gebeten. Ganz groß hätte er ihn im Radio herausgebracht, zur gefragtesten Sendezeit. Er hatte sich intensiv darauf vorbereitet und einige schöne Ideen entwickelt. Sein Konzept war genial gewesen.

      Doch es war anders gekommen. Zeller hatte ihm einen Korb gegeben. Kurz und knapp. Als ob er als Chefredakteur beim Radio Antenne 1 Neckarburg Rock & Pop in Rottweil überhaupt nichts zu melden hätte. Färber war beleidigt gewesen und hatte dies Zellers Vorgesetztem, Polizeirat Bausinger, gesagt. Der hatte nur mit den Schultern gezuckt und ihm erklärt, dass der Kommissar nun mal so sei. Da könne man nichts machen, weder er als sein Chef noch Färber als Starreporter. Er solle sich doch einen anderen bewährten Polizisten oder noch besser eine Polizistin suchen. Zeller sei nicht der Einzige hier. Aber der Beste, hatte er dem Polizeirat damals grimmig an den Kopf geworfen und die Polizeidirektion unverrichteter Dinge wieder verlassen. Dann würde er eben ein Interview mit einer Krankenschwester oder einem Feuerwehrmann führen. Die waren auch wichtig im städtischen Zusammenleben, genau wie die Kriminalpolizei.

      Sein heutiger Tag, dachte sich Färber, während er die beiden heimlich beobachtete, war nicht erfolgreich gewesen. Er ärgerte sich richtig darüber. Zu der toten Person auf dem Hofgerichtsstuhl am frühen Morgen hatte man ihn nicht vorgelassen. Wie dumm auch von ihm, dass er den Presseausweis in der anderen Jacke vergessen hatte. So hatte er erst mal zurück nach Hause gemusst, um den Ausweis zu holen. Eilig war er anschließend wieder zum Hofgerichtsstuhl zurückgekehrt. Doch trotz Presseausweises bekam er auch diesmal nicht die Erlaubnis, den Toten zu sehen oder einen der anwesenden Polizeibeamten zu sprechen. Wütend war er zurück nach Hause gefahren. Dort hatte immerhin seine Freundin mit einem liebevoll zubereiteten Frühstück auf ihn gewartet. Kaum hatte er es sich mit ihr gemütlich gemacht, musste er jedoch schon wieder los zum Turm. Sein Informant hielt ihn auf Trab. Als er endlich dort angekommen war, wurde bereits alles abgesperrt. Aber auch hier war es ihm unmöglich gewesen, in den Turm zu gelangen oder wenigstens etwas näher an das Geschehen. Die Leute, die er vor Ort befragt hatte, wussten genauso viel wie er, nämlich nichts, und stocherten im Dunkeln herum oder verloren sich in völlig absurden Verschwörungstheorien. Wenigstens konnte er einen Beitrag über die Stimmung der Menschen anfertigen, die man vergessen hatte, rechtzeitig über die Schließung des Turms zu informieren. Es kam viel Frust zum Vorschein. Zwar gefiel Färber nicht alles, was er hörte, aber es war ein toller Aufmacher für seine Sendung. Prompt griffen einige Radiohörer zum Telefon und spendeten Beifall.

      Zeller hatte er nur kurz im Foyer des Turms gesehen, genau wie die unbekannte Kollegin an seiner Seite. Später hatte er beobachtet, wie sie den Turm durch den Personaleingang verlassen hatten und in ihren Wagen gestiegen waren. Er war ihnen gleich hinterhergejagt, hatte ihnen jedoch nicht lange folgen können. Mit seinem Fahrrad war er einfach zu langsam gewesen.

      Er wusste aber, wo Zeller stets seinen Kaffee trinken ging. Oder seinen Flachmann auftanken. Es war schon bis zu ihm vorgedrungen, dass der Kommissar gerne einen schnäpselte, auch während des Dienstes. Im »b2« war er ihm schon öfter über den Weg gelaufen. So war ihm die Idee gekommen, dort auf ihn zu warten. Und die war goldrichtig gewesen, seine Journalistennase hatte sich nicht getäuscht. Leider waren die Informationen, die er bisher hatte aufschnappen können, spärlich. Da hatte er mehr erwartet. Wenigstens wusste er jetzt, dass die Frau an Zellers Seite seine Assistentin war. Wie hatte er sie genannt? Elli Jones? Das klang echt spannend. Färber hatte sofort gemerkt, dass sie nicht von hier sein konnte. Wahrscheinlich kam sie frisch aus den Staaten, nach einem Studium beim FBI oder

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