Die Toten von Rottweil. Herbert Noack

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Die Toten von Rottweil - Herbert Noack

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in Stuttgart gewesen und später auf diesem Lehrgang. Er hatte die Information gleich wieder vergessen und sich nicht weiter darum gekümmert. Schließlich hatte er anderes zu tun gehabt. Erst als Bausinger Jones heute Morgen vorgestellt hatte, war es ihm wieder eingefallen. Sein Chef hatte sie ihm damals schon angepriesen wie einen Rohdiamanten, den es galt, behutsam zu formen. Auch wenn es nicht der richtige Ausdruck für die Bearbeitung eines Diamanten war, gefiel Paul die Wortwahl besser. Ein Schleifer wollte er keinesfalls sein. Dafür konnte Bausinger andere nehmen.

      »Sie heißen Elli Jones?«, ließ sich Zeller zu einer Frage hinreißen.

      »Ja.«

      »Woher?«

      »Aus Triberg. Jedenfalls die letzten 20 Jahre.«

      »Und vorher?«

      »Israel.«

      »Echt?«, gab er zurück und war kurz interessiert, fragte aber nicht weiter nach und so verebbte das gerade begonnene Gespräch wieder.

      Während sie in einer enormen Geschwindigkeit nach oben brausten, schaute er versonnen durch die Panoramafenster nach draußen. Wie schön hätte diese Fahrt sein können, wenn man sich nur an der ständig verändernden fantastischen Aussicht hätte berauschen können. Ewig hätte er so weiterfahren können. Egal, wie hoch. Doch sein Wunsch blieb unerhört. Fast unmerklich wurde der Fahrstuhl abgebremst und die Fahrt war beendet. Als sich die Türen öffneten, zögerten sie zunächst, hinauszutreten. Die Worte des Notarztes hallten noch nach. Außerdem schlug ihnen ein erbärmlicher Gestank entgegen. Es roch wie in einem Schweinestall. Zeller gab sich einen Ruck und sagte zu seiner Kollegin, die ihn mit angstvollem Blick ansah: »Na los, Jones. Es wird schon nicht so schlimm werden. Bleiben Sie hinter mir. Ist besser so. Und halten Sie sich ein Taschentuch vor die Nase.«

      Mehrere Kriminaltechniker, verhüllt in ihren weißen Ganzkörperanzügen, liefen, standen oder knieten um zwei Hügel mit abgedeckten Inhalten. Der eine direkt neben dem Aufzug, der andere um die 30 Meter weiter weg. Der Notarzt hatte nicht übertrieben mit seiner Warnung. Blut und Gehirnmasse waren weiträumig auf dem Boden des Korridors verteilt. Hier hatte ein wahres Gemetzel stattgefunden. Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal etwas Ähnliches gesehen zu haben.

      Als er sich die Leichen unter den Tüchern zeigen ließ, vernahm er einen dumpfen Aufprall hinter sich, wenige Meter vom Aufzug entfernt. Seiner Begleiterin war der Anblick um diese Uhrzeit wohl zu viel. Zeller tat so, als habe er es nicht bemerkt. Sie wird schon wieder hochkommen, dachte er nur. So etwas gehörte zum Anfang bei der Kripo dazu. Erst später würde man bei solch schrecklichen Bildern nicht mehr das Bewusstsein verlieren.

      Er brauchte nicht lang hinzuschauen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Beide Frauen hatten die gleiche Todesursache erlitten. Jeder von ihnen war der Schädel mit brachialer Gewalt eingeschlagen worden. Das konnte kein Mensch überleben. Keine Chance.

      Er sah die Leiterin der Spurensicherung vor einem der Tücher knien und lief zu ihr. »Ulli, du schon wieder. Ich sehe dich seit Neuestem öfter als meinen besten Freund. Gegenüber dem Anblick heute Morgen allerdings sieht es ja hier echt schlimm aus. Da war der tote Richter eine wahre Augenweide.«

      »Als ob du Freunde hättest, Paul. Die wenigen, die dafür infrage kämen, sind schon lange davongelaufen oder tot.«

      »Ach, komm. So schlecht bin ich doch gar nicht«, versetzte er. »Hast du schon was Besonderes gefunden?«

      Sie schüttelte zögernd den Kopf. »Noch nicht, Paul. Wir haben gerade erst angefangen. Es ist ein schrecklicher Tag, den ich bestimmt nicht so schnell wieder vergessen werde. Wir kommen mit der Arbeit kaum hinterher. Heute Morgen da draußen, jetzt hier drin. Meine Truppe musste sich teilen. Drei Kollegen sind beim Hofgerichtsstuhl, der Rest hier. Immerhin haben wir hier weniger Gaffer. Eines aber passt nicht und macht mich nachdenklich.«

      »Was? Raus damit.«

      »Die Ältere von den beiden, die vorn am Fahrstuhl liegt, trägt nur einen Unterrock. Sie wird wohl kaum so gearbeitet haben.«

      »Das ist eigenartig. Habt ihr den fehlenden Arbeitskittel gefunden?«

      »Noch nicht. Aber wenn es sein muss, krempeln wir den gesamten Turm nach dem Kleidungsstück um. Egal, wie lange er dann geschlossen bleiben muss.«

      »Kannst du was zur Tatzeit sagen?«, versuchte Zeller erneut, Ulli ein paar Informationen zu entlocken.

      »Es ist noch keine drei Stunden her. Der Notruf von hier kam um 6.40 Uhr. Viel früher wird man sie nicht getötet haben. Irgendwann zwischen ihrem Arbeitsbeginn und dem Anruf. Genauer geht’s nicht. Die Todesursache scheint klar, so eine rohe Gewalt überlebt niemand. Die jüngere Frau, da weiter hinten, versuchte zu flüchten. Sie kam nicht weit. Der Täter holte sie ein und erschlug sie. Dass kein Mensch ihr Schreien hörte? Man hat sie beide erschlagen wie räudige Hunde. Einfach nur grausam.«

      »Die Tatwaffe muss stabil gewesen sein«, entgegnete Zeller und kauerte sich neben sie. »Ein Schirm oder ein Spazierstock wird es wohl eher nicht gewesen sein.«

      »Auf keinen Fall! So eine Sauerei kann nur etwas Hartes anrichten wie ein Baseballschläger, eine Metallstange oder ein dicker Knüppel«, antwortete Ulrike Brenner und erhob sich.

      »Oder ein Golfschläger«, sagte Zeller mehr zu sich selbst und schaute nachdenklich drein. Er meinte sich zu erinnern, im Foyer eine Tasche mit mehreren Golfschlägern stehen gesehen zu haben.

      »Kann gut sein. Es gibt viele Möglichkeiten«, erwiderte die Kriminaltechnikerin dünnhäutig.

      »Ich muss dir noch etwas zeigen. Du wirst erstaunt sein.« Er folgte ihr in den großen Konferenzraum. Der Gestank wurde immer grässlicher. Elli Jones, gerade ein wenig erholt, war zu ihnen gestoßen und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase. Angewidert drehte sich die junge Frau bei dem Anblick gleich wieder weg.

      Zeller traute seinen Augen nicht. Was sollte das sein? Eine Protestaktion mit Symbolcharakter? Hatte der Vortrag vom gestrigen Abend damit zu tun? Oder ging es gegen die Firma, die den Turm erbaut hatte? Mitten im Konferenzraum hing ein Schwein von der Decke. Der Bauch war geöffnet, aus ihm baumelten die Gedärme heraus. In die Schnauze hatte man dem Tier einen Packen Geldscheinattrappen gesteckt. »Zur Abwechslung wirklich was Neues, Ulli. Den Mord an einem Schwein habe ich bisher noch nie untersuchen müssen. Was soll Jones hier neben mir davon halten? Sie wird sich fragen, wo sie hineingeraten ist. Tierkadaver, ein ermordeter Richter und zwei erschlagene Frauen. Etwas viel für einen einzigen Tag.«

      Er stellte seine blasse Kollegin und die Kriminaltechnikerin gegenseitig vor. Ulli Brenner lächelte Jones freundlich an. Irgendjemand musste ihr den Tag retten. Zeller würde es bestimmt nicht sein. »Ist für mich auch neu. Weder in der Ausbildung noch in Verbindung mit einem Mordfall habe ich so was schon gehabt. Allerdings hatte ich schon mit allerlei anderen Schweinen zu tun – unterschiedlichen Alters, beruflicher Position und Geschlechts. Wenn das nichts zu bedeuten hat … Ich habe die Sau extra für dich hängen lassen und hoffe, du dankst es mir einmal«, sagte sie zu Paul.

      »Aber natürlich! Das weißt du doch. Ich bin gespannt auf den Todeszeitpunkt. Hing das Schwein schon, als die beiden Frauen den Raum betraten, oder hat man es später hier drapiert? Ich denke mal, es war schon da. Alles andere ergibt wenig Sinn.« Zeller hatte genug gesehen und verließ mit seiner neuen Kollegin den Konferenzraum. Draußen wandte er sich ihr zu: »Ich hoffe, der Tag heute wird Sie nicht von der Verwirklichung Ihres Berufswunsches abhalten. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Glauben Sie mir. Und wahrscheinlich werden Sie das auch nie mehr erleben. Damit Sie auf andere Gedanken kommen, bringen

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