Mord im Wendland. Klaas Kroon

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Mord im Wendland - Klaas Kroon

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ihr irgendwie leidtat. Sabine wollte die Kollegin nicht ungeschützt den Machospielchen ihres Chefs überlassen. »Außerdem haben wir hier viele Ferienwohnungen. Möglich, dass fast alles ausgebucht ist. Superwetter, das Wochenende steht vor der Tür, bald beginnen die Sommerferien. Unser See ist beliebt.« Sie drehte sich zu Attila um, der sich vermutlich schon überlegte, wie er die muffige Garage in Windeseile in eine Kommandozentrale umfunktionieren könnte.

      »Attila, du kannst doch mal ein bisschen herumtelefonieren und freie Zimmer für die Kollegen auftreiben, oder?«

      Attila schien nicht begeistert, murmelte aber ein: »Klar, mach ich, Sabine«. In den wenigen Wochen, die er nun hier auf der Wache war, hatte Sabine ihn komplett um den Finger gewickelt, ohne dass sie das wirklich gewollt hatte. Er war Wachs in ihren Händen. War es ein Kompliment, wenn ein junger Mann von Anfang 20 sich in eine fast 30-Jährige verknallte?

      Sabine stand natürlich nicht auf Attila. Er sah gut aus und war nett und sicher auch ganz clever, aber viel zu jung. Und an Männern war Sabine im Moment sowieso nicht interessiert. Ihre letzte Beziehung mit Harald, einem Gymnasiallehrer aus Lüneburg, war letztendlich an ihrem Umzug nach Gartow zerbrochen. Harald wollte sie nicht nur am Wochenende sehen, hatte allerdings auch keine Lust, unter der Woche nach Gartow zu kommen. Dann hätte er nämlich am nächsten Morgen um 6 Uhr aufstehen müssen. Doch das war alles nur vorgeschoben. Von ihm und genauso von Sabine. Sie hatte nicht um ihn gekämpft. Das Jahr mit ihm war schön gewesen – mehr nicht. Nun war ihr Vater der wichtigste Mann in ihrem Leben und der stellte weitaus weniger Ansprüche.

      Metzger brachte Melanie Gierke in seine Wohnung, damit sie duschen und sich frisch machen konnte. Sabine hoffte, dass der alte Single es da oben einigermaßen sauber und ordentlich hatte.

      Sie selbst konnte sich nun ihrem Herrn Hohmann widmen. Er saß etwas verloren an dem Tisch im Vernehmungszimmer. Ohne Handschellen. Sabine setzte sich ihm gegenüber.

      »Also, Herr Hohmann, fangen wir von vorne an. Name, Geburtsdatum, Meldeadresse. Ich höre.«

      Hohmann gab bereitwillig Auskunft, und Sabine tippte seine Angaben in den Polizeicomputer, wo sie sie gleich überprüfte. Alles stimmte. Hohmann hatte keine Vorstrafen. Sein Führerschein war vor zwei Jahren eingezogen worden.

      »Zwei Jahre?«, sagte Sabine verwundert, »da müssen Sie ja ordentlich blau gewesen sein. Was ist passiert?«

      »Ich habe das Wartehäuschen einer Bushaltestelle umgefahren.«

      »Mehr nicht?«

      »Mit dem Bus. Ich war der Fahrer. Es wurde niemand verletzt.«

      »Verstehe – und nun erzählen Sie von der letzten Nacht. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie als Zeuge vernommen werden, nicht als Beschuldigter. Sie dürfen die Aussage verweigern, wenn Gefahr besteht, dass Sie sich selbst belasten. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn wir über Wilderei oder illegalen Waffenbesitz sprechen. Verstehen Sie?«

      Hohmann nickte. »Brauche ich einen Anwalt?« Sabine zuckte mit den Schultern. »Dauert halt alles noch länger.«

      »Okay«, sagte Hohmann entschlossen, »bringen wir es hinter uns.«

      Und dann erzählte er die in weiten Teilen langweilige Geschichte von einer nächtlichen Tour mit dem Kumpel Koslowski in den Wald, bei der sie eher zufällig die alte Schrotflinte von Hohmanns lange verstorbenem Vater dabeihatten.

      »Und warum sind Sie dafür hierhergefahren?«, fragte Sabine. »Sie wohnen in Dannenberg. Da gibt es Wälder, die näher liegen.«

      »Ach, der Wald hier gilt als besonders schön.«

      »Wofür? Zum Jagen?«

      Hohmann schwieg.

      »Okay. Lassen wir das. Sie haben sich also in Ihr Auto gesetzt … Moment, wo ist Ihr Auto überhaupt? Und Sie haben doch gar keinen Führerschein.«

      »Äh, ja«, druckste Hohmann herum, auf seiner Glatze bildeten sich Schweißperlen, das in der Nacht noch glattrasierte Kinn wies erste Stoppeln auf. »Ich habe kein Auto und Koslowski auch nicht. Er hat sich das von seinem Bruder geliehen. Einen alten Golf. Rot.«

      »Und wo ist der?«

      »Den haben wir nicht mehr wiedergefunden. Wir haben ihn gesucht, als wir Sie getroffen haben.«

      »Das Fahrzeug steht da also irgendwo in der Nähe?«

      Hohmann nickte.

      »Ein einsames Auto am Waldesrand?« Sabine musste lachen. »Dann gehen Sie mal davon aus, dass meine Kollegen den Wagen inzwischen gefunden und als Beweismittel gesichert haben. Das wird einige Tage dauern. Und wahrscheinlich stehen Beamte gerade bei Koslowskis Bruder vor der Haustür, um ihn zu fragen, was sein Auto denn in der Nähe eines Tatorts macht. Na, der wird dumm gucken.«

      Hohmann schaute betreten auf den Tisch.

      »Was waren das denn für Leute, die da ermordet wurden?«, fragte er schließlich. Er wirkte echt betroffen.

      »Das ist hier keine nette Plauderei, Herr Hohmann. Ich stelle die Fragen. Warum sind Sie zu dem Haus gegangen? Da gab es bestimmt keine Wildschweine.«

      »Aus Neugier. Das lag da so geheimnisvoll, wie so ein Hexenhaus, wissen Sie?«

      »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen? Stand ein Auto auf dem Hof?«

      »Nein.«

      »Ein Motorrad, ein Fahrrad, war da ein Hund? Mensch, wir brauchen jedes Detail. Brannte Licht?«

      »Keine Fahrzeuge. Und, ja, es brannte Licht. Irgendwo im Innern. Nicht viel.« In der Küche, dachte Sabine, das hatte sie auch bemerkt. Es musste ein Gaslicht oder eine Kerze gewesen sein. Strom gab es ja nicht.

      »Und dann«, Hohmann wollte offensichtlich etwas sagen und traute sich nicht. »Dann …«

      »Was, und dann?«

      »Dann war da noch dieses Kind.« Er sagte es mit gesenktem Blick, fast eher für sich, als würde er selbst nicht daran glauben.

      »Ein Kind?«, Sabine wurde lauter, als sie wollte. »Was für ein Kind? Was reden Sie da? Waren Sie betrunken?«

      »Nein. Ich hatte den ganzen Tag nichts getrunken. Ich war nüchtern. Im Wald war da dieses Kind. Kiste wird Ihnen sagen, dass ich …«

      »Kiste?«, Sabine stand unter Strom. Etwas hatte dieser schräge Vogel gesehen, aber es würde nicht einfach sein, Irrsinn und Wirklichkeit in seinen Erzählungen zu unterscheiden.

      »Kiste, so nennen wir Koslowski, weil …«

      »Hohmann, es ist mir scheißegal, warum Sie den so nennen, was für ein Kind?«

      »Na, das Kind, das mit dem Wolf weggelaufen ist.«

      Dieser Satz ließ Sabines Adrenalinpegel schlagartig sinken. Was redete der Typ da für einen Blödsinn?

      »Was denn für ein Wolf?«, fragte sie genervt. »War der mit Rotkäppchen unterwegs, oder was? Hohmann, verarschen Sie mich nicht.«

      In diesem Moment steckte Melanie Gierke die frisch gewaschenen blonden Stoppeln

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