Mord im Wendland. Klaas Kroon

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Mord im Wendland - Klaas Kroon

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Es war offensichtlich, dass sich Kiste zusammenreißen musste, um nicht irgendeinen Quatsch zu reden. Nach einer halben Stunde, in der sich Karsten alle 30 Sekunden anders hingesetzt hatte, hielt er es nicht mehr länger aus.

      »Wie lange sollen wir jetzt hier rumhocken?«, flüsterte Kiste.

      »Bis er kommt.«

      »Der Wolf?«

      »Ja, der. Und der Mond.«

      Kaum, dass Olaf das gesagt hatte, wurde es über ihren Köpfen hell. Nicht wirklich hell, aber in dieser Dunkelheit wirkte jedes Glühwürmchen wie eine Flutlichtanlage. Nun konnten sie mehr von ihrer Umgebung erkennen. Die Weide, die Heidschnucken oder gar den Wolf sahen sie jedoch nicht.

      Eine Viertelstunde später stand Olaf auf und ging langsam in Richtung Weide. Kiste folgte. Irgendwann zeigte er mit dem Finger nach rechts auf etwas zwischen den Bäumen. Zunächst erkannte Olaf nichts, doch dann bemerkte auch er ein schwaches Licht, das zwischen den Stämmen hindurchschimmerte. Irgendwo da hinten musste ein Haus sein. Würde der Wolf hier überhaupt auftauchen, wenn so nah Menschen lebten? Aber der Bauer hatte ihn in der Nähe gesehen, also würde er kommen.

      Langsam gingen sie weiter. Kiste platzte fast vor Mitteilungsdrang.

      »Hat die ganze Aktion überhaupt noch Sinn?«, maulte er in einer Lautstärke, die nicht mehr als Flüstern durchging.

      »Halt den Rand«, zischte Olaf ihn an, »sonst können wir wirklich gleich abhauen.«

      Und plötzlich, an einer Stelle, an der die Bäume etwas unregelmäßiger verteilt wuchsen und sich ein kleiner Hügel erhob, stand auf diesem Hügel: der Wolf. Sie sahen ihn von der Seite und er blickte in die Richtung, in der sie kurz zuvor das Licht entdeckt hatten. Olaf brach augenblicklich der Schweiß aus. Nie zuvor war er einem Wolf in freier Wildbahn begegnet. Klar, im Wildpark Schwarze Berge, da gab es auch Wölfe, aber hier im Wald, keine 50 Meter entfernt, das war schon verdammt krass.

      Olaf hatte in der Zeitung gelesen, dass es inzwischen wieder viele Wölfe in der Gegend gab. Man sprach von zehn Wolfsrudeln allein im östlichen Niedersachsen. Sie wurden zu einer echten Plage für die Schaf- und Rinderzüchter und erschießen durfte man sie nicht. Bis zu fünf Jahre Gefängnis und 50.000 Euro Strafe drohten beim Abschuss eines Wolfes. Olaf konnte verstehen, dass die Bauern das nicht einsahen. Warum sollte man ihnen verbieten, ihr Eigentum zu schützen? Aber so war das heute. Da haben die Ökos aus der Stadt mehr zu sagen als die Leute, die jeden Tag mit harter Arbeit auf dem Land ihr Geld verdienen müssen. Zum Kotzen.

      Olaf hob langsam die Büchse und legte an. Er zitterte. Seit fast 24 Stunden hatte er keinen Tropfen getrunken. Das war er nicht gewohnt. Und aufgeregt war er. Nur einen guten Schuss entfernt von 4.000 Euro Cash. Es musste klappen.

      Er spannte den Hahn. Das Klicken dröhnte in seinem rechten Ohr wie eine Bombenexplosion. Nun drehte der Wolf seinen Kopf, schaute in Olafs Richtung und spitzte die Ohren – für den Bruchteil einer Sekunde. Dann sprang er von dem Hügel und verschwand zwischen den Bäumen.

      Scheiße, weg. Keine Chance mehr, ihn zu erwischen. Mit diesem Gedanken zog Olaf den Abzug. Ein fürchterlicher Knall und im grellen Feuerschein der Büchse bemerkte Olaf noch etwas. Etwas Kleines, Helles huschte hinter dem Wolf her. Ein Junges? Ein Welpe? Nein, dafür war es zu groß. War es ein Mensch, ein kleiner Mensch? Oder irrte er sich? Er pinkelte sich fast ein vor Aufregung.

      »Kiste, hast du das gesehen?«, zischte er dem Komplizen zu, der zehn Meter entfernt hinter einem Baum kauerte.

      »Ja, habe ich. Du hast danebengeschossen, Old Shatterhand.« Er kicherte leise.

      »Ach Quatsch, ich meine das Kind. Da war doch ein Kind, oder ein kleiner Erwachsener, irgendwas.« Olaf bemühte sich nicht länger, leise zu sein. Der Wolf war weg.

      »Nee, da war nix. Nur der Wolf. Bis er nicht mehr da war.«

      »Du bist ja total blind«, schimpfte Olaf und ging vorsichtig zu der Stelle, an der vorher der Wolf gestanden hatte. Er hatte Angst. Wenn da nun wirklich ein Mensch gewesen war und er ihn getroffen hatte? Nicht auszudenken. Dann wäre er geliefert. Er suchte den Waldboden ab. Schließlich auch mit der Taschenlampe, die er in seiner Weste bei sich trug. Er leuchtete in Büsche, in Farne.

      »Was machst du?«, fragte Kiste, der ihm gefolgt war. »So verjagst du das Vieh auf jeden Fall.«

      Olaf antwortete nicht. Langsam machte er ein paar Schritte in die Richtung, in die der Wolf und die andere Gestalt gelaufen waren, und leuchtete auf den Boden vor seinen Füßen. Er war darauf vorbereitet, jeden Moment auf etwas Schockierendes zu stoßen. Blut. Oder vielleicht sogar einen Menschen. Verletzt. Tot. Warum rennt da mitten in der Nacht einer im Wald rum? Verdammter Mist.

      Doch er entdeckte nichts Schockierendes. Olaf und Kiste irrten planlos durch den Wald, dem schmalen Lichtschein von Olafs Taschenlampe folgend. Sie hatten sich verlaufen. Irgendwann standen sie vor dem Haus, dessen Licht sie vermutlich schon zu Beginn ihrer Jagd von Weitem gesehen hatten.

      Es war ein einfaches Bauernhaus, wie es sie viele in der Gegend gab. Eineinhalb Stockwerke, ein Dach, das früher sicher mal mit Reet gedeckt war, nun aber mit vermoosten Ziegeln. Es war in schlechtem Zustand, auch das Fachwerk und die Ziegel der Wände des Hauses schienen nicht gepflegt. Von den hölzernen Fensterrahmen blätterte der weiße Lack. Das Haus war mittelgroß, kein fetter Gutshof, aber auch keine Kate. Olaf schätzte sechs Räume im Erdgeschoss und ebenso viele im Dachgeschoss, vielleicht ein Keller.

      »Wo willst du hin?«, fragte Kiste, als Olaf langsam an dem Haus vorbei auf den Hof schlich. »Meinst du, der Wolf hat sich da verschanzt und nimmt erst mal ne warme Dusche, oder was?«

      Olaf schüttelte genervt den Kopf und ging weiter. Erst jetzt bemerkte er, dass er die ganze Zeit die Büchse fast schussbereit unter dem Arm trug. Eine Patrone steckte noch im Lauf. Der Wolf würde sich sicher nicht auf diesen Hof flüchten. Aber vielleicht der Mensch, den Olaf glaubte, gesehen zu haben.

      Mitten auf dem Hof blieb er stehen. Neben dem Hauptgebäude gab es einen kleinen Schuppen, dessen Tor offenstand, es befand sich kein Fahrzeug darin. Gegenüber dem Haupthaus und ein wenig abseits entdeckte er eine etwas größere Scheune. Der Vollmond stand nun so, dass er alles gut erkennen konnte. Die Scheune war in noch schlechterem Zustand als das Haupthaus. In dem zweiflügeligen Holztor fehlten einige Latten. Das Tor hing schief in seinen Angeln. Im Dach klafften große Löcher. Was auch immer in dieser Scheune gelagert wurde, es konnte nicht mehr viel taugen.

      Der Hof war bewohnt. Davon zeugten Gartengeräte und verblichene Liegestühle, die an der Hauswand lehnten, eine überquellende Mülltonne und eine leere, eingestaubte Colakiste, die neben der dreistufigen Treppe zum Haupteingang stand. Rechts neben dem Haus meinte Olaf einen Garten zu erkennen, mit Bohnenstangen und Tomatenstauden. Die Haustür war einen Spaltbreit geöffnet. Olaf ging darauf zu. Kiste trippelte hinter ihm her.

      »Was hast du vor, Alter?«, raunte er. »Lass uns abhauen. Hier ist der Scheißwolf nicht. Wir kriegen nur Ärger.«

      Olaf blieb stehen.

      »Irgendwas stimmt da nicht«, sagte er und blickte Kiste an.

      »Was meinst du? Du machst mir Angst, Mann.« Er kicherte verlegen.

      »Die Tür steht offen, mitten in der Nacht. Und drinnen brennt Licht, aber es ist niemand zu sehen«, sagte Olaf.

      »Ja. Weil alle schlafen. Die Tür haben sie vergessen. Ist ja auch egal«, sagte Kiste hastig,

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