Mord im Wendland. Klaas Kroon

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Mord im Wendland - Klaas Kroon

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zehn Kilometer über die schnurgerade B493 durch den Wald bis Trebel legte Sabine mit dem Streifenwagen um diese Nachtzeit in weniger als zehn Minuten zurück. Als sie in die Straße einbog, die als Herd der Unruhe gemeldet worden war, drang der Partylärm durch das offene Fenster zu ihr. Überall am Straßenrand waren Autos geparkt. Kennzeichen aus der Gegend, aber auch aus Hamburg und Celle.

      Vor einem großen, modernen Einfamilienhaus hielt sie an. Eine Handvoll junger Leute stand und saß im Vorgarten, Flaschen und Gläser in den Händen, einige tanzten. Durch die geöffnete Eingangstür und die beleuchteten Fenster sah Sabine noch mehr Menschen. Das Haus war regelrecht vollgestopft mit Partygästen. Und sie vermutete, dass es dahinter im Garten weiterging. Technomusik dröhnte zu ihr herüber, begleitet vom Lachen und Kreischen der Feiernden.

      Sabine stieg aus dem Streifenwagen, verschloss ihn, setzte die Dienstmütze auf und ging auf das Gebäude zu. Es war immer noch sehr warm, deshalb trug sie nur Uniformhemd und -hose, keine Jacke. Zwei junge Kerle, 20 vielleicht, bemerkten sie und musterten sie von oben bis unten.

      »Du hast dich aber originell verkleidet, Süße«, sagte einer von ihnen. Er war offensichtlich völlig betrunken. »Bist du die Stripperin, die Emil uns versprochen hat?«

      »Ganz vorsichtig«, entgegnete Sabine und sah den Burschen böse an. »Sonst können Sie gleich im Wagen Platz nehmen.«

      »Ist ja schon gut«, sagte er verschreckt.

      »Wo finde ich denn den Veranstalter dieses exklusiven Events?«, fragte sie die beiden.

      »Der Emil? Der ist sicher im Garten. Am Pool. Oder so.«

      »Emil weiter?«

      »Emil Möller«, sagte nun der andere Junge, der nicht ganz so betrunken schien wie sein Freund.

      Sabine ging ums Haus und gelangte in einen großen Garten, der von einem offenen Swimmingpool beherrscht wurde. Neben dem Pool standen auf Stativen riesige Boxen. Bunte Scheinwerfer tauchten das Geschehen in eine discoartige Beleuchtung. In einer Feuerschale brannten dicke Holzscheite. Sabine schätzte, dass sich ungefähr 40 Leute im Garten aufhielten. Viele im Pool. Manche in voller Bekleidung, andere in Badesachen, ein Junge und ein Mädchen ganz nackt. Auf der Wiese lagen engumschlungene Paare, auf der Terrasse wurde getanzt. Niemand hier war über 25. Auf den zahlreichen Gartenmöbeln saßen die Menschen, lachten, tranken, rauchten und schliefen. Ein leichter Hauch von Marihuana wehte zu Sabine herüber.

      Die meisten der Feiernden nahmen keine Notiz von der Polizistin, die da mitten unter ihnen stand und ganz offensichtlich keine Stripperin war, sondern echt und bewaffnet.

      »Suchen Sie mich?«, fragte eine Stimme hinter ihr plötzlich. Sabine drehte sich um. Ein junger Mann lächelte sie herausfordernd an. Er war blond, groß, schlank, gutaussehend. Er trug eine kurze helle Leinenhose, sonst nichts. Sein trainierter Oberkörper war braungebrannt. Falls er so betrunken war wie seine Gäste, konnte er das gut verbergen.

      »Wenn Sie Emil Möller sind, dann ja.«

      »Haben sich meine Dorfdeppennachbarn wieder beschwert?«, fragte er und nahm einen Schluck aus der Bierflasche, die er lässig in der Hand hielt. Eine junge Frau kam aus dem Dunkel des Gartens. Sie rückte sich ihren kurzen Rock und das knappe Top zurecht und stellte sich dicht neben Emil.

      »Man darf doch einmal im Jahr laut sein, oder, Emil?«, lallte sie und hielt sich an seiner Schulter fest. Sie sah Sabine aus glasigen Augen an.

      »Nein, meine Liebe«, sagte Sabine betont kräftig. Man hatte ihr in der Ausbildung gesagt, dass sie dazu neige, mit Kleinmädchenstimme zu sprechen, besonders bei Leuten, die ihr sympathisch wären. Das schränke die Autorität ein, hatte es geheißen.

      »Das ist ein Gerücht. Sie dürfen Ihre Mitmenschen nicht belästigen. Nie.« Und an Emil gewandt sagte sie: »Ich nehme an, das ist das Haus Ihrer Eltern.«

      Emil nickte.

      »Und sind die da oder kommen die demnächst?«

      »Nee«, sagte Emil und grinste wieder frech, »die sind in Thailand.«

      Sabine war einigermaßen verwundert darüber, dass die Party trotz eines Streifenwagens vor der Tür und einer Polizistin im Garten mit unverminderter Heftigkeit weiterging. Hatten diese Rich Kids keinerlei Respekt vor der Polizei? Es lag ihr nicht, den harten Bullen rauszukehren, aber sie durfte sich auch nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Wie würde es ablaufen, wenn ihr Chef Metzger hier erschiene? Er war fast doppelt so alt wie sie, dick, hatte eine brutale Visage, wenn er wollte, obwohl er eigentlich ein eher weicher Kerl war. Würden diese kleinen Angeber vor Jakob strammstehen?

      Hatte Sabines Vater recht, der mal gesagt hatte, dass sie für eine Polizistin viel zu attraktiv sei, da die bösen Buben eine schöne Frau nicht ernst nahmen? Und zu jung für einen solchen Einsatz war sie vermutlich ebenfalls. Sie war ja nur wenige Jahre älter als die Feiernden.

      Egal. Sie hatte das Recht auf ihrer Seite, und das musste durchgesetzt werden.

      »Okay«, sagte sie und sah Emil, wie sie hoffte, entschlossen an, »wir können das nun auf zwei Arten machen. Entweder Sie schalten sofort die Musik aus und verziehen sich mit Ihren Gästen ins Haus, oder ich rufe ein paar Kollegen hinzu, wir stellen Ihnen den Strom ab und schauen mal, was wir hier sonst noch so finden. Vielleicht reicht es ja für mehr Ärger als nur wegen Ruhestörung.«

      »Ups«, rutschte der jungen Frau raus und auch Emil schaute überrascht.

      »Okay, okay«, sagte er und wedelte beschwichtigend mit den Händen. »Wir sind jetzt leise, versprochen.«

      Er nahm sein Handy aus der Hosentasche, rief eine App auf und berührte ein Symbol. Augenblicklich wurde es still. Einige Partygäste jammerten, maulten herum. Doch Emil gelang es, sie alle ins Haus zu scheuchen.

      »Übrigens«, sagte Sabine, als sie sich von Emil begleitet auf den Weg zu ihrem Streifenwagen machte, »wenn Ihre besonders gut gelaunten Gäste heute noch Auto fahren wollen, sollten sie wissen, dass wir an der nächsten Ecke auf sie warten.«

      »Ja, ist klar«, sagte Emil, »ich passe auf. Und Frau …«, er fixierte das Namensschild auf Sabines Uniformhemd, »Langkafel, ich würde mich freuen, wenn Sie zu meiner nächsten Party ganz privat kämen.« Er sah sie mit einem Hundeblick an, mit dem er bei Mädchen seines Alters sicher erfolgreich war.

      »Übernimm dich nicht, Kleiner«, sagte Sabine und stieg in den Wagen.

      Sie war mit sich zufrieden. Emil hatte verstanden und würde es für diese Nacht gut sein lassen. Die Bürgerkinder waren eben doch nur in gewissen Grenzen rebellisch. Sicher studierte der Junge in Hamburg oder Berlin irgendetwas Bedeutsames und würde es selbst mal zu einem hübschen Häuschen bringen. Bis dahin nutzte er die sturmfreie Bude, um etwas über die Stränge zu schlagen. Das war kein Kapitalverbrechen. Und für ein paar Gramm Gras würde Sabine kein SEK aus Lüneburg anfordern. Das Zeug hatten die doch längst im Klo runtergespült.

      Ein halbes Jahr war Sabine nun auf ihrem Posten im Polizeirevier der Samtgemeinde Gartow, hinter dem großen Wald, am östlichen Rand des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Sie hatte bei der Polizeidirektion in Lüneburg um die Versetzung in das 4.000-Seelen-Dorf im Wendland gebeten. »Du wirst dich zu Tode langweilen«, hatten die Kollegen sie gewarnt, und ihr Vorgesetzter hatte nach zwei Gläsern Sekt bei ihrer Abschiedsfeier auf sie eingeredet, dass sie ein großes kriminalistisches Talent sei, das er am Arsch der Welt nicht fördern könne.

      Aber

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