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Was ist denn eigentlich passiert, da in Mildenau?«

      »Das ist eine ziemlich verfahrene Kiste. Ein Mann starb unter etwas, sagen wir, mysteriösen Umständen. Die Obduktion schloss zwar ein Fremdverschulden nicht aus, bestätigte jedoch nicht den Verdacht, dass da jemand nachgeholfen haben muss.« Oli nahm einen Schluck Wein aus seinem Glas und goss den Rest aus der Flasche nach.

      »Jetzt lass dir mal nicht jeden Brocken aus der Nase ziehen. Habt ihr gar nicht ermittelt?«

      »Nun ja, der Mann war ein stadtbekannter Alkoholiker, auch wenn er draußen in Mildenau wohnte. Oder anders: Er war schon vorher bekannt. Ein karrieregeiler junger Parteifunktionär in der DDR. Er hatte vermutlich nach der Wende nie wieder Fuß gefasst und war dem Alkohol verfallen. Wir hatten ihn mehrmals betrunken am Steuer erwischt und ihm den Führerschein abgenommen. Ich war mir damals sicher, dass der Schwächeanfall verbunden mit der Alkoholmenge von fast drei Promille tödlich gewesen sein musste.«

      »Und habt ihr niemanden befragt? Die Witwe, die Nachbarschaft, Kinder?« Adina gab nicht nach.

      »Natürlich habe ich mit der Frau gesprochen. Nichts Auffälliges.«

      »Und jetzt?«

      »Stehen wir quasi wieder am Anfang.«

      »Warum das?«

      »Es gab eine Anzeige.«

      »Von wem?«

      »Adina, du weißt, dass ich dir das nicht erzählen darf. Du bringst mich um meinen Job, wenn das herauskommt.«

      »Lass uns ein wenig darüber sprechen. Vielleicht wird dir dabei manches klarer und dir kommt eine Idee für das weitere Vorgehen.«

      »Es ist ziemlich kurios. Wenn etwas an der Verdächtigung dran ist, dann dreht es sich nicht nur um ein Tötungsverbrechen.«

      »Worum sonst?«

      »Strafvereitelung im Amt zum Beispiel oder unterlassene Hilfeleistung. Aber das wäre alles verjährt.«

      »Puh, starker Tobak, würde der Berliner sagen.«

      »Schlimmer. Der Sohn hat seinen Vater angezeigt, weil dieser die Sache mit dem Tod des Mannes gewusst und vertuscht haben soll. Und weißt du, wer dieser Vater ist?«

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Mein damaliger Dienstgruppenleiter Erwin. Er ging kurze Zeit später in den Ruhestand. Und er hat damals festgelegt, dass wir die Ermittlungen einstellen. Ich war jung und ein wenig ungestüm. Vermutlich hätte ich weiter ermittelt, wenn er die Akte nicht geschlossen hätte. Ich habe nachgegeben und mich nicht gewehrt.«

      »Und der Sohn? Was hat der für ein Motiv für die Anzeige?«

      »Die Witwe behauptet, er sei neidisch, weil Erwin sie als Universalerbin eingesetzt hat und er nur den Pflichtteil bekommen sollte. Bei Erwins Familie ist ordentlich Geld da, ein großes Grundstück mit Ferienwohnungen, ein Vierseithof, Wald, verpachtete Felder und Wiesen. Der Sohn war lange Zeit im Ausland, ich kannte ihn gar nicht. Erwin hatte wohl nicht damit gerechnet, dass er die mallorquinische Sonne wieder gegen den Dauerwinter im Erzgebirge tauschen würde. Nach erfolgloser Glückssuche auf Malle zieht es den Burschen offenbar in die alte Heimat zurück. Und dann das: In seinem früheren Zuhause schwingt inzwischen die lustige Witwe vom Hang gegenüber das Zepter. Das findet er nicht amüsant.«

      »Hat sie was mit deinem früheren Kollegen?«

      »Das muss ich herausfinden. Und wenn, dann wäre interessant, wie lange das schon geht.«

      »Daran dachte ich gerade. Wenn nicht sie, sondern er ein bisschen nachgeholfen hat?«

      »Adina, bitte. Nimm mir nicht jede Illusion. Erwin war mein väterlicher Chef. Bei ihm habe ich praktisch die ersten Schritte auf eigenen Füßen gelernt.« Oli seufzte. »Aber du hast recht, ich habe schon daran gedacht. Er war allein mit dem Erbe seiner Eltern. Sie hatte Aussicht auf Haus und Hof in Mildenau. Und ihr Mann muss ein echtes Ekel gewesen sein, vor allem, wenn er blau war.«

      »Hat er sie geschlagen?«

      »Nicht nur einmal. Sie hat ihn mehrfach angezeigt. Dabei hat sie meinen Kollegen kennengelernt. Sie behauptet das zumindest.«

      »Und du kannst die Sache nicht auf sich beruhen lassen? Es macht ihn nicht mehr lebendig, und sie wurde durch seinen Tod vielleicht gerettet.«

      »Was hast du nur für seltsame Gedanken, Adina. Man kann nicht wissentlich ein Unrecht ignorieren oder gegen ein anderes aufrechnen. Wenn ich etwas von einer Straftat weiß, bin ich zum Ermitteln gezwungen.«

      »Man kann so oder so ermitteln. Denk an deine Kollegen, die auf dem rechten Auge blind sind. Bei denen ist es Usus, nur bestimmte Sachen zu sehen. Ich sage nur Nationalsozialistischer Untergrund NSU. Es ist keinem geholfen, wenn ihr einen angeblichen Mörder oder Helfer findet. Der Mann ist tot und die Frau fühlt sich definitiv besser als vorher.«

      »So darfst du nicht denken, Adina. Wenn ich mit dieser Einstellung an meinen Job herangehe, brauche ich gar nicht mehr ermitteln. Irgendjemandem ist stets geholfen. Alles hat zwei Seiten. Aber Verbrechen ist Verbrechen. Und der Sohn lässt bestimmt nicht locker. Der will den ganzen Besitz.«

      »Weil der Herr Sohn nichts auf die Reihe gebracht hat, soll sein Vater oder die Witwe in den Knast. Wie alt sind die denn?«, wollte Adina wissen.

      »Die Frau, Birgit heißt sie, war damals 45, ihr trinkender Herr Gemahl 13 Jahre älter. Und mein Kollege? Lass mich rechnen. Er ging vor dem 60. Geburtstag in Pension. Also sie Mitte 50, er knapp über 70.«

      »Was sagt dein Bauchgefühl?«

      »Wenn ich an die Ermittlungen damals denke, kann schon etwas an der Sache dran sein. Ich mache jetzt erst mal weiter mit den Befragungen. In der Rechtsmedizin, bei meinem Kollegen, in Mildenau und nicht zu vergessen die Liane, die ich besuchen werde. Fleischverkäuferinnen sind wie die Verkäuferinnen im früheren Dorfkonsum. Die hörten es läuten, da hatten die Glocken noch gar nicht geschlagen.«

      Adina kuschelte sich näher an Oli heran. »Ich wäre gern mit dir nach Berlin gefahren. Wenigstens der Abend gehört uns. Morgen spreche ich mit Mia und Markus. Und um meinen Blog muss ich mich kümmern, jetzt, wo es so viele Neuigkeiten gibt. Nächste Woche in Berlin unterschreibe ich den Verlängerungsvertrag und besuche meine Eltern. Echt schade, dass du nicht mitkommen kannst. Aber das holen wir nach. Meine Eltern sollen dich richtig kennenlernen, ich meine offiziell.«

      »Danke, dass du mich verstehst. Beziehungen mit Polizeibeamten sind nicht einfach. Deshalb habe ich auf eine Frau wie dich gewartet.«

      Oli nahm Adina zärtlich in den Arm. »Was hast du eigentlich für eine wunderbare Musik ausgewählt? Ich glaube, die muss ich mir einmal in Ruhe reinziehen. Es hört sich an wie zuhause.«

      »Du bist hier zuhause, Oli. Oder fühlst du dich nicht wohl? Vermisst du irgendetwas?«

      »Um Himmels Willen, so war das nicht gemeint. Ich dachte an mein früheres Zuhause. Der Drummer erinnert mich an meine Eltern. Ich bin mit Jazz-Platten groß geworden. Und meine Mutter liebte vor allem die Schlagzeuger, Günter »Baby« Sommer, Klaus Selmke und so. Sie hatte viele Jazz-Platten. Louis Armstrong natürlich, der war auch in der DDR gern gesehen. Satchmo, wie er genannt wurde, durfte einmal durch den Osten touren,

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