Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann

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Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann

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taten einen folgenschweren Schritt, als Sie, ohne den Rat Ihrer Freunde einzuholen, Ihr sicheres Asyl verließen.«

      Sie hob die Schultern.

      »Lieber Doktor, haben Sie sich denn eingebildet, ich würde mein Leben im Kloster beschließen?«

      »Wir hofften, Sie würden Geduld haben, nur noch eine Weile. Man arbeitete für Sie.«

      »Wir arbeiteten für Sie«, wiederholte San Bacco. Die Herzogin meinte:

      »Gut. Arbeiten wir also gemeinsam! Und unterhalten wir uns nebenbei. Rom macht mir einen fast närrisch lustigen Eindruck.«

      Sie wies durch das Fenster auf den schwermütigen Platz. Pavic rang die Hände.

      »Ich beschwöre Sie, Frau Herzogin, setzen Sie keinen Fuß hinaus! Bei Ihrem ersten Erscheinen verhaftet man Sie!«

      »Verhaften? Ah! Meine Herren, es ist Ihnen noch unbekannt, welchen mächtigen Schutz ich genieße.«

      »Einen ... Schutz?« fragte Pavic mit hörbarer Enttäuschung.

      »Den Schutz unserer heiligsten Mutter, der Kirche.«

      Sie lächelte und bekreuzte sich. Pavic ahmte hastig ihre Gebärde nach, er bat die Sünde ihres Hohns in Gedanken ab.

      »Nun schweigen Sie?«

      San Bacco schritt aufgeregt durch das Zimmer. Er rief in der Fistel:

      »Ich ehre die Kirche als Christ, als Demokrat und als Edelmann. Aber wo ihre Tätigkeit beginnt, da endet die des Soldaten. In meiner Vorstellung, Herzogin, erscheint der Priester erst am Sterbebett des Helden!«

      »Marquis, Sie haben vollkommen recht, bis auf eine Kleinigkeit: ich bin kein Held.«

      Sie stellte sich vor ihn hin und sah ihm in die Augen.

      »Sie überschätzen mich, mein Lieber, ich bin schwach. Die Langeweile hat mich schwach gemacht. Ein starker, gewandter Priester lief mir in den Weg, ein Vikar des Kardinals Grafen Burnsheimb, und ich bin ihm hierhergefolgt. Was wollen Sie, Marquis, ich bin erst fünfundzwanzig! Man muß nicht zuviel von mir verlangen. Ich habe Freunde in Rom, die mich über mein Unglück trösten werden. Monsignor Tamburini erzählt mir, daß die Prinzessin Laetitia hier ist. Ich kenne sie seit Paris und will sie aufsuchen. Meinen Sie, daß die Fuchsjagden im Oktober ohne mich stattfinden sollen?«

      San Bacco schüttelte den Kopf.

      »Sie stellen sich frivol, Herzogin! Inmitten der leichtfertigen Festlichkeiten in Zara waren Sie von historischer Größe ... jawohl, von historischer Größe! Und jetzt, unter der Last eines pathetischen Verhängnisses, kokettieren Sie mit Oberflächlichkeit. Sie lieben das Bizarre, Herzogin – und es steht Ihnen.«

      »Aber Ihnen steht das Geistreiche gar nicht. Seien Sie gut!«

      Sie bot ihm die Hand.

      »Ich muß eine Menge Einkäufe machen. Sie sehen, wie es hier kahl ist. Kommen Sie, begleiten Sie mich. Nicht wahr, Sie schenken mir ein paar Stunden?«

      Er murmelte:

      »Ein paar Stunden? Ich gehöre Ihnen ja ganz.«

      Er beugte sich über ihre Finger. Sein rotes Kinnbärtchen zitterte.

      Hinter ihnen stand Pavic, betreten und mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge. Die Herzogin wandte sich um.

      »Und Sie, Herr Doktor, sind Sie versöhnt?«

      Pavic stammelte:

      »Bin ich nicht Ihr Diener? Frau Herzogin, Ihr Diener, wie es auch kommen mag. Ich hatte mir's anders gedacht. Sie sind in Gefahr, Sie fürchteten sich, ich wollte Sie decken mit meiner Brust ...«

      Da sie den Mund verzog, verwirrte er sich vollständig.

      »Auch ich selbst fürchtete mich, es ist ja wahr ... Genug, jetzt schützen Sie stärkere Hände. Ich als einfaches Sklavenherz war stets ein gläubiger Sohn der Kirche ...«

      »Dann ist also alles in Ordnung. Ich höre den Wagen des Kardinals. Gehen wir.«

      Sie setzte sich den Hut auf.

      »Das Kammermädchen, das man mir geschickt hat, versteht nicht viel. Es ist ein Verbannungskammermädchen.«

      San Bacco suchte in allen Zimmern nach ihrem Sonnenschirm. Dann stiegen sie ein. Vor einer der Ladentüren, wo sie auf ihre Dame warteten, sagte der Garibaldianer zu dem Tribunen:

      »Ich bewundere diese Frau, denn sie hat mich enttäuscht. Ich kam und meinte Vernunft predigen zu müssen. Sie konnte verbittert sein, nicht wahr, oder kindisch ratlos oder empört. Nein, durchaus nicht; sie scherzt. Sie hat die kraftvolle Leichtigkeit dessen, der seiner Sache gewiß ist. Diese Frau ist groß!«

      Pavic murrte:

      »Groß, hm, groß – ich sage nicht nein. Es gibt eine passive Größe. Manche sterben lustig. So ein Aristokrat, der sich guillotinieren ließ, weil irgendeine Liebesgeschichte ihn vom rechtzeitigen Überschreiten der Grenze abhielt, ich halte ihn für eine lächerliche Figur, schon darum, weil er zwecklos ist.«

      »Mein Herr! Sie vergessen, zu wem Sie das sagen!«

      San Bacco richtete sich stolz auf. Aber Pavic versetzte ruhig:

      »Sie, Herr Marquis, den ich so hoch verehre, sind ein Mann der Freiheit.«

      Und der Mann der zwei Seelen, der San Bacco hieß, wußte nichts zu entgegnen. Der andere sprach weiter:

      »Der aber, an dessen Leben eine große Sache hängt, ist zu kostbar; er darf nicht sterben irgendeiner Schimäre zu Gefallen, und trüge sie den klingendsten Namen. Sollte ich, der ich meinem Volke viel bin, zusehen müssen, wie auf Barrikaden Blut fließt? Muß ich mich statt eines Bauern spießen lassen?«

      San Bacco verstand nicht, er schwieg, und Pavic verbiß sich stumm in seine Idee. Sie hielt ihn besessen bei Tage und bei Nacht. Kaum vom Schlummer erwacht, begann er der Herzogin, als ob sie vor ihm stände, die Gründe vorzuhalten, weshalb das Opfer seines Lebens, das sie verlangt hatte, töricht und verderblich gewesen wäre. Er saß dann im Bett und redete mit dem Mute, den er vor ihrem Angesicht nicht fand, auf sie ein, schallend laut, mit starken Gesten und schließlich ganz erbittert. Er warf ihr seine Nachtwachen vor, seine Heimatlosigkeit und sein gebrochenes Dasein, ja, auch den Tod seines Kindes. In seiner Überreiztheit glaubte er oft, sie habe den Knaben gefordert statt seiner selbst.

      »Und nach so vielen Opfern ...!«

      Er vollendete sich den Gedanken niemals, aber sein Gefühl überzeugte ihn, daß sie für so viele Opfer sich ihm hätte geben müssen. Und nie mehr würde sie es tun, er wußte es! Er hatte sie, in einer Stunde, da er über die Ratlose verfügen durfte, nach der grauen Bergstadt und ins Kloster gebracht. Die Gefahr hatte er übertrieben, ihr und sich selbst. Einsamkeit, Ernüchterung und Furcht sollten an ihrer Seele arbeiten, sie demütig, zahm und mitleidig machen. Nun war sie ihm aus der Hand entschlüpft, ein bunter Vogel, der hoch über ihm auf einem schmalen Zweige saß und zwitscherte, unüberwindlich frei und hochmütig. Pavic verzweifelte. Was konnte er noch tun, um in ihrem Gedächtnisse jene Stunde auszulöschen, da er nicht

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