Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann

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Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann

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      »Das ist nicht unmoralisch.«

      »Ich sage ja nichts, lieber Sohn.«

      Die Cucuru fragte ebensowenig nach den Träumereien der Herzogin. Vinon mußte ihr Schreibgerät ordnen und über die nächtliche Zusammenkunft beim Wechslerbogen einen reinlichen Bericht aufsetzen für den dalmatinischen Gesandten.

      »Stets auf französisch, meine Vinon. Es ist die Diplomatensprache.«

      »Und, Mama, wenn wir nicht so gut französisch schrieben, dann würden sie vielleicht noch weniger dafür geben.«

      »Noch weniger! Die Schufte! Eine saubere Regierung, die einer armen, alten Frau für ihre mühsame Arbeit solche Hungerlöhne zahlt. Ihr könntet sticken für Geschäfte und würdet noch ebensoviel verdienen.«

      Man warf rasch eine Handarbeit über das angefangene Schriftstück; Lilian betrat das Zimmer.

      »Gebt euch keine Mühe«, sagte sie. »Ich habe es vorausgewußt, ihr würdet euch heute wieder mit eurem schmutzigen Gelderwerb befassen.«

      »Schmutziger Gelderwerb? Vinon, hat sie schmutziger Gelderwerb gesagt? Aber das Geldausgeben, wenn man keins auszugeben hat, das ist wohl sauberer, mein Töchterchen? Da seht mir einmal die hochmütige, weiße Jungfrau an! Diesen Winter hat sie vier Promenadenkostüme angeschafft und keins bezahlt!«

      »Ich wohne in einem Stall, und ich würde, wenn es sein müßte, Käse essen und nichts weiter. Aber ich muß beim Korso in seidenen Kissen liegen und trage auf der Straße ein Kleid keinen Monat lang. Ich kann es nicht, ich bin eine Dame.«

      »Sie ist eine Dame! Hörst du's wohl, Vinon? Aber sorgt sie wohl dafür, daß ihr Schatz die Schneiderin bezahlt? Und wenn ihre Mutter ihr sagt, wir brauchen in der Familie einen zweiten Mann für die Schneiderin und den Konditor, dann vergißt sie sich fast und läßt es an Ehrerbietung fehlen gegen ihre alte Mutter.«

      »Jetzt kommt Raphael Kalender! O mein Gott, erfinde etwas Neues. Es ist langweilig, auch die Schande wird langweilig.«

      Lilian warf sich in ein Sofa; es ächzte schwach.

      »Herr Raphael Kalender, was hat sie denn gegen ihn? Vinon, Töchterchen, kannst du dir denken, warum sie ihn nicht will? Herr Kalender ist ein Fremder aus Berlin, ein steinreicher Herr. Er ist hergekommen, um Geschäfte zu machen, weil die Römer dazu zu dumm sind. Jetzt gründet er ein riesiges Varietétheater, ein anständiges, in das auch Familien gehen können. Darauf war hier noch niemand verfallen, Geld zu verdienen mit Anständigkeit. Welch kluger Mann!«

      »Ein Jude mit einer Glatze, der mir bis an die Brust reicht. Ich werde ihn und den Priester sich abwechseln lassen, und der eine wird mich absolvieren von den Sünden, die ich mit dem andern begehe.«

      »Jetzt scherzt sie schon! Sie wird schon noch Vernunft annehmen!«

      »O ja, Mama, sei unbesorgt, schließlich nehme ich doch immer Vernunft an. Du bewegst mich auch noch zu der allerschmutzigsten Sache. Du hast dafür ein so einfaches Geheimnis: du wiederholst sie mir hundertmal. Beim erstenmal halte ich sie für vollständig unmöglich, bin noch guter Dinge und lache. Beim fünfzigsten Male weine ich. Ich will in den Tiber laufen – vor Ekel. Und beim hundertsten tue ich, was du verlangst – vor Ekel.«

      Vinon hatte vor sich hin gekichert. Plötzlich sah sie auf, ihre Brauen, dunkler als das Haar, grenzten aneinander. Aufmerksam und trotzig betrachtete sie ihre Schwester. Sie sagte:

      »Jawohl, Lilian, so bist du

      Darauf machte sie sich wieder an ihre Schreibarbeit.

      Die Blà hätte wohl mit ihrer Freundin geträumt; doch beschäftigte ihr Geliebter jeden ihrer Augenblicke. Er war häufig übler Laune.

      »Ich verliere, verliere, verliere. Das war nicht immer so.«

      »Und warum ist es jetzt so, mein Orfeo?«

      »Mir bringt jemand Unglück.«

      »Wie kann sie denn noch, die arme Herzogin! Du faßt, sobald du sie siehst, an deine Hornbreloques und streckst zwei Finger gegen sie aus. Was soll sie dir also anhaben?«

      »Nichts. Sie ist es gar nicht, es ist eine andere.«

      »Wer denn, ich bitte dich.«

      »Du selbst. Denn du liebst mich zu sehr, das bringt Unglück.«

      »O Himmel!«

      Sie war bestürzt bis zur Sprachlosigkeit. Also ihre Liebe kostete ihn Opfer! Wenigstens glaubte er es.

      ›Wie tief bin ich in seiner Schuld!‹

      Sie entäußerte sich ihres bescheidenen Schmucks. Als eine sicher erwartete Einnahme ausblieb, hatte sie einen Augenblick der Schwäche und der Auflehnung gegen alle ihre Mühsal. Piselli entnahm die Summe, deren er bedurfte, der herzoglichen Kasse.

      »Sind wir denn Pedanten?« meinte er. »Du hättest das tun sollen, ehe du deine armen Kolliers drangabst. Versteht es sich etwa nicht von selbst, daß du von deiner Freundin stillschweigend ein Darlehen entnehmen darfst? Mußt du ihr davon erst sprechen? Dann ist es mit eurer Freundschaft nicht weit her.«

      Sie hatte nicht nötig, der Herzogin davon zu sprechen. Denn schon tags darauf war das Geld erstattet; Piselli hatte gewonnen. Er gewann immer. Täglich griff er in die Schatulle, und täglich brachte er den dreifachen Betrag nach Hause. Er war stets überaus gnädig und großherrlich heiter. Sie zitterte vor der Zukunft und liebte sie. Es war eine Zeit des schönen Einklanges. Orfeo gab ihr prächtige Diamanten, wie sie nie welche besessen hatte. »Da hast du deine Juwelen zurück. Ich könnte es nicht ertragen, daß du meinetwegen etwas entbehrst.«

      Sie verkaufte sie heimlich und bereicherte mit dem Erlös den dalmatinischen Agitationsfonds. Es war eine schwere Viertelstunde, als sie gestand, das sei eine Sühne.

      »Du verlierst überhaupt nie mehr«, sagte sie. »Jetzt wirst du nicht wieder behaupten, meine Liebe bringe dir Unglück.«

      »Sie würde es tun, wenn sie könnte. Aber etwas anderes wirkt dagegen«, erklärte er geheimnisvoll. »Und zwar viel stärker.«

      »Was denn, mein Orfeo?«

      Sie fragte leise. Es erregte sie süß und angstvoll, in die Tiefe seiner abenteuerlichen Seele hinabzublicken. Dort war alles voller Wunder.

      Er ließ sich bitten. Endlich verriet er etwas:

      »Wir sind ja keine Pedanten. Aber es ist nun einmal Tatsache, daß der Einsatz, womit ich spiele, nicht uns gehört. Und die Eigentümerin weiß nichts davon! Das ist von höchster Wichtigkeit, du magst mir glauben oder nicht. Ich habe in den Spielhäusern oftmals die Bekanntschaft von Leuten gemacht, denen ich zutraute – wenn ich's nicht sogar wußte –, daß sie mit fremdem Gelde spielten. Du verstehst: Muttersöhne, die den Schreibtisch des Papas erbrachen, oder Bankiers, die das Depot eines Kunden wagten. Nun ...«

      Er stellte sich vornehm vor einen lackierten Paravent und erhob belehrend den Zeigefinger.

      »Nun, diese gemeinen Schufte gewannen immer – ausnahmslos immer.«

      Da bemerkte er, daß sie mit geschlossenen

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