Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann

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Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann

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Vestalinnen! Vestalinnen, Priester und Tribunen, ich kann hier alles auferstehen machen und alles bevölkern. Nur den Triumphbogen, den muß ich noch ein wenig unter dem Wasser lassen.‹

      Sie war drüben und sah sich nicht um. Sie betrat rasch die verlassene Via de' Cerchi. Es führten wieder drei Stufen hinab; dann hielt sie unter dem Wechslerbogen und erschrak. Im Nu, und ohne Ankündigung ihres Erscheinens, erhoben sich vor ihr zwei Gestalten.

      ›Der erste Theatereffekt‹, dachte sie. ›Er ist gelungen. Übrigens sind diese beiden schwarz und verstecken die Köpfe unter ihren Fellen. Ich selbst trage einen sehr weiten Mantel, die Maske habe ich vergessen.‹

      Die beiden Geschöpfe starrten ohne einen Laut, unter gierigem Rücken ihrer Köpfe, in den tiefen Schatten, der ihnen die Frau verbarg. Die Laterne an der Mauer warf vier Lichtstrahlen in ihre vier Augen; sie suchten, scheu zuckend und leuchtend gleich Tierblicken. Plötzlich fanden sie; und die zwei Fremdartigen lagen am Boden, die Lippen im Staub.

      »Steht auf«, sagte sie, und ungeduldig, da keiner sich rührte: »Richtet euch auf und antwortet! Ihr habt den Gendarmen blutig geschlagen?«

      »Mütterchen, wir lieben dich«, erklärte der eine.

      »Und du?« fragte sie den andern. Er stotterte:

      »Mütterchen, wir lieben dich.«

      Der erste stampfte wild und schlug sich mit den Fäusten vor die Brust; unter dem Fell klirrte etwas.

      »Hätten wir nur alle deine Feinde unter unsern Flintenkolben!«

      »Und du?«

      Der zweite sagte nichts mehr. Er war eine jener strengen Bildsäulen in den epischen Feldern ihres Traumes, ein junger Hirt, schwarze Locken in der niedrigen, blassen Stirn, die Arme über dem Stabe gekreuzt, unbeweglich inmitten eines sich drehenden Kreises von Ziegen und Schafen. Sie dachte: ›Ein sehr wohlgebildetes Tier, ich halte es gern für einen Halbgott. Der andere gebärdet sich menschlicher, aber ich habe nie von ihm geträumt.‹ Er war erdfarben und starkknochig, mit dünnem Bart und äffischen Gebärden. Er fuchtelte mit langen, knotigen Armen.

      »Ihr sollt das nicht wieder tun«, befahl sie. »Hört ihr? Ihr sollt den Tag abwarten, an dem ich euch das Zeichen gebe. Was nützt es, daß ihr einen armen Kerl prügelt, der geradesoviel wert ist wie ihr selbst!«

      »Du irrst, Mütterchen. Thimko war ein Hund und dein Feind.«

      »So? Du hast recht.«

      Sie bedachte: ›Ich darf nicht in den alten Fehler verfallen, der mich das erstemal soviel gekostet hat, und wieder fragen, was ein Mörder für seine Tat könne. Das Exil hätte mich geschickter machen sollen. Der königliche Gendarm im Heimatdorf meiner beiden Freunde ist ein Hund und mein persönlicher Feind. Ich hasse ihn.‹

      »Erzählt nun«, äußerte sie, »was ihr für mich tatet.«

      »Mütterchen, deinetwegen sind wir Räuber geworden und von den Bergen herabgestiegen.«

      »Waret ihr sehr unglücklich?«

      »Es war ein freies Leben, an unserm roten Sonntagsrock saßen als Knöpfe lauter Taler, die haben wir auf der Reise nach dem Auslande alle hergeben müssen.«

      »Es ist schön, daß es euch gut ging.«

      »Herrlich war es! Wie vielen habe ich den Bauch aufgeschlitzt, wenn wir herabstiegen! Die Höfe, die wir verbrannten, rauchen gewiß noch jetzt. Die Kühe, die wir hinaufholten in die Berge, werden sich nun wohl verlaufen haben. Wir konnten nicht alle essen.«

      Der Wohlgebildete machte eine Bemerkung:

      »Das schmerzt uns sehr.«

      »Ihr mußtet also fliehen?« fragte sie. Der Erdfarbene antwortete:

      »Der Hund Thimko, den wir prügelten, hat die andern Hunde auf uns gehetzt. Sie trennten uns von unsern Genossen, und diese kamen um, die Armen. Da gingen wir in ein Boot. Der Sturm warf uns weit fort von der Heimat, und fast wären auch wir umgekommen, wir Armen. Wir sind elend, Mütterchen, sei so gut und reiche uns eine Unterstützung!«

      Sie warf ihnen Goldstücke zu. Sie schossen, einer nach dem andern, blitzend aus dem Schatten des Torbogens, Flammen, die an den Gliedern der Fremden hinauf und bis in ihre Augen züngelten. Sie wälzten sich übereinander, unheimlich zusammen scherzend, unter Messergeklirr und rauhen Kehllauten. Der Häßliche schien stärker, aber der Schöne kämpfte unbedenklicher und erraffte das meiste.

      ›Ein Halbgott‹, meinte die Herzogin, ›solange er Statue bleibt. Er zeigt nur selten, daß er lebt, und zwar als Tier.‹

      Dann zählte jeder seinen Raub, geduckt und schweigend. Der Tiber gurgelte. Aus der Ferne kam ein Pfiff, drei kurze Noten, die sich wiederholten. Plötzlich jagten ein paar unkenntliche Gestalten droben in der Zirkusstraße hintereinander her. Die Herzogin versuchte zu lachen, sie zitterte ein wenig.

      ›Es stimmt alles. Jetzt wird jemand umgebracht. In den Fluß mit ihm! Wie ist es schwül, ich atme kaum noch!‹

      Drüben in der schwarzen Höhe zuckte es wild und rot, mehrmals rasch nacheinander.

      ›Auch das war vorhergesehen! Übrigens, diese Räuber, die vom Bauchaufschlitzen reden wie vom Wassertrinken, sie verhalten sich gegen mich recht achtungsvoll. Vielleicht noch mehr als das? Werden sie bald fertig gezählt haben? Ich habe hoffentlich Mut?‹ Sie fragte schroff:

      »Ihr wollt also für mich in den Krieg ziehen?«

      »Wir lieben dich, Mütterchen, wir sterben für dich. Gib mehr Gold! Ein Trinkgeld, Mütterchen!«

      Sie gab, ungeduldig und enttäuscht.

      ›Kein Grund zur Furcht; es handelt sich immer nur um Geld.‹

      Die beiden standen schließlich, von verwirrendem Glück beregnet, fast davon erweicht, mit gehobenen, entzückten Sinnen.

      »Wie bist du schön, Mütterchen!«

      »Wie bist du groß, dein Haupt entschwindet weiß und hoch unter dem Turm, worin du gefangensitzest. Wir wußten ja, es sei ein Turm. Anfangs sah es aus wie ein Bogen, doch nun sehen wir wohl, daß es ein Turm ist. Merke dir das, Lazise, wir sagen es daheim.«

      Der Wohlgebildete grunzte. Er stieß gewaltsam aus:

      »Mütterchen, wo ist dein Haar?«

      Der andere fuhr auf:

      »Dein Haar! Gib es, wo ist es?«

      Sie fühlte, sie werde ihre Haltung verlieren, und dachte an die Bestien, die ihren Bändiger erblassen sehen.

      »Nun geht heim!« befahl sie, und setzte gleich hinzu, unsicherer und schwächer:

      »Geht ihr heim?«

      Die beiden Wilden rutschten auf den Knien, tastend und schnaubend.

      »Jaja. Alle sollen kommen und dich befreien. Aber gib dein Haar!«

      Sie streckten die Hände aus und wagten doch nicht, unter den Bogen zu greifen. Ohne

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