Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann страница 34
Der Abend verlief flau. Die Cucuru erzählte, albern wiehernd, der Herzogin, sie habe jetzt ein neues, sicheres Geschäft; es werde ihr viel Geld einbringen.
»Nächstens eröffne ich meine Pension. Kommen Sie zu mir, Herzogin, es kostet nur vier Lire, das werden Sie doch bezahlen können. Und dafür will ich Sie nähren! So fett sollen Sie werden wie ich selber.«
Die folgende Versammlung fiel aus. Ereignislos gingen die Wochen hin. Die Herzogin fuhr Korso mit der Blà. Wenn sie beim Konzert auf dem Monte Pincio in einer Reihe glänzender Gefährte hielten, besuchten Pavic und Piselli, in schönem Anzuge wetteifernd, sie am Wagenschlage. Prinz Maffa und seine aristokratischen Klubfreunde ließen sich vorstellen. San Bacco grüßte aus einem Kreise offizieller Persönlichkeiten heraus die verbannte Herzogin von Assy.
Nach einem sanften Musikstück schlenderte in der stillen, warmen Septemberdämmerung die ganze Gesellschaft zu Fuße die Ripetta entlang. Monsignor Tamburini stieß zu ihr.
»Ein Gelato zu einer Kantilene von Rossini, was wollen wir denn mehr?« fragte die Blà, süß erschauernd. Piselli ging neben ihr. Sie fügte träumerisch hinzu:
»Zum Konspirieren braucht man soviel Geld.«
Pavic wiederholte trübe:
»Soviel Geld.«
Tamburini bestätigte hart und habsüchtig:
»Geld.«
Lüstern und weich sprach Piselli es nach:
»Geld.«
San Bacco, der erhabene Bettler, der im Namen des Ideals alles umsonst hatte, ließ das Wort verächtlich fallen:
»Geld.«
Befremdet, als hörte sie zum ersten Male davon reden, sagte die Herzogin:
»Geld.«
V
Zur rechten Zeit erinnerte die Herzogin sich einer Summe von dreihunderttausend Franken, die ihr verstorbener Gemahl, der Herzog, als Reisepfennig für alle Fälle bei der Bank von England liegenzulassen pflegte. Sie erhob das Geld und verteilte es unter Tamburini und Pavic. Dem Tribunen diente es zur Ermunterung seiner Söldner in Dalmatiens Presse, Beamtenschaft und Volk, dem Priester als Vergütung für die ersten schüchternen Hilfeleistungen der Geistlichkeit. Es reichte nicht weit; darauf verblieben ihr die Einkünfte aus ihren sizilianischen Besitzungen um Caltanissetta und bei Trapari.
Pavic hatte die Rechnungen zu führen, aber das Exil machte ihn faul und genußsüchtig. Er fühlte sich als Erster Minister einer entthronten Königin –, und war er nicht von Rechts wegen sogar ihr Geliebter? Mißhandelt als Liebhaber und als Staatsmann, aus Reich und Schlafzimmer verbannt, konnte er seine schmerzliche Größe unmöglich schlecht nähren und billig kleiden. Aus Achtung vor seinem Seelenleiden schonte er seinen Körper und schaffte ihm ein wattiertes Dasein. Sein tragisches Geschick war etwas ausgesucht Vornehmes, er hüllte sich weich darin ein, wie in die teuern englischen Stoffe, deren Gebrauch er von Piselli erlernte. Seufzend setzte er sich auf die Samtpolster der feinsten Speisehäuser und verzehrte, trübe und geringschätzig, die köstlichsten Diners. Er ließ sich in den Cercle des Prinzen Maffa einführen und verlor beim Bakkarat ansehnliche Summen, nicht so sehr aus Prahlerei wie aus Nichtachtung für alles, was nicht in seiner Psyche vor sich ging. Seines Kindes beraubt, büßte er viel von der sittlichen Festigkeit des Familienvaters ein; bald kannte man ihn allgemein unter Damen mit heiteren Sitten. Sein Gemüt befriedigten sie nicht, es sehnte sich oft nach edlerem Austausch. Dann lud er die Fürstin Cucuru und ihre Töchter an den mit Damast gedeckten Tisch irgendeines roten Hotelsalons. Beim Dessert hatte Vinon zuviel Champagner im Kopf. Pavic fing das junge Mädchen gerührt in seinen Armen auf. Bei diesem Anblick berechnete die Cucuru, ein wie segensreicher Gebrauch unter Umständen von der herzoglichen Kasse gemacht werden könne. Doch empört mischte Lilian sich ein. Sie nahm alles von oben herab, die Gerichte, die Weine und den Gastgeber. Die Mutter bemühte sich ganz vergeblich, sie zu entfernen. Schließlich erheuchelte sie einen Erstickungsanfall und fiel vom Stuhl. Lilian ließ sie einfach liegen; sie behauptete, nüchtern und weiß, ihren Posten zwischen ihrem erhitzten Schwesterchen und dem reichen Herrn. Es kamen Pavic manchmal unklare Bedenken, als ob seine neue Lebensführung in keinem richtigen Verhältnis stehe zu der Höhe des Gehaltes, das seine Herrin ihm aussetzte. Doch wich er peinlichen Entdeckungen aus, und es ward ihm leicht, denn seine persönlichen Ausgaben waren seit langem mit seinen amtlichen hoffnungslos verwirrt. Sogar die Herzogin wunderte sich einmal über den Betrag seiner Forderungen.
»Sie streuen unsre Saat noch dorthin aus, wohin keine Sonne und kein Regen fällt. Wozu?«
»Ich bin ein slawisches Gemüt«, erklärte er. »Ich weiß wohl, ich kann nicht rechnen. Bin viel zu träumerisch und zu nachgiebig.«
»Ach ja, Sie sind ein Romantiker.«
»Die Kasse muß in festeren Händen sein«, sagte er und überzeugte dadurch sich selbst von seiner Uneigennützigkeit. Gleich darauf gab er dem undeutlich gefühlten Wunsch nach, sie in Freundeshänden zu wissen.
»Wenn Hoheit sie einer praktischen Persönlichkeit übergäben ... zum Beispiel der Fürstin Cucuru ...«
»Praktisch ist sie ... Ich will sie lieber der Blà geben.«
Piselli stand dabei, als die Blà die Verwaltung des Geldes übernahm. Er zählte die Banknoten mit geübten Fingern. Es war nicht mehr viel. Die Briefe und Belegstücke stimmten nicht zusammen. Piselli erklärte kurzerhand alles für ordnungsgemäß, ohne Pavic anzublicken, der errötend wegsah. Zum Schluß trat er, noch in Anwesenheit der Herzogin, frei und ritterlich auf den gewesenen Geschäftsführer zu.
»Lieber Freund, wenn Sie etwa noch Forderungen an die Kasse haben ... Sie wissen, wir erledigen das freundschaftlich.«
Das unbekümmerte Gebaren eines bedeutenden Finanzmannes stand Piselli zum Entzücken. Die Herzogin verzieh seiner Anmut die Leerheit der Kasse. Die Blà hatte nichts zu verzeihen; sie fühlte sich in seiner Schuld, weil er da war.
Kurz darauf erschien Pavic mit einer rettenden Nachricht. Ein dalmatinischer Flüchtling in Rom, ein Schuster, hatte einen Brief erhalten von seinem Vetter, einem Viehhändler, dem ein jüdischer Wucherer in Ragusa gesagt hatte, er wolle der Herzogin soviel leihen, als sie gebrauche. Der Zinsfuß war nicht einmal hoch. Niemand nahm den Zwischenfall ernst; da kam ein Scheck auf die römische Bank und ward ausbezahlt. Monsignor Tamburini, äußerst wißbegierig in Geldsachen, zog Erkundigungen ein. Eines