Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann

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Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann

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Ich brauche gegen meine Feinde die Hilfe der Kirche. Und Sie, was brauchen Sie?«

      Er sah aus, als wüßte er nichts.

      »Ihre Bekehrung, Hoheit ... wäre zu schön gewesen«, fügte er rasch hinzu, angesichts ihres spöttischen Blickes.

      »Wir würden uns begnügen mit der des Barons Rustschuk.«

      »Rustschuks Bekehrung! Ist er Ihnen unbekehrt noch nicht grotesk genug?«

      »Unterschätzen Sie ihn nicht. Wir halten ihn für den Berufenen, im Osten das katholische Kapital zu organisieren gegen ...«

      »Gegen?«

      »Gegen die Juden ... Das wäre eine seiner würdige Aufgabe.«

      »Allerdings«, meinte sie. »Und das ist alles, was Sie verlangen?«

      Er redete lange, um sie zu überzeugen, daß das alles sei, und sie glaubte ihm nicht ungern. Es belustigte sie beträchtlich, am Horizont ihrer Zukunftspläne als den begehrtesten, ansehnlichsten Gegenstand ihren alten, treuen Hausjuden heraufsteigen zu sehen, mit weich schüttelndem Bauch und aufgeblättertem, rotem Gesicht. Noch als Tamburini sich verabschiedete, wiederholte sie:

      »Jawohl, er muß bekehrt werden. Sooft er auch schon getauft ist – bekehrt ist er nicht. Und er muß bekehrt werden.«

      »Es wäre ein großes Glück – für ihn und uns. Ich verehre den Herrn von Rustschuk hoch, sehr hoch. All das Geld ... All das Geld!«

      Und Tamburini entfernte sich mit vollen Backen.

      Die Herzogin schuldete der Fürstin Cucuru einen Besuch. Die Blà ging mit. Als sie in der Pension Dominici, Via Quattro Fontane, erschienen, schrie die Cucuru über die Köpfe der achtungsvoll verstummenden Gäste hinweg:

      »Sagen Sie der Herzogin von Assy, daß ich bei Tische sitze und sie zu warten bitte.«

      Die beiden Damen betraten den vom Speisezimmer durch einen schmutzigbraunen Vorhang getrennten Salon. Er war voll von Plüschmöbeln, deren Lehnen durch die Arme und die Rücken ungezählter Fremdlinge hart und fuchsig gescheuert waren, und von Teppichen mit widerspenstig nach oben gerollten Ecken. Von der Decke hingen Festons, an den Wänden die Bildnisse des Wirtes und seiner Gattin. Vor Spiegeln in den Winkeln standen auf Konsolen aus grünem Blech gedrungene, neckische Biskuitfiguren, inmitten von Papierblumen, und trugen in vergoldeten Körbchen Rosen aus Seife. Alle diese Gegenstände schützte dicker Staub.

      Aus dem Nebenzimmer drang der Duft billiger Fette. Man hörte Bestecke klappern und das Kichern von Vinon Cucuru. Die Mutter heulte der angewidert von ihrem Teller wegsehenden Lilian zu, sie solle sich pflegen. Tüchtig essen und täglich auf geordnete Verdauung halten, das sei die ganze Lebensweisheit.

      »Ich habe die kranken Knie und kann mir keine Bewegung machen. Aber ich trinke mein Vichywasser und verdaue ganz prächtig!«

      Sie versenkte sich in die liebevolle Beschreibung ihrer körperlichen Verrichtungen und kaute dabei unablässig, keuchend und nach Luft schnappend. Sie goß glucksend ein Glas Wein hinab, die Wangen der Greisin erblühten rosig unter ihrem weißen Scheitel. Sie faltete die Hände in gestrickten Halbhandschuhen über dem unförmlich vorgestreckten Bauche und genoß einen Augenblick der Abspannung und des Friedens. Dann nahte der fettige Kellner mit einem frischen Gericht, und die Begierde nach möglichst langer Erhaltung zwang die Lebenslustige zu neuer angestrengter Arbeit. Jeder Zugwind, der den braunen Vorhang aufflattern ließ, enthüllte den Besuchern nebenan das scheußliche Bild der sich nährenden Alten.

      Eine Magd zeigte sich in der Tür.

      »Carlotta!« schrie die Fürstin, »hast du den Rosenkranz gebetet? Gleich tust du es, sonst sage ich deinem Beichtvater, daß du heute nacht wieder den Joseph in deinem Zimmer gehabt hast!«

      Die Magd verschwand.

      Endlich befahl sie: »La bouche!« Das Gebiß knackte, der Kautschukkolben ihres Stockes stieß auf den Boden.

      »Meine Leute!« rief sie den Bediensteten der Pension zu, »ihr kocht recht ordentlich, ich habe gut gegessen!«

      Sie ging auf die Herzogin los und wiederholte:

      »Man wird hier satt. Gesteh es, Lilian, man wird satt.«

      »Schon vom Ansehen!« erklärte Lilian.

      Stöhnend fiel die Greisin in einen Sessel.

      »Machen Sie sich nichts aus dem Trödel hier in dem Lokal. Ich mache mir auch nichts daraus. Da, schaut die Reiterfigur auf dem Tischchen nicht aus wie schwere Bronze? Und nun stoß ich sie um, paßt auf, mit einem einzigen Finger stoß ich sie um. Das ist kein Kunststück, es ist ja hohle Pappe! Ich pfeife drauf! Unsereiner, nicht wahr, Herzogin, nimmt in die elendeste Bude doch immer die große Welt mit.«

      ›Auch ins Bett des Tamburini?‹ dachten die Blà und die Herzogin gleichzeitig. Sie sahen sich an und errieten einander. Vinon lachte, und Lilian blickte, voll leidenden Hochmutes, über das ganze Zimmer hinweg, worin sie nur dem winzigen Stück eines Stuhlrandes und dem schmalen Raum unter ihren Füßen die Berührung mit ihrer Person gestattete. Die Greisin stampfte mit dem Krückstock.

      »Aber ich gedenke hier durchaus nicht mein Leben zu beschließen. Einen Palast will ich mir noch erobern durch meine Tätigkeit, und reich und groß soll meine Familie wieder werden. Ich arbeite, und meine Kinder lohnen es mir mit Undank. Mein Sohn, der in Neapel ich weiß nicht wie lebt, kommt und macht mir Szenen und wirft mir meine Geschäfte vor. Kümmere ich mich etwa um die seinigen? Ich glaube fast, er läßt die Frauen zahlen!«

      Sie greinte halberstickt.

      »Und niemals unterstützt er davon die Seinigen!«

      »Und Ihre Geschäfte?« fragte die Herzogin.

      »Ah! Geschäfte! Unternehmungen! Bewegung! Ich will hundert Jahre alt werden! Ich werde eine Pension gründen, oh, ein bißchen feiner als diese hier. Fünfhundert Zimmer, Preis mit Verpflegung nur vier Lire, und dabei hochfein. So mache ich alle andern tot! Glauben Sie's mir?«

      »Es scheint ...«

      »Haha! Alle andern mache ich tot! Und werde hundert Jahre alt! Nur fehlt mir das Geld, um etwas anzufangen, und mit wieviel Niedertracht muß ich kämpfen, bis ich welches bekomme! Ich will Ihnen mein Geschäft mit der Versicherung erzählen. So eine Versicherung, hab ich gedacht, ist eine wunderschöne Sache. Man versichert sich recht hoch, dann veräußert man die Police und hat Geld, eine Pension zu gründen. Ich bin schon vierundsechzig, aber man nennt mir eine Gesellschaft, die statutengemäß bis zu fünfundsechzig aufnimmt. Der Arzt dieser Gesellschaft untersucht mich, ich sage ihm noch, er soll in seinen Bericht schreiben: ›Diese Dame wird hundert Jahre alt werden‹, und er tut es auch.«

      »Herzlichen Glückwunsch.«

      »Danke. Aber jetzt kommt die Niedertracht. Sie sollen selber sehen. Vinon, geh und hole meine Geschäftsmappe!«

      Das junge Mädchen brachte ein hoch angeschwollenes schwarzes Portefeuille.

      »Da sind die Briefe des Agenten und die Abschrift des ärztlichen Berichtes und alles übrige. Nun lassen die Leute mich sechs Wochen warten, und dann, würden Sie's für möglich halten, schreibt man mir, ich sei zu alt!«

      »Das

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