Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann

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Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann

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Mann!«

      Pavic wußte es längst und verschwieg es aus Eifersucht auf den Finanzmann.

      »Dieser Verräter!« rief er sofort. »Dieser doppelte Verräter! Er hat uns verleugnet, sooft unser Glück ins Schwanken kam. Hoheit erinnern sich, wie er Sie laut verleugnete, damals als ...«

      »Als der Bauer gespießt wurde«, so ergänzte die Herzogin.

      Er schnappte nach Luft.

      »Wer war der erste, der uns nach unsrer Niederlage verließ? Rustschuk! Sofort hat er sich den Koburg angeboten, vollständig ohne Gewissen. Ich begreife es nicht, wie man ohne Gewissen leben kann: ich bin ein Christ ...«

      Piselli bezeugte es ihm:

      »Gewiß, das sind Sie.«

      »Nun nennt man ihn den kommenden Mann, den Retter der schiffbrüchigen Dynastie. Er ist auf dem Wege zum Finanzminister!«

      Aller wunde Ehrgeiz des Tribunen kreischte auf in diesem Wort.

      »Und in eben diesem Augenblick erfrecht er sich zu einem zweiten Verrat! Er bietet uns Geld an! Er verkauft uns diejenigen, an die er uns eben noch verraten hat!«

      »Wir zahlen ihm Zinsen«, meinte begütigend die Blà. »Das entschuldigt ihn.«

      »Ein hochbedeutender Mann!« wiederholte Tamburini. Pavic geriet vollends außer sich.

      »Sie finden ihn bedeutend, einen Abtrünnigen und einen Käuflichen –, Sie, Monsignore, der Priester der Wahrheit?«

      Tamburini hob die Schultern, gemächlich und stark.

      »In der Politik gibt es keine Wahrheit, es gibt nur Erfolge.«

      Pavic, der Erfolglose, senkte den Kopf. Er sehnte sich nach Freunden, in denen das gleiche halb erstickte Rachegefühl gegen die Glücklichen schwelte wie in ihm selbst. Nun trafen ihn lauter fremde Blicke. Die Herzogin erklärte ihm:

      »Sie müssen doch zugeben, Herr Doktor, daß mein Hausjud gescheit ist. Er richtet sich so ein, daß er auf alle Fälle Finanzminister werden kann. Sollte es wider Erwarten mit den Koburg schiefgehen, dann wird er meiner. Ja, ich glaube fast, ich mache ihm die Freude.«

      »Hoheit könnten es tun?«

      »Er beweist mir ja täglich seine Talente ... Ganz abgesehen davon, daß ich ihn ungewöhnlich grotesk finde.«

      »Grotesk! Jaja, grotesk!«

      Pavic lachte laut auf. Er vollführte eine jähe Willensanstrengung und setzte sich mit einer Gelassenheit, die noch fieberte.

      »Sie nehmen ihn als lustige Person. Wenn Sie erst wüßten, wie weit er's darin gebracht hat. Kürzlich hat er den königlichen Hausorden bekommen.«

      »Worin liegt die Komik?« fragte Tamburini befremdet.

      »Warten Sie nur.«

      Pavic kicherte erregt.

      »In den Verdiensten, die die Auszeichnung begründen. Er verdankt sie seinen Dummheiten, die ja am Scheitern unsrer Revolution schuld sind. Die Herrschaften erinnern sich der Pächterunruhen. Rustschuk war albern genug, unser bewährtes Pachtsystem abschaffen zu wollen. Sie kennen auch die Geschichte mit dem Schauspieler, den er als geisteskrank einsperren ließ. Seit alle diese Dummheiten ihm einen Orden eingetragen haben, spricht er davon wie von Intrigen. Er hält sich allen Ernstes für einen verräterischen Ränkeschmied und ist seitdem in seinen Augen unermeßlich gewachsen.«

      »Auch in meinen«, sagte lächelnd die Herzogin. Alle lächelten mit. Aber Pavic preßte sich die Seiten, unsäglich erleichtert. Rustschuk war glücklich, daran war nichts zu ändern. Aber er war auch lächerlich, und das machte vieles gut. Die Blà versetzte:

      »Und er baut vor sich her einen Wall von Viehhändlern, Wucherern und Schustern. Durch ein Labyrinth geheimnisvoller, nicht sehr sauberer Hände sickert sein Geld, unsichtbar und geräuschlos, bis ...«

      »Bis es endlich zu uns gelangt«, so vollendete Piselli, sichtlich befriedigt.

      »Eine offizielle Persönlichkeit! Spielt doppeltes Spiel und fürchtet, sich zu kompromittieren«, flüsterte die Herzogin vor sich hin und durchkostete den Sinn der Tatsache.

      »Was aus einem Hausjuden alles werden kann!«

      ›Mehr als aus dir, du Arme‹, dachte Monsignor Tamburini, auf sie herabblickend.

      Öfter als die andern zeigte sich die Blà in dem weißen Häuschen auf dem Caelius. Sie trat unangemeldet zu der Herzogin in die hängende Vigne, wo das Weinlaub sich färbte. Die jungen Frauen waren beide weiß gekleidet, die schwarzen Flechten der Herzogin von Assy hoben und senkten sich im Nacken auf einer Veilchenstickerei, die aschblonden ihrer Freundin über einem Kragen von Rosen, und ohne einander zu berühren, gingen sie hin und her im Schatten ihres biegsamen Daches; kleine blattförmige Himmelsausschnitte durchleuchteten ihn blau. Am Ende des Ganges, bei den Pfeilern, blieben sie manchmal stehen und lehnten die leichten Schultern zusammen, um gemeinsam hindurchzuspähen durch die Spalten des verführerisch roten Vorhanges, den die Reben herabließen. Die Blà sah drunten im Garten einen Strauch oder vielleicht nur eine seiner Blüten, die eben einen Falter trug. Der Blick der Herzogin fand alsbald in der Ferne das Forum, er tauchte dort in Gewölbe und erstieg Säulen, ohne daß es ihm schauerte oder schwindelte. Es war ihr Traum, den sie entsandte, ihr Traum von Freiheit und irdischem Glück. In eine Toga geworfen, feierlich und stumm, bewegte er sich zwischen jenen leeren Sockeln, über jene vom Moose gesprengten Fliesen, auf denen er – so fühlte sie – zu Hause gewesen war, ehe sie versanken und zerbrachen.

      Nach mehreren solcher Stunden, als einige Male der weinrote Vorhang der Träumerei sich vor ihren beiden Seelen geöffnet hatte, waren sie Schwestern und nannten sich du. Die Herzogin meinte jetzt, mit ihrer Beatrice schon lange Hand in Hand gegangen zu sein, nämlich nahe dem Meeresstrande, in jener kleinen Kirche voller Engel, wo zwei Frauen in Lichtgelb und Blaßgrün einem Knaben nachfolgten mit goldenen Locken und langem, pfirsichrotem Gewande. Die Stunde, die sie damals an das Ende des Laubganges führte, vor ein weißes Haus, unter ein sich öffnendes Fenster und zu einer befreundeten Stimme, die Stunde jener flüchtigen und seltsam bewegten Mondnacht war prophetisch gewesen. ›Gewiß‹, dachte die Herzogin, ›Beatrice ist jene andere im Schein der silbernen Ampel.‹ Doch sprach sie der Blà niemals davon, aus einer lächelnden Scham, aus Selbstverspottung und beinahe auch aus Aberglauben.

      Die Freundschaft der Blà war sanft und duftig; ein feiner, flinker Geist trat oft unerwartet aus ihrem Herzen hervor. So stand in ihrem Arbeitszimmer unter Garben von Orchideen und Rosen in reinem Marmor der schmallendige, beschwingte Hermes aus dem Sockel von Cellinis Perseus, einen magern Fuß erhoben zum Aufflattern. Schon auf der Treppe wehten Blumengerüche der Herzogin entgegen. Sie erstieg bald täglich die fünf Stockwerke in dem Eckhause der Via Sistina. Es saß sich gut auf den schlanken Möbeln, vor den hell lackierten Tischchen, wo von geraden Vasen herunter Blüten rot und weiß auf zerblätterte Bücher tropften. Zu dem weiten Atelierfenster strömte ein Meer von Blau herein. Drunten blitzte das Leben auf der Spanischen Treppe.

      Piselli war immer zugegen. Er rückte Stühle, beschaffte Tee und Gebäck und betätigte sich dazwischen im schmeichlerischen Wiegen hoher Worte.

      »Wollen Sie sich nicht an den Kamin stellen, Herr Piselli?« bat die Herzogin, als er einmal lange von Freiheit geredet hatte.

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