Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy. Heinrich Mann

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Die Göttinnen: Die Geschichte der Herzogin von Assy - Heinrich Mann

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      »Rustschuk ist ein hochbedeutender Mann! Wir verfolgen seine Tätigkeit seit langem. Das Übergewicht, das ihm seine Geschicklichkeit unter den Kapitalisten des südöstlichen Europa verschafft hat, beschäftigt uns.«

      »Also so wichtig ist mein Hausjud?«

      »Hoheit! Ohne ihn oder gar gegen ihn ist in Dalmatien nichts auszurichten. Bedenken Sie, all das Geld!«

      Er wiederholte aus vollen Backen:

      »All das Geld! ... Wer wirken und herrschen will unter den Menschen, braucht Mut, Klugheit und Geld: diese drei. Das Geld ist aber das höchste unter ihnen.«

      »Monsignore, jetzt vergessen Sie die Liebe!«

      ›Eben war er ehrlich‹, sagte sie sich und hörte ihn wieder süß werden. Er schwelgte in den seelischen Reizen einer großen Dame, die, noch im jugendlichen Alter, den Eitelkeiten der Welt den Rücken wendet.

      »Standen Sie nicht in der Fülle alles Glanzes, den eine vornehme Geburt, Reichtum, Schönheit und Anmut verleihen? Sie aber, Frau Herzogin, erachteten das alles für nichts. Noch in sehr jugendlichem Alter entsagten Sie und wurden Mutter, Trösterin und Fürsprecherin der Witwen, Verlassenen, Waisen und Bedrückten, der Darbenden und Hilflosen ... Speiserin und Stillerin der Hungernden und Dürstenden, Schwester der Siechen ...«

      Er nannte alle Zustände des menschlichen Elends, die ihm einfielen, und alle evangelischen Tugenden, zu denen sie Gelegenheit gaben. Seine Finger mit quadratischen Nägeln hoben und senkten sich nachzählend auf seinem schwarzen Gewande. Endlich hatte er seine Gefühle genügend aufgemuntert, um auszurufen:

      »Am Krankenbett der Menschheit stehen Sie, Frau Herzogin, als dienende Magd, in der Glorie christlicher Demut!« Sie fand sich angewidert:

      »Ich bin weniger demütig, als Sie glauben. Auch handle ich ohne Vorschrift, also unfromm.«

      Er sah sie an, mit offenem Munde und stockendem Verständnis. Doch faßte er sich gleich.

      »Daher Ihre Prüfungen!« erklärte er triumphierend.

      »Sie tun viel Lobenswertes, ich leugne es nicht. Aber Sie tun es ohne den rechten Glauben. Und Gott sieht auf das Herz allein. Erkennen Sie dies, solange es noch Zeit ist!«

      Staunend hörte sie ihn in einen barschen, landläufigen Predigerton verfallen.

      ›Er ist ein Bauer‹, bemerkte sie im stillen. ›Man kratze den Prälaten, und zum Vorschein kommt ein Landpfarrer.‹

      »Noch hat er Sie nicht verworfen, denn er ist überaus langmütig. Verbannung, Armut, Verlassenheit sind seine sanften Lockungen, daß Sie ihm folgen sollen. Folgen Sie ihm! Unterwerfen Sie sich der Gnade! Tun Sie es schon aus Klugheit! Sie sollen sehen, wie Ihnen dann alles gelingt! Ein wie reicher Lohn winkt Ihnen alsdann!«

      Sie warf dazwischen:

      »Wer hat ein Recht, mich zu belohnen?«

      Doch überhörte er es. Er sang jetzt und wimmerte und warb in der schulmäßigen Abstufung und unter der mimischen Begleitung, die ihn für seinen Beruf gelehrt war. Sie kannte Tamburini kaum noch. Seine Augen rollten aus schiefem Kopf verdreht und weiß zur Decke. Seinem sehr irdischen, noch kürzlich mit guten, gehaltvollen Speisen angefüllten Leibe entstieg eine völlig unvorhergesehene Verzückung. Auf die Dauer erfaßte sie bei seinem Anblick eine Art Scham und etwas wie Verschüchterung. Sie folgte seinen Blicken: dort oben hing eine Muttergottes, ältlich, mit grellblauem, weit ausgebreitetem Mantel. Fromme Frauen und Heilige knieten verkleinert darunter, gleich untergekrochenen Küchlein.

      »Sub tuum praesidium refugimus!« rief Tamburini aus, und die Herzogin mußte zugeben, er habe die begleitenden Umstände für sich. Die häßliche dunkelgrüne Tapete mit ihrem leisen Weihrauchduft, die schwarzen, vom Gebrauch geglätteten Möbel, die zusammengestoßen nur noch gedämpft rumpelten – alle die dumpfen Erinnerungen in den geschlossenen Zimmerchen dieser Priesterwohnung berechtigten seine Aufführung. ›Er ist an seinem Platze‹, sagte sie sich. ›Ich weniger.‹

      Er fühlte dasselbe. Seine Hände trafen ganz von selbst die Gegenstände, über die sie bei Andachtsübungen hinzugleiten pflegten. Über einem Betschemel hing ein Rosenkranz. Tamburini ließ sich nieder, beinahe unbewußt. Seine Finger legten sich ineinander, das lange Kleid schleppte hinter ihm. Ohne seiner Rede weiter zu folgen, betrachtete die Herzogin ihn mit neu angeregter Teilnahme. Er erinnerte sie an das Bild manches jesuitischen Heiligen, der steif aufgepufft und starkknochig himmlischen Gesichten unterlag. Das gallige, muskulöse Antlitz des Glückseligen deutete auf einen tüchtigen Verwalter und Geschäftsmann, einen hohen Ordensbeamten, der Übung besaß im harten Umspringen mit Menschen und im Handhaben großer Gelder. In freien Stunden unterhielt er sich manchmal, so. wie man ihn gemalt hatte, mit schönen, reichentwickelten Engeln. Sie schwebten über dem Erdboden, doch mit Mühe, denn ihre Reize waren derb und sinnlich. Der Heilige erfreute sich dieser Sendlinge seines Paradieses mit Ernst und Zurückhaltung. Seine frommen Hände tasteten nicht einmal nach dem Untersten, Beleibtesten. Nur feuchteten sich die gen Himmel fliehenden Blicke, und die Lippe fiel wulstig aufs Kinn.

      Die Herzogin gab, in der Lebhaftigkeit ihrer Einbildung, einer seltsamen Versuchung nach. Plötzlich trat sie vor den Knienden hin; sie erhob einen gerundeten Arm, sie streckte einen Fuß nach hinten, gleich dem größten der Engel auf jenen Altartafeln, und sie lächelte. Sogleich verzerrte Tamburini den Mund, ganz so wie am Abend, als er Lilian Cucuru den Orangensaft anbot, der über seine Finger geronnen war. Diese Wirkung genügte ihr. Sie ließ ihn, laut auflachend, allein.

      Nach Verlauf von drei Minuten kehrte sie ins Zimmer zurück und sagte:

      »Wenn es Ihnen recht ist, Monsignore, so teilen wir uns jetzt als vernünftige Menschen mit, was wir voneinander wollen.«

      Er stand ein wenig betreten da, doch im Grunde nicht unzufrieden mit dem Ausgang der Sache. Der Versuch, die Herzogin von Assy für den Glauben zu gewinnen, mußte gemacht werden. Daß er aussichtslos sei, daran hatte der kluge Priester kaum gezweifelt. Er hatte einfach einer Gewissenspflicht genügt. Nun durfte er, endgültig beruhigt, zu sachlichen Verhandlungen schreiten, die seinem Geschmack und Wesen besser entsprachen als ekstatische Bekehrungsversuche. Er bot ihr in schlichten Worten für die dalmatinische Staatsumwälzung die Bundesgenossenschaft der Kirche an.

      »Endlich erkenne ich Sie wieder, Monsignore«, entgegnete sie. »Sie sind ja ein viel zu starker Mensch, als daß Sie ein überzeugender Bußprediger sein könnten. Ich bitte Sie: mit einem römischen Profil spricht man nicht von Gnade und Jenseits.«

      Er verbeugte sich, merklich geschmeichelt. Sie saßen sich höflich gegenüber, und Tamburini erklärte ihr, sie habe ihre Unternehmungen romantisch, also falsch begonnen. Es gelte nun, sie nüchternen Sinnes fortzuführen. Die Kirche sei wesentlich praktisch, überstürzte Wagnisse lehne sie ab. Der Tropfen Öl, der jeden Sonntag von der Kanzel fließe, der bereite ein fernes, doch sicheres Feuerbad vor.

      »Noch besser, es wird alles milde und unvermerkt verlaufen. Ich wundere mich, daß es Eurer Hoheit bisher entgehen konnte, wie unwiderstehlich die Teilnahme der niederen Geistlichkeit Ihre Sache machen muß. Das Volk ist mit kleinen Abbaten durchsetzt, es sind seine Söhne, Brüder, Vettern und Schwäger. Jede größere Familie hat einen und ordnet sich ihm unter bei allem, was nicht Ernte oder Vieh ist. Überlassen Sie uns die Propaganda, Frau Herzogin, und nach einigen Jahren wird der Wille Ihres Volkes so klar sein und so zwingend, daß der jetzige Monarch den vom Marquis San Bacco erwähnten Reisesack ungebeten wieder zur Hand nimmt.«

      Schließlich

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