Partnerschaft und Sexualität. Monika Röder

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Partnerschaft und Sexualität - Monika Röder

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kommen aus einer Studie von Velten, Brailovskaia und Markgraf, die im Gegensatz zu den anderen Studien feststellten, dass weder das Alter der Partner noch die Länge der Beziehung bestimmende Faktoren für die sexuelle Zufriedenheit waren (2018). Sie erkannten vielmehr einen Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die sexuelle Funktion (z. B. Orgasmusfähigkeit). In der Studie zeigte sich, dass gewissenhafte Menschen im Gegensatz zu spontanen über eine bessere sexuelle Funktion verfügten.

      3.2 Selbstbefriedigung, Fantasien und Pornografiekonsum

      Selbstbefriedigung ist für die meisten Menschen ein wichtiger Teil der Sexualität und wird unabhängig von Geschlecht, Beziehungsstatus, sexueller Orientierung und Alter praktiziert. 94 % der Frauen und 98 % der Männer geben an, sich innerhalb der letzten 12 Monate selbst befriedigt zu haben. Auch bei 32 % der in Partnerschaft Lebenden ist Selbstbefriedigung genauso wichtig wie sexuelle Aktivitäten mit dem Partner; bei 12 % ist sie sogar wichtiger oder viel wichtiger. Ein Orgasmus – also eine körperliche wie auch emotionale Entladung – wird allerdings von beinahe Dreiviertel der Befragten beim Geschlechtsverkehr erlebt. Bei der Selbstbefriedigung steht die körperliche Entladung im Vordergrund (Borgmann et al., 2019).

      Joyal, Cossette und Lapierre von der Université du Québec, Montréal befragten Frauen und Männer im Durchschnittsalter von 30 Jahren zu ihren sexuellen Fantasien (2015): Für knapp 85 % der Frauen und 78 % der Männer ist Sex in einer besonders romantischen Atmosphäre eine beliebte Fantasie. Über Seitensprünge fantasieren gut 83 % der Männer in Beziehungen und 66 % der Frauen. Sex mit zwei Frauen stellen sich knapp 85 % der Männer vor, und 31 % der Frauen denken über Sex mit zwei Männern nach.

      Ein großer Anteil der Frauen (knapp 65 %) hat laut der Untersuchung Unterwerfungsfantasien. Unter den Männern stellen sich 53 % vor, sexuell dominiert zu werden. Die Fantasie, geschlagen zu werden, haben ebenfalls mehr Frauen – 36 % im Vergleich zu knapp 29 % der Männer. Die Vorstellung, einen anderen Menschen zu dominieren, gefällt im Schnitt 47 % der Frauen und 60 % der Männer. Menschen, die Unterdrückungsfantasien haben, wünschen oft gleichzeitig, jemanden zu dominieren.

      Frauen unterscheiden aber deutlich zwischen Fantasien und dem, was sie wirklich erleben wollen. So gaben viele Frauen mit Unterwerfungsfantasien an, dass diese Ideen nie Realität werden sollen. Die Mehrheit der Männer dagegen würde ihre Fantasien gern ausleben. Insgesamt haben Männer deutlich mehr Fantasien als Frauen und beschreiben diese besonders lebhaft (ebd.).

      Sehr viele Männer und auch immer mehr Frauen nutzen Pornografie und Cybersex für ihre sexuelle Erregung und Befriedigung. Als Cybersex werden verschiedene Formen der virtuellen Erotik, der sexuellen Interaktion beispielsweise über Chats und Datingplattformen und auch die Pornografie bezeichnet, die mit Unterstützung des Internets ausgelebt werden.

      In der Berner Studie gaben über die Hälfte der Frauen an, im vergangenen Jahr Pornos geschaut zu haben. Allerdings hat ein Viertel aller Frauen damit wieder aufgehört, da die Lust darauf abnahm, ihnen das Angebot nicht entsprach oder sogar Ekel ausgelöst hat. Einigen stand die unterwerfende Darstellung der weiblichen Rolle im Weg. Ein interessantes Ergebnis der Studie war allerdings, dass das gemeinsame Anschauen von Pornos mit einer bedeutend höheren Zufriedenheit mit der Sexualität einherging (Borgmann et al., 2019).

      Meistens wird Pornografie zur schnellen individuellen Befriedigung genutzt, indem der Mann beispielsweise abends am Computer Pornografie schaut und masturbiert, während die Frau ins Bett geht und ein Sex-Toy zur Selbstbefriedigung mitnimmt. Das Problem ist die Entkopplung der Lust vom Partner, die sich mit der Zeit einschleicht (Melzer, 2018). Wenn in paartherapeutischen Praxen über Lustlosigkeit geklagt wird, ist es folglich häufig so, dass es nicht grundsätzlich an sexueller Lust fehlt. Die Pornografie und der Einsatz von Sex-Toys stellen aber einfachere, selbstgesteuerte und unkomplizierte Arten der Befriedigung dar, die zunehmend bevorzugt werden.

      Wenn sexuelle Funktionsstörungen wie erektile Schwächen auftreten, suchen – unserer Erfahrung nach – Männer eher das Einzelsetting auf. Geht es jedoch um den Libidoverlust des Mannes, unter dem die Beziehung leidet, so suchen sie gemeinsam mit ihrer Partnerin Unterstützung. Bei genauer Betrachtung handelt es sich meistens aber nicht um fehlende Libido, sondern um einen eingeschränkten Impuls, die erwünschte Sexualität mit der Partnerin zu initiieren. Für viele Frauen stellt dies eine Verletzung dar. Sie fühlen sich nicht mehr begehrt und vergleichen sich mit den idealisierten Internetvorbildern. Die betroffenen Männer sind oft durch Schuldgefühle belastet und leiden unter den Vorwürfen der Partnerin.

      Von Pornosucht betroffene Männer, die in einer Beratung oder Therapie Hilfe suchen, sind großteils mit dem Internet aufgewachsen und haben oft über Jahre regelmäßig Pornografie konsumiert. Sie haben gelernt, unterschiedliche Gefühle und Bedürfnisse mithilfe von Masturbation in Verbindung mit Pornos zu bewältigen. Pornosucht gehört zu den Verhaltenssüchten, die in den vergangenen zwanzig Jahren kontinuierlich zugenommen haben (Melzer, 2018).

      Die Debatte um die Auswirkungen regelmäßigen Pornografiekonsums wird breit und ideologisch geführt, jedoch gibt es nur wenig evidenzbasierte Forschungsergebnisse. Bereits 2009 bekamen Forscher um Simon Lajeunesse an der University of Montreal für eine Studie keine Kontrollgruppe zusammen, weil sie keine männlichen Collegestudenten fanden, die noch nie Pornografie konsumiert hatten (Smith, 2010). In den vergangenen Jahren wurden jedoch einige Forschungsergebnisse vorgelegt, welche auch neurobiologische Veränderungen durch nachhaltigen Pornografiekonsum nachweisen (Kühn & Gallinat, 2014).

      Problematisch ist dabei insbesondere die Sucht nach Neuem, auch als Coolidge- Effekt bezeichnet. So nutzen Männer zur Masturbation kaum immer die gleichen Bilder, sondern verwenden jeweils immer wieder neues Material, was aufgrund einer Verstärkererosion die Vorlieben mit den Jahren oft extremer werden lässt. Das führt im Dopaminsystem aufgrund ständiger Überflutung zu einem Abstumpfen der Rezeptoren. Diese Desensibilisierung hat den weiteren Nebeneffekt, dass auch Glücksgefühle bei anderen Aktivitäten abstumpfen können. Das Suchtpotenzial generiert sich also aus dem unstillbaren Antrieb nach neuen Kicks mit neuen Bildern. Enge Erregungsmuster und gezielter, hoher Druck bei der Masturbation werden klassisch konditioniert. Masturbation ohne Bilder und die partnerschaftliche Sexualität werden dagegen bald als langweilig empfunden. Der partnerschaftliche Geschlechtsverkehr bietet nicht mehr die nötige Stimulation.

      In der Einzel- oder Paartherapie geht es dann je nach Auftrag und Situation um die Genese des Problems in der sexuellen Biografie, um Aspekte der sexuellen Konditionierung und letztlich um die Entwicklung neuer sinnlich-emotionaler Ausdrucks- und Erlebnismöglichkeiten.

      3.3 Sexuelle Lustlosigkeit – weit verbreitet

      Jahrzehntelang standen sexuelle Funktionsstörungen wie Impotenz oder Vaginismus im Fokus der Sexualforschung und auch der Sexualtherapie. Die Forschung hatte vor allem die Pharmakotherapie der erektilen Dysfunktion mit PDE-5-Hemmern wie Viagra im Visier und in Therapie und Beratung ging es vor allem um eine Behandlung von Symptomen.

      Seit einigen Jahren rückt nun aber das sexuelle Erleben stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Körperliche Symptome werden als Hinweis betrachtet, dass eine Unstimmigkeit im Erleben vorliegt. So kann z. B. eine Erektionsstörung oder ein Vaginismus einen Selbstschutz darstellen, wenn die gelebte Sexualität als nicht-stimmig für die eigene Person erlebt wird. Über das Symptom findet der Körper die Möglichkeit, etwas zu zeigen, das sprachlich (noch) nicht ausgedrückt werden kann.

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