Partnerschaft und Sexualität. Monika Röder

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Partnerschaft und Sexualität - Monika Röder

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leiden, wagen sie dies häufig nicht zuzugeben, da es dem gesellschaftlich erwarteten Männerbild widerspricht.

      Bei den Frauen empfindet nur ein kleiner Teil Leidensdruck (Clement & Eck, 2013). Wenn es um sie allein ginge, bestünde kein Anlass zur Veränderung. Oft realisieren sie jedoch, dass ihr fehlendes Begehren eine Gefahr für die Partnerschaft darstellt, da Unzufriedenheit mit der Sexualität bei Männern häufig Trennungsgedanken auslöst (image Kap. 3.1).

      Oft beginnt die Abnahme des sexuellen Begehrens durch körperliche oder individualpsychologische Faktoren wie Ängste, Sorgen, Erschöpfung, Depressionen oder einem schwachen Selbstwertgefühl. Sich selbst als nicht attraktiv zu erleben oder den eigenen Körper nicht zu akzeptieren ist ein verbreitetes Problem vieler Frauen. Ein negatives Körperbild schränkt ihr sexuelles Interesse und den sexuellen Genuss ein (Schönbucher, 2007).

      Lust und Scham bei Frauen werden stärker als bei Männern durch Selbstaufmerksamkeit und ein negatives Bild des eigenen Körpers bestimmt (Meana & Nunnink, 2006). Seit einigen Jahren zeigt sich allerdings auch bei Männern häufiger eine Störung des Selbstbildes, Adonis-Komplex genannt.

      Erwartungs- und Leistungsängste sind dagegen vor allem ein männliches Thema: Viele Männer verknüpfen die Erektions- und Ejakulationsfähigkeit sowie einen starken Sexualtrieb mit Männlichkeit (Mc Carthy & Mc Carthy, 2013). Entsprechen ihre Funktionen diesen Vorstellungen nicht, werden oftmals Schuld- und Schamgefühle ausgelöst. Der Anspruch, immer bereit sein zu müssen, die Partnerin zum Orgasmus bringen oder selbst kommen zu müssen, behindern Lust und Erregung.

      Aber auch bei Frauen hemmt Leistungsdruck die Erregung. Durch die fehlende Lubrikation – dem Feuchtwerden der Vagina – kann der Geschlechtsverkehr unangenehm bis schmerzhaft werden, was die Lust auf weitere sexuelle Begegnungen noch weiter mindert. Ebenso wirkt sich eine hohe körperliche Spannung beim Sex negativ auf den Genuss aus (Bischof, 2016).

      Ein weiteres Problem für viele Frauen und Männer sind negative sexuelle Erfahrungen. Insbesondere Erlebnisse sexueller Gewalt, werden häufig traumatisch verarbeitet. Doch auch frühe Erfahrungen wie das Abwerten von Masturbation und Sexualität können Gefühle der Demütigung, Scham- oder Schuldgefühle auslösen, das Selbstbild prägen und ein negatives Bild von Sexualität hinterlassen.

      Ein heutzutage sehr verbreiteter »Lustkiller« ist Alltagstress: Vor allem Frauen haben weniger Lust auf Sex, wenn sie gestresst sind (Bodenmann et al., 2010; Bodenmann, Ledermann & Bradbury, 2007). Für viele Männer ist Sex dagegen ein Ventil für Stress und Spannungen; sie haben bei Stress mehr Lust.

      Auch häufig sind beziehungsdynamische Faktoren: Ungelöste Partnerschaftskonflikte, eine nicht verarbeitete Nebenbeziehung, negative Gefühle dem Partner gegenüber. Aber auch Kommunikationsprobleme bei sexuellen Themen und Schwierigkeiten mit unterschiedlichen sexuellen Wünschen umzugehen können dazu führen, sich vor dem anderen zu verschließen, und dadurch die sexuelle Lust stören.

      Verschiedene Autoren betonen, dass Druck durch den begehrensstärkeren Partner eine der Hauptursachen für die Abnahme des sexuellen Begehrens des Begehrensschwächeren ist (Schnarch, 2019; Mc Carthy & Mc Carthy, 2013). Ausgangssituation ist meistens, dass der begehrensschwächere Partner bestimmt, wie häufig sich das Paar sexuell begegnet. Denn der Partner mit dem schwächeren Verlangen hat nach Schnarch die Kontrolle über den Sex (Schnarch, 2019). Wenn sich etwa der Mann häufigere sexuelle Begegnungen wünscht, die Frau dagegen keine Lust hat, so bestimmt sie die Häufigkeit sexueller Begegnungen.

      Mancher Partner kann diese Situation nicht ertragen und versucht Einfluss zu nehmen, oftmals mithilfe von Druck. Je mehr Druck der begehrensstärkere Partner ausübt, je offensiver oder abfälliger er wird, umso weniger Lust verspürt der andere Partner. Das Paar polarisiert immer stärker, oft entstehen Negativspiralen oder Teufelskreise, aus denen Paare nur schwer wieder herausfinden. Das kann so weit gehen, dass der begehrensschwächere Partner das Gefühl bekommt, er brauche überhaupt keinen Sex mehr, wohingegen der Begehrensstärkere es kaum mehr erträgt, seine Bedürfnisse nicht befriedigt zu bekommen.

      Einige der Begehrensschwächeren fühlen sich nicht in der Lage »nein« zu sagen. Rücksichtnahme, Schuld-, Pflichtgefühle oder Angst vor Konflikten führen dazu, dass sie sich auf mehr Sex einlassen als sie eigentlich wollen. Über den eigenen »Sättigungspunkt« hinwegzugehen, bedeutet jedoch, dass der Genuss verloren geht und die betroffene Person negative sexuelle Erfahrungen macht (Von Sydow & Seiferth, 2015). Das bestätigt eine Studie mit Frauen, in der gezeigt wurde, dass eine eingeschränkte sexuelle Selbstbestimmung mit der Verminderung des sexuellen Genusses zusammenhängt (Schönbucher, 2007).

      Aufgrund dieser Konstellationen kann es zu einem Vermeiden körperlicher Nähe und Zärtlichkeit kommen. Der Körperkontakt »könnte ja zu Sex führen« oder beim anderen den »Wunsch nach mehr« auslösen. Dadurch gehen Momente der Zweisamkeit verloren, die die Möglichkeit bieten, die Bindung zu stärken und sexuelle Lust entstehen zu lassen. Die Sexualität kommt dadurch oftmals völlig zum Erliegen.

      Viele Menschen, auch Fachleute, gehen davon aus, dass sich das Begehren von allein wiedereinstellt, sobald die darunterliegenden Probleme gelöst werden. Lustlosigkeit oder sexuelle Abstinenz können jedoch eine sich selbst verstärkende Eigendynamik entwickeln, die z. B. durch das Vermeiden körperlicher Begegnungen bestehen bleibt, auch wenn die Ursachen der Lustlosigkeit beseitigt sind (Schär, 2016). Wichtig ist es hier, sich bewusst in den körperlichen Kontakt zu begeben, um neue, korrigierende Erfahrungen machen zu können und so ein genussvolles sexuelles Erleben wieder zu ermöglichen.

      3.4 Sexuelles Begehren und Erregbarkeit

      Bei den meisten Menschen ist die Vorstellung verbreitet, sexuelle Lust entstünde bei allen Menschen spontan. Dieses sogenannte spontane Begehren ist bei einem Großteil der Männer, allerdings nur bei einem kleineren Teil der Frauen zu finden. Der größte Teil der Frauen und ein kleiner Teil der Männer zeigen dagegen ein responsives Begehren, d. h. sie entwickeln Lust auf Sex erst im Laufe einer sexuellen Begegnung (Nagoski, 2017).

      Entscheidend für das responsive Begehren sind die Kontextfaktoren: Zum Kontext gehören Umgebungsfaktoren wie Ort und Umstände, Merkmale des Partners und der Paarbeziehung, aber auch die eigene psychische und körperliche Befindlichkeit. Die Wirkung dieser Faktoren ist individuell verschieden. Bei einer Person haben bestimmte Faktoren wie z. B. ein Geruch erregenden, bei einer anderen Person hemmenden Einfluss auf die sexuelle Lust.

      Nach dem Dual control model ist das sexuelle Temperament einer Person biologisch verankert und besteht aus zwei Systemen (Bancroft & Graham, 2011): einem erregenden und einem hemmenden System. Die beiden Systeme können als »Gaspedal« und »Bremse« bezeichnet werden und von Natur aus stark oder schwach ausgeprägt sein (Nagoski, 2017). Das schwache Begehren einer Person kann auf einem »schwachen Gaspedal« beruhen, was bedeutet, dass sie bewusste Konzentration und Aufmerksamkeit braucht, um sich auf Sex einstimmen und sexuelle Stimuli wahrnehmen zu können; oder aber das fehlende Begehren ist auf eine »starke Bremse« wie etwa moralische Skrupel oder Versagensängste zurückzuführen. In beiden Fällen schränken die oben beschriebenen Kontextfaktoren die Entwicklung sexueller Lust ein.

      Das bedeutet, dass das sexuelle Lustempfinden bei sehr vielen Frauen und auch einigen Männern stark vom Verlauf der sexuellen Begegnung abhängt: Sie haben ein responsives Begehren. Für sie ist hilfreich zu wissen, welche Kontextfaktoren eine Rolle dabei spielen, um ihrer Wirkung nicht ausgeliefert zu sein. Mit einer bewussten Gestaltung ihrer Kontextfaktoren haben Männer und Frauen Einfluss auf ihr eigenes sexuelles Erleben und damit die Entwicklung sexueller Lust (

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