Elisabeth Petznek. Michaela Lindinger

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Elisabeth Petznek - Michaela Lindinger

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Partei, und er meinte einmal, als er auf seine „merkwürdigen“ Forschungen im Bereich der Grenzwissenschaften angesprochen wurde: „Wer nicht den Mut hat, sich auslachen zu lassen, ist keine echte Forschernatur!“ Wenn ein paar Professoren von Schwindlern gefoppt würden, sei das kein Unglück, denn es könne ebenso passieren, dass ein bisher unbekanntes Naturphänomen unentdeckt bleibe. Und davor wollte er die Wissenschaft bewahren. Diese Herangehensweise deckte sich mit Erzsis Vorstellungen. Beide begannen in den 1920er-Jahren mit ihren Untersuchungen auf dem Gebiet der Parapsychologie. 1927 wurde Thirring zum (Gründungs-)Präsidenten der „Österreichischen Gesellschaft für Psychische Forschung“ (heute: „Österreichische Gesellschaft für Parapsychologie und Grenzbereiche der Wissenschaften“) gewählt.

      Die meisten Experimente, die Schrenck-Notzing, Erzsi, Thirring und ihr Kreis mit verschiedenen Medien durchführten, befassten sich mit die Grenzen des Organismus überschreitenden, teleplastischen Charakteren. Das bedeutet, dass man außerhalb des Körpers des Mediums Formen wie Körperglieder, vor allem Hände, wahrnehmen kann, die biologisch lebendig sind. Die Erscheinung geht im Allgemeinen sehr schnell vorüber. Schrenck-Notzing war der Ansicht, es handle sich um eine „Verstofflichung“ des Geistes, um „fleischgewordene“ Traumbilder, hervorgerufen durch eine zu erforschende psychische Kraft des Mediums. Die sichtbar werdende Materie nennt man „Ektoplasma“: ein dem Körper entbundenes, sich verdichtendes Fluidum.

      Wie gesagt ist es aber sehr selten, dass eine ganze Person, also ein „Geist“, sich materialisieren kann. Was Thirring und Erzsi, aber auch Schrenck-Notzing im Lauf des Lebens immer mehr als wissenschaftliches Experiment in einer Art Laborsituation wahrgenommen haben wollten, hatte in den Augen von Skeptikern bestenfalls theatralischen Show-Charakter – es wurde als spektakulärer Spuk bezeichnet, als nichts anderes als die Auftritte des Magnetiseurs Hansen. Schon der Modearzt Franz Anton Mesmer war als Scharlatan verschrien gewesen und zu Freuds Lehrer, dem französischen Nervenarzt Jean-Martin Charcot, waren nicht wenige sensationsgierige Schaulustige gepilgert, um zu sehen, wie er halbnackte „Hysterikerinnen“ in der Salpêtrière in Paris mit Elektroschocks und anderen in den Anfängen der Psychiatrie üblichen „Heilmitteln“ malträtierte.

      Doch wie eine überzeugende Erklärung für das Unerklärliche finden? Immer unter der Voraussetzung, dass kein Betrug vorlag und dass es sich um seriöse Forscher handelte, die die Versuche mit den Medien – teilweise im Beisein von halb München, wie im Fall von Schrenck-Notzing – präsentierten? Man konnte sich schon vorkommen wie im Zirkus, mit Szenenapplaus, Anfeuerungsrufen und lähmender Enttäuschung, wenn nichts passierte. Denn es musste damit gerechnet werden, dass die Medien nicht in der entsprechenden Verfassung waren, die Umgebung dem Zweck nicht förderlich war, dass der Versuchsleiter einen Fehler gemacht hatte etc. Parapsychologische Experimente konnten nur von Menschen mit viel Geduld ausgeführt werden. Warten und Langeweile, stundenlanges Starren ins Dunkel, Ermüdung, Versuchsabbruch, Neustart, wieder warten – das gehörte zum Forscheralltag. Schrenck-Notzing war imstande, beinahe unendlich zu repetieren, wenn er grundsätzlich von der „Qualität“ eines Mediums überzeugt war.

      Der „Wasservorhang“ im Tempel der Nacht auf Schloss Schönau, um 1800

      Blick auf Schloss Schönau, 2019

      „Akte X“ auf Schloss Schönau

      Im Schloss Schönau hatte Erzsi ein Zimmer, das in einem sonst unbewohnten Trakt des weitläufigen Gebäudes lag. Grundsätzlich war das Schloss auf Gäste ausgerichtet, es verfügte über viele Schlafzimmer, eine große Küche mit den besten Köchen, repräsentative Speiseräume und vor allem über einen wunderbaren Garten, der von Erzsis ausgesuchten Gärtnern nach ihren Wünschen gestaltet worden war. Er gehörte zu den schönsten in Österreich. Erzsi ließ es sich nicht nehmen, Postkarten mit Ansichten ihres üppig blühenden Parks drucken zu lassen. Man kann diese heute im Heimatmuseum in Schönau besichtigen.

      Doch in ihr Boudoir, eine Art Privatheiligtum, das mit Dutzenden Erinnerungsstücken aus der Monarchie vollgestellt war, durfte außer ihren Kindern niemand eintreten. Und auch diese nur einzeln und nach Voranmeldung. Gerahmte Fotos ihrer Vorfahren standen sogar an die Stuhlbeine gelehnt, hauptsächlich Fotos von Kaiserin Elisabeth und Kronprinz Rudolf. Sitzbezüge und Überwürfe waren mit Vögeln bedruckt, Tiere, die Erzsi sehr liebte. Ihr Vater Rudolf war ein sogar in Biologenkreisen anerkannter Ornithologe gewesen und er hatte mit Erzsi in den wenigen Jahren, in denen er seine Tochter aufwachsen sah, viel über das Leben der Vögel gesprochen. Noch im hohen Alter konnte Erzsi die Vögel im Park ihrer Penzinger Villa anhand deren Rufe identifizieren. In Schönau besaß sie einen Papagei, der „Erzsi!“ rief, was sie ihm selbst beigebracht hatte. Ansonsten war der Raum erfüllt vom Duft der unzähligen Blumen, die an genau definierten Plätzen stehen mussten: Azaleen, Rhododendron und je nach Blütezeit Flieder, Jasmin, Begonien, Veilchen. Auch einige Aquarelle ihrer Mutter Stephanie hingen hier und Darstellungen des blühenden Schönauer Gartens, die ein von ihr beauftragter Künstler geschaffen hatte. Szenen von ihren Reisen an die Adria und die Nordsee konnte man ebenso sehen wie Kriegsschiffe, die an ihre leidenschaftliche Beziehung zu einem U-Boot-Kapitän erinnerten. Die Liaison hatte mitten im Ersten Weltkrieg in einer Katastrophe geendet und für Erzsi versank – wie für viele andere – die Welt nach 1918 im Chaos. Halt und Hoffnung mussten neu erworben werden und in dieser unsicheren Zeit waren Metaphysik und Magie gefragter denn je. Der schrecklichste Krieg, den die Menschheit bis dahin erlebt hatte, die Krise nach einer erschütterten Weltordnung: All das nahmen viele als etwas Unvorstellbares wahr, etwas, das man davor nicht für möglich gehalten hätte, das die schlimmsten Befürchtungen übertroffen hatte. Kartenleger und Hellseher hatten bei manchen Bevölkerungsgruppen Hochsaison. Der hypnotische Sog des Okkulten eroberte bürgerliche Salons und Hinterzimmer, faszinierte Künstler und Avantgardisten.

      Die Toten lebten noch in den Köpfen, sie waren noch nicht richtig „begraben“. Auch in Erzsis Kopf lebten solche „Tote“, ihr Vater und ihr im Krieg gebliebener Freund. Auch sonst wurde viel gestorben in Erzsis Familie, ihr Großonkel war in Mexiko erschossen worden, ihre Großmutter und ihr Großcousin fielen politisch motivierten Attentaten zum Opfer. Zuspruch und Trost gehörten zu den Dingen, die Erzsi in ihrem Leben oft schmerzlich vermisst hatte. Sie hätte Freunde zum Reden gebraucht, Unterstützung und Verständnis in ihrer Trauer. Nach dem Ersten Weltkrieg waren es gerade die einsamen Frauen, die spiritistische Zirkel gründeten, um mit „der anderen Welt“ in Kontakt zu treten. Sie klammerten sich an die Vorstellung, die geliebten Toten seien in einer anderen Daseinsform oder auf einer anderen Ebene noch lebendig. Erzsi suchte unter anderem Beruhigung in der Astrallehre, wonach astrale Ebenbilder mithilfe von magnetischen Strichen, die das Fluidum aus dem Körper drängen sollten, sich materialisieren könnten. Diese „Doppelgänger“, Kopien der Versuchsperson, seien in Spiegeln sichtbar und könnten fotografiert werden. Derartige Inhalte wurden damals in Broschüren verbreitet, die sich mit der „praktischen Anwendung des Okkultismus im täglichen Leben“ und mit der „Entfaltung des eigenen Willens“ – so ein Werk – befassten.

      Erzsi war als Person mit einem extrem stark ausgebildeten Willen bekannt und es erscheint verständlich, dass ihr theosophische Schulen (etwa Rudolf Steiner, Helena Blavatsky), die die Astrallehre und ähnliche alternative Wahrnehmungen propagierten, nahestanden. Frau Elisabeth Windisch-Graetz gehörte zu den Stammkunden der „Zentralbuchhandlung für Okkultismus“ in der Linken Wienzeile, die von Andreas Pichl geführt wurde. Pichl war in Wien eine Integrationsfigur für alle, die sich dem Okkulten und Mystischen verschrieben hatten. Er veranstaltete auch Konzerte und Vorträge zu einschlägigen Themen, außerdem engagierte er sich als Präsident der Carl-du-Prel-Gemeinde. Du Prel gehörte ähnlich wie Schrenck-Notzing zu den führenden Gelehrten auf dem Gebiet der Grenzwissenschaften, auch wenn die beiden Forscher gelegentlich Differenzen ausfochten. Du Prel hatte sich viel mit den Vorläufern des Okkultismus

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