Elisabeth Petznek. Michaela Lindinger

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Elisabeth Petznek - Michaela Lindinger

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zweier Welten“, wobei das irdische Leben einen „Spezialfall“ des eigentlichen, jenseitigen und transzendentalen Daseins darstelle.

      Bei Pichl erwarb Erzsi das dreibändige Werk „Die Geschichte des Spiritismus“, das ihr Sohn Franzi später in den persönlichen Hinterlassenschaften seiner Mutter wiederfand. Erzsi lernte, dass Medien Phänomene bewirken könnten, die auf deren besondere psychische Disposition zurückzuführen seien. Innere Kräfte könnten als Emanationen von Fluiden sichtbar werden. Bei Sitzungen sei es möglich, dass Erscheinungen, Stimmen und andere Manifestationen des Übernatürlichen auftreten könnten. Immer gehe es darum, diese „Visionen“ durch den eigenen Willen beherrschbar und lenkbar zu machen. Sie las vom sehr berühmten Medium Eva C. (Marthe Béraud), deren Vorstellungen pornografischen und – wie später publik wurde – betrügerischen Charakter hatten. Den größten Celebrity-Status in der Welt der Parapsychologie konnte damals Eusapia Palladino für sich in Anspruch nehmen, eine süditalienische Waise, die mit Illusionisten auf Tour gegangen war und auf diese Weise wohl einige optische Tricks erlernt hatte, die sie später zum Besten gab. Ihre Bekanntheit ging auf Levitationsphänomene zurück. Sie konnte angeblich schwere Gegenstände wie Tische von 22 Kilogramm Gewicht durch die Luft segeln lassen. Ebenso konnte sie Gegenstände verrücken, ohne diese anzufassen, man hörte Musik spielen, ohne dass dafür eine Quelle zu erkennen gewesen wäre. Sie soll weiters tastbare Materialisationen hervorgerufen haben, die unsichtbar gewesen seien; sie hinterließen aber Abdrücke in Paraffin. Es gab menschliche und tierische Erscheinungen, alle begleitet von elektrischen und thermischen Phänomenen.

      Die vielen Experimente mit den Medien sollten zu einer empirischen, tendenziell evidenzbasierten Metaphysik beitragen. Manchmal gelang es, zumindest die Möglichkeit von „mind over matter“ zu demonstrieren; doch letztlich blieben Schrenck-Notzing und seine Mitstreiter in einer Reihe endlos wiederholter Kunststückchen stecken. Man kam über das rein Deskriptive und/oder Spekulative nicht hinaus. Doch nach außen hin war Schrenck-Notzing in der damaligen Zeit ein bestens vernetzter Wissenschaftler mit einer Menge an Bewunderern und das „Vergebliche“ seiner Bemühungen war damals nicht so offensichtlich, wie es uns heute zu sein scheint. Solange die „Seriosität“ der Unternehmungen gewährleistet war, zeigte sich Erzsi für die Versprechungen und Reize des Okkulten jedenfalls sehr empfänglich.

      Séancen

      Erzsis Boudoir ist versiegelt, die Türen sind von innen versperrt. Im Raum herrscht Dämmerlicht, gelüftet wird hier selten. Die Tüllvorhänge bleiben geschlossen. Die Lampen werden mit roten Stoffen verhängt, da die Wellenlängen des weißen Lichts übersinnliche Phänomene verhindern können. Das behaupten zumindest zahlreiche Okkultisten, auch Schrenck-Notzing bevorzugt diese Art der Beleuchtung in Anwesenheit einiger seiner Medien. Abgesehen vom roten kann auch violettes Licht bei manchen Sitzungen förderlich sein. Die weit verbreitete Ansicht, dass parapsychologische Sitzungen nur bei Nacht durchgeführt wurden, ist unrichtig. Im Gegenteil, die meisten fanden (und finden) ganz normal tagsüber statt.

      Schrenck-Notzing verlangt an Technik alles, was zu seiner Zeit möglich ist: Bis zu neun Kameras, eine auch an der Decke, kommen gleichzeitig zum Einsatz. Die Medien werden verdrahtet. Sie sollen Hände und Füße nicht ohne sichtbare Impulse bewegen können. Manchmal müssen sie in Käfigen sitzen, die nicht größer sind als ein Kubikmeter. Sie tragen ein speziell gefertigtes schwarzes Sitzungstrikot mit am Rücken vernähten, am Ende plombierten Schnüren. Tüllschleier verdecken Kopf und Hände. Jede Körperöffnung wird überprüft, Achselhöhlen und Frisuren werden auf versteckte Gegenstände inspiziert. Ein Federmesser wird herangezogen, um zwischen Finger- und Zehennägeln und Fleisch verborgene Fäden etc. ausschließen zu können. Mit minutengenauen Zeitangaben werden alle Geschehnisse einer Stenotypistin diktiert, die bei Rotlicht schreiben muss, auch wenn draußen helllichter Tag herrscht. Schrenck-Notzing besitzt außerdem einen elektrischen Parlographen, in den er wie in ein Diktiergerät direkt hineinsprechen kann. Doch Illusion und Täuschung werden immer zu den Vorwürfen gehören, die bei derartigen Séancen unausweichlich sind. Katzendärme, Fischblasen, eine Plazenta samt Nabelschnur, tierisches Gekröse, sogar ein im Mastdarm verborgener Pfropfen: Das alles kann – feuchtgehalten mithilfe eines Stärkekleisters – ein Ektoplasma echt aussehen lassen. Oder es kann aus Gänsefett, Gaze, Putzwolle und Watte fabriziert werden. Die materialisierten Hände können in Wirklichkeit aufgeblasene Gummihandschuhe sein, Phantome wurden als Teile übermalter Gips- und Gliederpuppen erkannt. Okkulte Erscheinung? Oder Textil, Tüll und Pappkarton?

      Schrenck-Notzing sprach Erzsi in seinen ungefähr 50 Briefen mit „Liebe und verehrte Freundin“ oder „Chère amie“ an. Die Briefe stammen aus den Jahren 1921 bis 1928, doch ist aus den ersten Briefen ersichtlich, dass sich die beiden schon mehrere Jahre kannten.

      Erzsi legte Wert darauf, anerkannte Medien bei sich zu Gast zu haben, aber sie entwickelte auch den Ehrgeiz, selbst welche zu entdecken – eine Herausforderung, die ihr letztlich zum Verhängnis wurde. Die Wirkmächtigkeit eines Mediums trug dazu bei, dass sich Erzsi Ende der 1920er-Jahre zum Verkauf des von ihr so geliebten Anwesens im niederösterreichischen Schönau entschließen musste.

      Noch war es aber nicht so weit. In den Jahren 1922 und 1923 fanden parapsychologische Sitzungen in großer Anzahl im Schloss Schönau statt. Solange Schrenck-Notzing Zeit für einen Urlaub bei Erzsi erübrigen konnte, wurden fast jeden Tag solche Versuche gemacht. Die Schlossherrin hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, fix an die Existenz der Geisterwelt zu glauben. Sie wollte diese neue Energie spüren und mithilfe von Schrenck-Notzing und der Medien weiterentwickeln. Euphorie breitete sich in ihr aus, wenn sie den Eindruck hatte, ihr toter Freund sei anwesend und beantworte Fragen, die sie ihm im Leben nicht mehr zu stellen imstande gewesen war.

      Die wichtigsten Medien, die Erzsi nach Schönau kommen ließ, waren die Teenager-Brüder Schneider, der gelegentlich als Betrüger entlarvte „Magier“ Karl Krauss (auch: Krauß) und die junge burgenländische Dienstmagd Wilma (auch: Vilma) Molnar.

      Psychokinese – die Brüder aus Braunau

      Willy (auch: Willi) und dessen jüngerer Bruder Rudi Schneider wurden mehrere Male als Medien nach Schönau geholt. Vor allem der gelernte Zahntechniker Willy galt als großer Star der damaligen Parapsychologie. Beiden Brüdern wurde besondere Geschicklichkeit in den Bereichen Teleplastik, Telekinese und Psychografie attestiert, was bedeutet, dass sie fähig waren, Materialisationen hervorzurufen, Dinge zu bewegen, ohne sie zu berühren, sowie Fragen zu beantworten – in sogenannter automatischer Schrift. Die automatische Schrift erfreute sich großer Beliebtheit bei Leuten, die in Kontakt mit dem Übernatürlichen treten wollten. Erzsi konnte Fragen an Verstorbene richten und das Medium schrieb in einem Zustand des Halbbewussten die Antwort nieder. Die automatische Schrift unterschied sich stark von der „alltäglichen“ Schrift des betreffenden Mediums.

      Willy und Rudi Schneider gehörten in den 1920er-Jahren zu jenen Medien, die in ganz Europa herumgereicht wurden. Die Brüder stammten aus Braunau und waren unter 20 Jahre alt. Sie zeigten ihre „Kunst“ in Wien, München, Zürich, Prag und in London vor der „Gesellschaft für Psychische Forschung“. Der deutsche Schriftsteller Carl Zuckmayer war überzeugt, das Herkunftsgebiet der Bauernsöhne hätte ihre „Leistungen“ beflügelt. Er sprach vom Innviertel als einem besonderen Ort, der geeignet sei, „das Wachstum zwielichigter zweitgesichtiger medialer oder auch pathologisch deformierter Halb-Genies oder Ganz-Charlatane“ hervorzubringen. Zu den Letztgenannten zählte er „auch die berühmten ‚Schneider-Büben‘“, die seiner Ansicht nach „ihre an sich vorhandenen Fähigkeiten mit Hilfe eines ‚Gang‘s von Erwachsenen geschickt ausgebaut und durch alle möglichen Tricks merkantilisiert“ hätten. Vom Physiker Hans Thirring wurden sie in seinem Institut an der Universität Wien untersucht. Willy Schneider musste ein „Sitzungskostüm“ tragen und wurde durch Thirring und eine weitere Person in seinen Bewegungen kontrolliert. Die Sitzung fand wie üblich beim Licht einer Rotlampe statt. Schrenck-Notzing schrieb in seinem Aufsatz „Neuere

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