Elisabeth Petznek. Michaela Lindinger

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Elisabeth Petznek - Michaela Lindinger

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wurde sie von den Ereignissen rund um das ungeschulte Medium Wilma Molnar überrollt. Es muss zu heftigen Phänomenen gekommen sein, zu unbekannten Energien, deren Entwicklung und Konsequenz Erzsi in Schrecken versetzten. Von den Sitzungen mit Hans Thirring kannte Erzsi den sozialdemokratischen Mathematiker Hans Hahn, ein Mitglied des „Wiener Kreises“ rund um den Philosophen und Physiker Moritz Schlick. Sie wandte sich an Hahn mit der Bitte, sich um Wilma zu kümmern und das Mädchen unter wissenschaftlicher Kontrolle zu beobachten. Diese Veränderung ihres Alltags stieß bei Wilma auf immensen Widerstand. Sie hatte keine Lust, in Käfigen zu sitzen, an elektrische Kabel angeschlossen zu sein und fremden Männern als Versuchsobjekt zur Verfügung zu stehen. Erzsi zeigte Verständnis und holte Wilma zu sich in ihre Wiener Wohnung. Doch die Phänomene gingen weiter. Das Eisenbett, in dem Wilma schlafen sollte, fiel zweimal um, sodass sie darunter begraben wurde. Das Mädchen zitterte und weinte. Jedoch war das Bett sehr schwer, sodass Erzsi allein es kaum manövrieren konnte. Sie war mit der Situation überfordert und wusste nicht, wie sie mit Wilma weiter umgehen sollte.

      Kaum war man wieder in Schönau, machten die Poltergeister mit unerwartet auftretenden Geräuschen, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte, auf sich aufmerksam. Erzsi hatte den Eindruck, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas Unvorhergesehenes geschehen konnte. Sie wurde immer nervöser.

      Im Jahr 1927 erkrankte Albert von Schrenck-Notzing. Er reiste aber trotzdem zum Kongress der Parapsychologen nach Paris, wovon er Erzsi in Kenntnis setzte. Unterdessen litten Eigentümerin und Angestellte unter der sich immer mehr verschärfenden, grimmigen Atmosphäre in Schönau. Einst war das Schloss geprägt von Blumenduft, Heiterkeit, luxuriöser Sommerunterhaltung. Doch nun regierten kaum mehr unterdrückbare Angstgefühle. Es ereigneten sich die merkwürdigsten Dinge, deren mysteriöse Ursachen alle Bewohner fürchteten. Erzsi riss sich zusammen und erwartete dies auch von allen anderen im Schloss. Für die Herrin war Wilma noch immer in erster Linie ein einzigartiger „Fall“ und sie wollte ihre „Forschungen“ mit dem Mädchen weiterführen. Dass dies ein normales Leben auf dem Anwesen unmöglich machte, war ihr wieder einmal egal.

      Einen Vorfall in der Schlossküche schilderte Franzi folgendermaßen: Lautes Geschrei ertönte im Haus, Wilma stand in der Küchentür und schlug die Hände vors Gesicht. Sie wollte nicht sehen, wie die Kartoffeln über den Kachelboden der Küche hüpften. Angeblich waren die Knollen von allein aus dem Korb gesprungen. An einem anderen Tag eilte Erzsi wegen bizarrer Dissonanzen, die sie bis in ihre entlegenen Zimmer wahrnahm, hinunter in die Küche. Wilma umklammerte mit jeder Hand verzweifelt einen Pfannenstiel und versuchte, die Pfannen auf dem Herd zu halten. Gleichzeitig hatten sich zwei Töpfe von der Wand gelöst und flogen in einer Höhe von zwei Metern durch die Luft. Erzsi tat ihr Bestes, um Wilma auf Ungarisch zu beruhigen, und führte sie aus der Küche. Da dies der „Hauptwirkungsbereich“ Wilmas war, manifestierten sich die Klopfgeister dort am stärksten. Anders gesagt: Das von Wilma abstrahlende Energiefeld schien in diesen Räumlichkeiten seine höchste Konzentration zu erreichen.

      Hatte Erzsi anderweitig zu tun, lag die Überwachung der Küchenmagd in Franzis Verantwortung. Eines Tages wurde er dringend in die Küche gerufen. Wieder einmal war es so weit. Teller, Messer, Gabeln und Löffel flogen aus geschlossenen Schubladen, bewegten sich in allen Richtungen durch die Luft. Schließlich richteten sich die Messer gegen Wilma. Doch bevor sie das Mädchen erreichten, fielen sie mit lautem Geklapper zu Boden. Die Messer jagten Wilma die größte Angst ein. Das „Herbeibringen“, dessen Wilma unter anderem fähig war und das sie nie zu steuern gelernt hatte, konnte ebenfalls gefährlich werden. Gabeln „verfolgten“ das Mädchen aus der Küche in seine Schlafkammer und fielen neben dem Bett nieder.

      Dieses ziemlich seltene Phänomen drückt sich dadurch aus, dass Dinge das Medium „finden“. Sachen sind also plötzlich dort, wo man selbst ist, obwohl sich die Gegenstände vorher noch an ihrem Platz befunden haben. Der „herbeigebrachte“ Gegenstand kann geschlossene Türen oder Mauern durchdringen und kommt auf seiner „Reise“ nicht zu Schaden. Lediglich wird er sehr heiß, was manche Telekinese-Forscher als typisch für die Dematerialisation und die danach wieder notwendige Materialisation ansehen.

      Auf Wunsch seiner Mutter war Franzi also stark in die Beobachtung der Küchenhilfe Wilma Molnar involviert. Gelegentlich stellte er fest, dass sich auf seinem Schreibtisch das Tintenfass verschob, wenn Wilma in der Nähe war. Später erzählte er seiner Frau Ghislaine, dass einmal eine Hacke durch das offene Küchenfenster hereingeflogen und mit einem „Bombengetöse“, so Franzi, auf den Boden niedergekracht sei.

      Gelegentlich wurde Wilma für kleine Besorgungen in den Ort geschickt, doch nach den ersten seltsamen Ereignissen durfte sie das Schloss nur noch in Begleitung verlassen. Als sie am Schaufenster eines Schuhgeschäfts vorüberging, flog ein Schuh auf den Gehsteig, als wäre er geworfen worden. Bei einem Messerschmied wurde ein Messer von ihr angezogen und fiel neben ihr nieder. Das Medium Wilma Molnar wurde schließlich so bekannt, dass es im „Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete“ (Werner F. Bonin, 1984) einen Eintrag erhielt.

      Noch 1928 war Schrenck-Notzing der Ansicht gewesen, dass die verständnisvolle Behandlung, die Erzsi dem Mädchen angedeihen ließ, die von Wilma ausgehenden Phänomene begünstige. Allerdings litt Erzsi in diesem Jahr unter schweren gesundheitlichen Komplikationen, es gab Tage, da konnte sie kaum aufstehen. Sie hatte viel Willensstärke bewiesen, gelangte aber zunehmend zu der Erkenntnis, dass es selbst einer widerstandsfähigen Person wie ihr nicht gelingen mochte, aus Wilma ein „normales Mädchen“ zu machen. Was Erzsi nun tat, bringt recht gut zum Ausdruck, dass weder die parapsychologische und „magische“ Schulung durch Schrenck-Notzing noch die ihr seit etwa einem Jahrzehnt zuteilwerdende sozialdemokratische Bildung durch ihren Lebensgefährten Leopold Petznek ihre Persönlichkeit maßgeblich verändern konnten. Sie war einmal eine Erzherzogin an einem streng katholischen Hof gewesen. Und nun übergab sie die bedauernswerte Wilma in die Obhut der Kirche. Möglicherweise suchte sie Rat bei Viktor Kolb, einem Angehörigen des Jesuitenordens, zu dem sie eine Freundschaft pflegte. Das ungleiche Paar traf sich regelmäßig zur Diskussion theologischer Fragen. Kolb engagierte sich im Bereich der christlich-sozialen Presse und war sozialreformerisch tätig, seine Gesprächspartnerin, die eingeschriebene Sozialdemokratin, las die „Arbeiter-Zeitung“ und gewährte „Magiern“ und „Zauberern“ Obdach. Kolb hatte immer wieder versucht, Erzsi aus den Klauen der „Satanisten“, wie er die Parapsychologen und „Medien“ nannte, zu befreien. Seher, Astrologen und andere Leute, die Kontakt zu Toten und dem Jenseits suchten, gehörten für ihn nicht zum Umgang einer guten Katholikin. Er schenkte ihr regelmäßig seine eigenen Werke sowie ein Buch mit dem Titel „Gebote der Tugend“. Es ist nicht davon auszugehen, dass Erzsi diese gut gemeinte Gabe gründlich studierte. Vergeblich redete Kolb ihr zu, die gefährlichen und antichristlichen Versuche im Bereich der Schwarzen Magie zu unterlassen.

      Wasserfälle bei der Grotte des Schlossparks Schönau, um 1800

      Obwohl sie bestimmt nicht alle Anregungen des Paters Kolb ernsthaft in Erwägung zog, griff Erzsi in ihrer Verzweiflung auf ihren Kinderglauben zurück. Sie hoffte, die „Segnungen der Religion“ würden sich positiv auf Wilmas unausgeglichenes Seelenleben auswirken. Die psychischen Kräfte eines Mediums haben mit Religion nichts zu tun, doch Erzsi reagierte, als lebe sie in der frühen Neuzeit zur Zeit des „Hexenhammers“ und nicht in der aufgeklärten Welt des 20. Jahrhunderts. Wilma wurde von den Jesuiten zu einer Wallfahrt nach Mariazell gezwungen und einem Exorzismus unterzogen. Dass ein Fall wie der des Mädchens Wilma Molnar eine medizinische Angelegenheit und nicht die Sache kirchlicher Satanologen sein kann, hätte Erzsi wissen müssen. Fast alle „Sensitiven“, also für „außersinnliche“ Phänomene empfängliche Menschen, sind psychisch beeinträchtigt, nicht selten schizophren und/oder gewalttätig und sollten von medizinischen Fachleuten behandelt werden. Erzsis Schwiegertochter schreibt in ihren Erinnerungen, die Ex-Erzherzogin hätte sich wiederholt nach dem Befinden ihrer einstigen Dienstmagd erkundigt. Man habe ihr stets versichert, Wilma sei „fröhlich und vergnügt“.

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