Der Rhein: Das malerische und romantische Rheinland. Karl Simrock

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Der Rhein: Das malerische und romantische Rheinland - Karl Simrock

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verbindet, wo der Lell-oder Laienkönig, das Wahrzeichen der Stadt, nach den Schwingungen des Perpendikels der Turmuhr den Kleinbaslern Gesichter schneidet. Hierüber und wegen jener Schlangenjungfrau geben meine »Rheinsagen« nähere Auskunft; nur bedarf die Stelle

      Und noch in unsern Tagen

       Die Basler Glocken schlagen

       Eins mehr als anderswo

      der Berichtigung, denn neuerdings haben die Basler keine eigene Zeitrechnung mehr.

      Nachdem wir uns in dem Gasthaus zu den Heiligen Drei Königen mit einem Trunk edlen Schweizerbluts, einst zu St. Jakob, dem schweizerischen Thermopylä, für die Freiheit vergossen, gelabt haben, folgen wir dem Strom, der, in das oben gedachte große Rheintal einlenkend, seine alte Richtung nach Norden von neuem annimmt. Bei Klein-Hüningen, der geschleiften Festung gegenüber, wo die von Hebel besungene liebliche Tochter des Feldbergs, die Wiese, dem großen Jungen des Gotthard, ihrem Bräutigam, ans Herz sinkt, verläßt dieser die Schweiz »wie ne Rothsher vo Basel, stolz in sine Schritten und schön in sine Gebehrde«.

      Breisach und der Breisgau

       Inhaltsverzeichnis

      Der nächste Ort, dessen wir gedenken, ist die alte Hauptstadt des Breisgaus. Um aber dem Spott über den vollen Siebenmeilenschritt von Basel nach Breisach auszuweichen, werfen wir unterwegs einen Blick auf das Städtchen Neuenburg, das dort unter den alten plutonischen Kuppen des Feldbergs, des Hochblauen und des Belchen liegt. Es ist durch Bernhard von Weimar, der hier seine kühne Seele aushauchte, doppelt merkwürdig. Das Jahr vorher hatte er es nämlich belagert und, über den hartnäckigen Widerstand der tapferen Neuenburger aufgebracht, sich vermessen, in der eroberten Stadt keinen Hund und keine Katze zu schonen. Als endlich die Übergabe erfolgte, gereute ihn das edle Blut; doch ließ er, um sein Wort zu lösen, alle Katzen und Hunde töten.

      Breisach liegt am Fuße des fruchtbaren, vielbevölkerten Kaiserstuhls, eines isolierten Erhebungsvulkans, der mit den Bergen ringsumher, auch mit dem Schwarzwald; in keinem Zusammenhang steht. Nur der Basaltberg, welcher Breisachs Münster trägt, scheint noch dem Kaiserstuhl anzugehören. Es ist der alte, schon von den Römern bebaute Mons brisiacus, welcher der Stadt und dem Land den Namen gibt.

      Seit die Festungswerke von Breisach geschleift waren, hatte das Römische Reich nichts mehr, wo es sein Haupt hinlegen sollte. Einst hieß nämlich diese Festung des Heiligen Römischen Reichs Hauptkissen, der Schlüssel Deutschlands. Nur auf dem linken Ufer stehen das französische Neubreisach und das Fort Mortier noch fest und drohend da. Hat man die Warnung des getreuen Eckart, an den in Breisach noch der Eckartsberg, der einst die Zeughäuser trug, sowie bei Freiburg das Schloß Eckart mahnen, so in den Wind geschlagen? Vielleicht wäre es nicht geschehen, wenn damals die Sage von dem getreuen Warner noch lebendig gewesen wäre. Zwar teilte er das Schicksal der troischen Kassandra, keinen Glauben zu finden. Und so würde sich in der Geschichte nur wiederholt haben, was die vorgeschichtliche Überlieferung Tragisches meldet. Hätten doch auch die alten prophetischen Worte warnen sollen, die Breisach von sich sagt:

      Limes eram Gallis, nunc pons et janua fio:

       Si pergunt, Gallis nullibi limes erit.

      Schranke dem Gallier einst, nun bin ich Tor ihm und Brücke:

       Schreitet er vor, wird bald nirgends ihm Schranke noch sein.

      Aus dem Sprichwort: »Du bist der getreue Eckart, der jedermann vor Schaden warnt«, und aus Goethes und Tiecks Gedichten kennen die meisten unserer Leser seine Sage nur obenhin. Sie genauer mit ihr bekannt zu machen, scheint hier um so mehr der Ort, als der Breisgau ihre eigentliche Heimat ist. Wenn Eckart mit seinem weißen Stab vor dem wilden Heer hergeht und jedermann aus dem Weg weichen heißt, damit er nicht Schaden nehme; wenn er vor dem Venusberg, vielleicht dem erwähnten Eckartsberg, sitzt und die Leute warnt, nicht hineinzugehen, weil sie sonst des Tannhäusers Schicksal teilen müßten, so sind dies spätere Anwendungen seiner schon halb vergessenen Sage. Diese selbst bildet einen der wichtigsten Zweige des großen deutschen Epos. Ihre Grundzüge sind folgende: Eckart ist der Pfleger der jungen Harlungen, der Bruderssöhne Kaiser Ermenrichs (jenes gotischen Ermanaricus), der Vettern Dietrichs von Bern. Wie Eckart einst des alten Harlung getreuer Rat war, so ist der ungetreue Sibich, »von dem die ungetreuen Räte in die Welt gekommen sind«, Kaiser Ermenrichs Ratgeber. Die Sage deutet an, daß Eckart und Sibich einst liebe Freunde gewesen sind. Aber damals war Sibich selbst noch ein getreuer Mann. Als später sein Weib Odilia von Kaiser Ermenrich gewaltsam entehrt wurde, verwandelte er seine Natur und verkehrte sich in den ungetreuen. Rot von Haaren und Bart, die weiße Haut überall fleckig, sein Ansehen gleißend, so schildert ihn jetzt die Sage. Um die erlittene Beleidigung zu rächen, rät er dem Kaiser, unter dem trügerischen Schein unbedingter Ergebenheit, zum Verderben seines Hauses. Seine ersten untreuen Ratschläge betreffen Ermenrichs eigene Söhne, die, von Sibich verleumdet, auf des Kaisers Befehl eines gewaltsamen Todes sterben. Gegen Dietrich von Bern ist sein letzter Ratschlag gerichtet, und so wird dessen Flucht zu den Hunnen, wo er bei Etzel mit den Nibelungen zusammentrifft, herbeigeführt. In der Mitte zwischen diesen beiden falschen Räten, die uns hier nicht weiter betreffen, liegt nun der gegen die der Pflege Eckarts befohlenen, in Breisach wohnenden Härtungen, welche Sibich frecher Anschläge gegen die Ehre der Kaiserin zu verdächtigen weiß. Sie fallen, obwohl gewarnt, als das Opfer arglosen Leichtsinns, vielleicht auch ihrer ungezügelten Begierden. Ermenrich gibt nun den Breisgau Wittich (dem Sohn Wielands des Schmieds), der, einer der Helden Dietrichs von Bern, diesem dadurch entfremdet wird. Man sieht aus diesen flüchtigen Umrissen, daß Tiecks Romanzen von dem getreuen Eckart mehr auf willkürlicher Erfindung als auf der echten Sage beruhen.

      Die Vermutung, daß der Kaiserstuhl an Kaiser Ermenrich mahne, läßt sich, da die Entstehung des Namens durchaus unbekannt ist, nicht abweisen. Vielleicht gewinnt sie aber durch das Folgende größere Wahrscheinlichkeit:

      Daß gerade der Breisgau in allen unseren Quellen so übereinstimmend als die Heimat Eckarts, als das Erbe der Harlungen bezeichnet wird, dafür hat man sich bis jetzt vergeblich nach historischen Gründen umgesehen. Mone erkannte zwar richtig den Zusammenhang des Namens der Harlungen mit dem des untergegangenen gotischen Herulervolks, allein bis jetzt hat es sich nicht nachweisen lassen, daß dieses je an dem alemannischen Oberrhein gewohnt hätte. Wir müssen also andere genügende Anlässe suchen, und diese liegen uns in dem geschichtlichen Verhältnis des breisgauischen Fürstenhauses, der Zähringer, zu dem ostgotischen Verona, das in den deutschen Liedern bekanntlich Bern heißt.

      Die Zähringer, die ihr Geschlecht von den Etichonen, den ältesten alemannischen Herzögen, leiteten, erhoben schon früh Ansprüche auf das Herzogtum Schwaben. Wirklich erteilte Kaiser Heinrich III. dem ersten der zähringischen Bertholde die Anwartschaft auf dasselbe. Weil aber Rudolf von Rheinfelden des Kaisers Tochter Mathilde entführt hatte, so glaubte die Kaiserin den Fehltritt ihres Kindes wenigstens mit einem Herzogsmantel bedecken zu müssen, und so erhielt Rudolf das Herzogtum Schwaben, Berthold aber wurde durch Kärnten und die Markgrafschaft Verona entschädigt. Von Kärnten (lateinisch Carintia, auch wohl Caerintia?) nannte sich dieser, obgleich es nicht lange bei seinem Haus blieb, einen Herzog von Zähringen, welcher Name auch dem Stammschloß beigelegt wurde, das sich die Bertholde unweit Freiburg erbauten. Von Verona aber führten sie den markgräflichen Titel, der auf die Markgrafen von Baden überging. Noch heute zeugt der edle Markgräfler bei Badenweiler von diesen vergessenen Verhältnissen. Man weiß ferner, daß die großdenkenden Zähringer, die lieber über freie Männer als über knechtisches Gesindel herrschten, nicht nur Freiburg im Breisgau mit seinem herrlichen Münster auf ihrem Allodium gründeten, sondern auch als Verweser des alten burgundischen Königreichs in der heutigen Schweiz ein anderes Freiburg und unweit desselben ein anderes Verona, das heutige Bern, erbauten. Grund genug für den Volksgesang,

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