Der Rhein: Das malerische und romantische Rheinland. Karl Simrock
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Schaffhausen selbst ist als Geburtsstadt Johannes von Müllers berühmt. In seinem Münster hängt die große, 1486 gegossene Glocke, welche die aus Schillers Gedicht berühmte Umschrift führt:: »Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango.« Was der sogenannte große Gott von Schaffhausen, der nach dem rheinischen Antiquarius 22 Fuß lang war, eigentlich für ein Heiliger gewesen ist, wird vielleicht noch auszumitteln sein. Der gleich benannte Schweizer Kanton, der einzige, der nach Graubünden noch auf der rechten Rheinseite liegt, bildet gleichsam den Brückenkopf zwischen Deutschland und der Schweiz. Um so weniger dürfen wir die merkwürdige Brücke vergessen, welche ehemals die Stadt mit dem jenseits liegenden Züricher Flecken Feuerthalen verband. Diese Brücke, meldet Eichhof, war zwar nur aus Holz, aber ein Meisterstück in ihrer Art, ein Hängewerk, das, außer an den Ufern, nur auf einem einzigen Pfeiler ruhte oder vielmehr auch auf diesem nicht einmal ruhte, wenigstens ist darüber gestritten worden. Man behauptet nämlich, des Künstlers Plan wäre gewesen, nur einen einzigen Bogen über den Fluß zu legen; da er aber von der Stadtobrigkeit angewiesen worden war, sich jenes von einer ehemaligen steinernen Brücke noch vorhandenen Pfeilers zu bedienen, so hätte er zum Schein dem Befehl sich gefügt, aber seine Baueinrichtungen auf eine Art gemacht, daß in der Tat gleichwohl kein Teil durch denselben getragen worden sei. Dieser Künstler war nur ein gewöhnlicher Zimmermann von Tuffen im Kanton Appenzell, Hans Ulrich Grubenmann mit Namen, und man muß gestehen, daß in dieser Hinsicht, auch angenommen, daß durch den gedachten Pfeiler wirklich zwei Bogen entstanden wären, die Brücke dennoch Bewunderung verdient hätte, denn immerhin wären, da diese in ihrer Ausdehnung 364 englische Fuß betrug, auf die Öffnungen der beiden Bögen folgende Maße gekommen: auf die des größten 193 und auf die des kleinsten 171 Fuß. Ein einzelner Fußgänger, der über dieselbe hinschritt, fühlte das Gerippe unter seinen Füßen zittern, und dennoch trug sie schwerbeladene Lastwagen wie jede andere. Ihr Bau, der von 1754 an in drei Jahren vollendet wurde, hatte über 60 000 Reichstaler gekostet; ein einziger Tag vernichtete sie, da sie in dem Krieg zwischen Österreich und Frankreich zu Anfang dieses Jahrhunderts bei einem Rückzug der Franzosen in Brand gesteckt wurde.
Die mündliche Sage behauptet, die alten Alemannen hätten am Rheinfall Pferdeopfer dargebracht. Wem könnten diese gegolten haben als dem Stromgott, der sich hier gewaltiger als irgendwo zeigt? Auch ein Volkslied, das am ganzen Rhein, von den Quellen bis zur Mündung, gesungen wird, spielt in dieser Gegend. Einzelne Strophen desselben haben sich nur in niederländischen Mundarten erhalten. Erfreut, die Einförmigkeit des prosaischen Vortrags mit diesem schönen Lied unterbrechen zu können, teilen wir es hier so vollständig mit, wie es sonst nirgends gefunden wird.
Der Zimmergesell
Es war einmal ein Zimmergesell,
War gar ein jung-frisch Blut;
Er baute dem jungen Markgraf ein Haus,
Sechshundert Schauläden hinaus.
Und als das Haus gebauet war,
Legt’ er sich nieder und schlief:
Da kam des jungen Markgrafen Weib
Zum zweiten-und drittenmal, rief:
»Steh auf, steh auf, junger Zimmergesell,
Denn es ist an der Stund,
Hast du so wohl ja gebauet das Haus,
So küß mich auf den Mund.«
»Ach nein, ach nein, Markgräfin fein,
Das war’ uns beiden ein’ Schand,
Und wenn es der junge Markgraf erführ’,
Müßt’ ich wohl meiden das Land.«
Und als sie beide zusammen warn,
Sie meinten sie wären allein,
Da schlich wohl das älteste Kammerweib her,
Zum Schlüsselloch schaut sie hinein.
»Ach, edler Herr, ach, edler Herr,
Groß Wunder, zu dieser Stund,
Da küßt der jung-frische Zimmergesell
Die Frau Markgräfin auf den Mund.«
»Und hat er geküßt meine schöne Frau,
Des Todes muß er sein;
Einen Galgen soll er sich selber baun
Zu Schaffhausen drauß’ an dem Rhein.«
Und als der Galgen gebauet war,
Sechshundert Schauläden hinaus,
Von lauter Silber und Edelgestein
Steckt er drauf einen Strauß.
Und als die Frau Markgräfin das vernahm,
Ihrem Knappen rief sie schnell:
»Mein Pferdchen sollst du mir satteln bald
Um den jung-frischen Zimmergesell.«
»Ihr Herren, säht ihr alleine
Die junge Frau Markgräfin stehn,
Würdet ihr sie halsen und küssen
Oder würdet den Kuß verschmähn?«
Sie sprachen: »Bot’ sich zum Kusse
Die junge Frau Markgräfin an,
Wir wollten sie halsen und küssen
Und wollten sie freundlich umfahn.«
»Wollt ihr sie halsen und küssen
Und wolltet sie freundlich umfahn,
So hat auch der jung-frische Zimmergesell
So Arges nicht getan.«
Da sprach der Markgraf selber wohl:
»Wir wollen ihn leben lahn;
Ist keiner doch unter uns allen hier,
Der dies nicht hätte getan.«
Was zog er aus der Taschen?
Wohl hundert Goldkronen so rot:
»Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus,
Du findest wohl überall Brot.«
Und als er hinausgezogen war,
Da ging er über die Heid,
Da steht wohl des jungen Markgrafen Weib
In ihrem schneeweißen Kleid.
Was zog sie aus der Taschen gar schnell?
Vielhundert Dukaten von Gold: