Wo heute predigen?. Группа авторов

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die Redemptoristen durch das Wirken des hl. Klemens Maria Hofbauer (1751–1820) nördlich der Alpen Fuß gefasst hatten, begannen sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch dort Volksmissionen zu halten.4 An manchen Orten wurden diese zu ungewöhnlich großen Veranstaltungen, zu denen eine unvorstellbar große Zahl von Menschen zusammenströmte.5

      Im deutschsprachigen Raum haben sich die Volksmissionen gehalten, solange die Kirche volkskirchlich verfasst war, also etwa bis zum Vatikanum II. Vom Kirchenrecht waren sie im Rhythmus von zehn Jahren für alle Pfarrgemeinden vorgeschrieben (vgl. CIC/1917 cc 1349). Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Volksmissionen sehr gefragt. Man begann aber schon vor dem Zweiten Vatikanum nach einer Erneuerung dieser Form der außerordentlichen Seelsorge Ausschau zu halten.6 Die Predigten erfuhren z.B. in dieser Zeit eine stärkere christologische Ausrichtung. Von Frankreich ausgehend verfolgte man auch die Idee von Milieumissionen. Man wollte damit eine stärkere Nachhaltigkeit erreichen. Milieu wurde damals aber noch nicht in dem Sinn verstanden, wie der Begriff gegenwärtig im Zusammenhang mit den Milieustudien gebraucht wird. Man beobachtete mit Sorge, dass infolge der Industrialisierung das Leben in Städten und in Arbeiterwohngebieten immer weniger christlich und kirchlich geprägt war. Durch groß angelegte Gebietsmissionen wollte man ein katholisches Milieu wiederherstellen.

      Weitere Erneuerungsbemühungen gab es nach dem Zweiten Vatikanum. Es begann sich inspiriert von der neuen Gemeindetheologie eine stärkere Ausrichtung auf Gemeindebildung, bzw. Gemeindeerneuerung durchzusetzen. Die Gemeinde wurde als Trägerin der Mission und zugleich als Lebensraum, in dem Mission stattfand, verstanden. Die Bezeichnung Volksmission wurde durch „Gemeindemission“ oder „Gemeindeerneuerung“ ersetzt. Es bildete sich auch eine neue Rollenverteilung heraus. Während bisher Missionen nur von Priestern gehalten wurden, begannen nun Laien missionarische Initiativen mitzugestalten und mitzutragen. Missionare, die von außen in eine Gemeinde kamen, verstanden sich als Impulsgeber und Berater.

      Dieses erneuerte Konzept erlebt seit einigen Jahren neuerlich eine Krise, da die hohe Mobilität und neue Medien das gewohnte Beziehungsgefüge in unserer Gesellschaft tiefgreifend verändert haben und immer noch verändern. Zum gesellschaftlichen Wandel kamen in vielen Diözesen Reorganisationsmaßnahmen hinzu, die viele Kräfte binden. Damit werden missionarische Initiativen vor große Herausforderungen gestellt.

      2. Spezifische Merkmale der Missionspredigt der Redemptoristen

      Nicht zuletzt durch persönliche Erfahrung – als Kind habe ich 1958 in meiner Heimatgemeinde noch eine Volksmission im alten Stil erlebt und seit 1972 war ich selbst immer wieder an missionarischen Seelsorgeprojekten beteiligt – habe ich an der Missionspredigt Spezifika wahrgenommen, die mir nach wie vor bedenkenswert erscheinen.

      2.1. Existenzielles Betroffensein

      Missionspredigten unterscheiden sich von anderen Predigten darin, dass diese darauf abzielten, existenziell betroffen zu machen. Erreicht wurde Betroffenheit vor allem durch Erzählen von Selbst-Erlebtem, durch anschauliche exemplarische Beispiele, Parabeln, durch eine bilderreiche Sprache sowie durch Vergleiche und Metaphern.

      Es wäre schwer zu ertragen, wenn die Predigt jeden Sonntag so tief unter die Haut ginge, dass sich die Hörer_innen davon existenziell betroffen fühlten. Auch reicht der zeitliche Rahmen einer Predigt im Gemeindegottesdienst normalerweise nicht, um auf existenzielle Lebensfragen ausreichend Antwort zu geben, denn über kognitive Lösungsangebote hinaus braucht es Hilfen zur emotionalen Verarbeitung. Missionspredigten fanden daher in einem speziellen Setting statt. Sie dauerten für gewöhnlich auch länger als Predigten im normalen Gemeindegottesdienst. Als Regel galt: Eine Predigt darf lang dauern, wenn sie nicht langweilig ist.

      Nach Paulus kommt der Glaube vom Hören (Röm 10,17). In der Überlieferung der Synoptiker bedauert Jesus, dass Menschen hören und doch nicht hören (vgl. Mk 4,12 und Jes 6,9f), bzw. fordert er auf: „Wer Ohren hat zum Hören, der höre!“ (Mk 4,9). Hören wird hier offenbar als ein komplexerer Vorgang als das akustische Wahrnehmen und das kognitive Aufnehmen und Einordnen des Gesagten verstanden. Die Medien wissen darum und haben Strategien entwickelt, wie sie ihre Adressat_innen nicht nur auf der Verstandesebene erreichen, sondern möglichst tief ins Bewusstsein und auch ins Unbewusste eindringen. Die Missionspredigt versuchte mit den Mitteln der Rhetorik zu einem umfassenden Hören zu führen. Das war aber immer auch eine Gratwanderung des guten Geschmacks.

      2.2. Grundthemen des Lebens und Glaubens

      Um die existenziellen Fragen der Hörerinnen und Hörer anzusprechen, spielt die Auswahl der Themen eine besondere Rolle. Tief in die Erinnerung vieler älterer Katholik_innen hat sich die Höllenpredigt als Markenzeichen der Volksmission eingeprägt. Diese gehört zwar schon lange nicht mehr zum Missionsrepertoire, das „respice finem“ klingt aber nach wie vor in vielen Themen an. Wichtige Themenbereiche waren die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Gottesbild und der persönlichen Gottesbeziehung, Jesus Christus als Erlöser, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben hingegeben hat, Tod und Auferstehung, die Notwendigkeit der Umkehr und der Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen, sowie Fragen einer christlichen Lebenspraxis und Spiritualität: Gebet, Wort Gottes, Eucharistie, Gemeinde u. a. m. Nicht fehlen durfte in einer redemptoristischen Mission Maria als Vorbild christlichen Lebens und Glaubens.7

      Alfons M. von Liguori war in seiner persönlichen Lebensgeschichte vom Geheimnis der Liebe Gottes, das sich in Christus geoffenbart hat, so tief berührt, dass dieses Motiv zum Grundton seines Lebenswerkes wurde und er diese Ausrichtung auch von den Missionaren seiner Gemeinschaft einforderte.

      Nach Möglichkeit waren Missionspredigten in Feiern eingebettet: Feiern der Tauf- und Firmerneuerung, Buß- und Versöhnungsfeiern, Totengedenk- und Auferstehungsfeiern, eine Prozession oder Wallfahrt zu einem Marienbild oder Marienaltar… Stimmige und zugleich stimmungsvolle Feiern können Herz und Gemüt bewegen und zur persönlichen Auseinandersetzung mit existenziellen Lebensthemen hinführen. Feiern boten immer auch Anlass, verschiedene Gruppen in die Gestaltung einzubeziehen: Chöre, Musikkapellen oder Ensembles, Traditionsgruppen, Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Erste Hilfe – alles, was eine Gemeinde aufbieten konnte.

      2.3. Katechetische Elemente

      Die Missionspredigt enthielt meist auch katechetische Elemente. Ursprünglich orientierte sich die Themenreihe einer Mission an den großen theologischen Traktaten und die Prediger waren angehalten, die Predigt so aufzubauen, dass sie das ganze Thema abdeckt. „Eine gute Missionspredigt erschöpft das Thema, den Prediger und die Hörer“ hieß es scherzhaft. Der Aufbau einer Predigt war so gestaltet, dass er einen systematisch-inhaltlichen Leitfaden zum jeweiligen Thema anbot, den sich die Hörer_innen einprägen konnten. Immer wieder traf ich Menschen, die von früheren Missionen die einzelnen Predigtpunkte so tief in Erinnerung hatten, dass sie diese nach Jahrzehnten noch aufzählen konnten.

      Neben den Missionspredigten gab es auch sog. Standeslehren für Männer, Frauen, Burschen, Mädchen und Kinder. Diese boten Gelegenheit, auf moralische Fragen, die diese Menschengruppe besonders betrafen, einzugehen. Gleichzeitig dienten sie der Vorbereitung auf die persönliche Beichte. Im Laufe der Zeit mutierten die Standeslehren zu Angeboten für bestimmte Zielgruppen: Senior_innen, Erwachsene, Jugendliche und Kinder, Eheleute, Alleinstehende oder auch Geschiedene und Wiederverheiratete. Auf diese Weise wollte man auf zielgruppenspezifische Interessen und auf Fragen der christlichen Lebensgestaltung konkreter eingehen.

      2.4. Die Gemeinde als Ort der Missionspredigt

      Mission und Umkehr brauchen einen Raum, in dem sie stattfinden können. Paulus ging in Athen auf den Areopag und holte sich dort eine Abfuhr. Normalerweise hielt er, wenn er in eine Stadt kam, Ausschau nach einer Synagoge, in der Juden zusammenkamen und Gottesdienst feierten. Die Predigten der Apostelgeschichte beginnen meist mit dem Nacherzählen der Heilsgeschichte und erzählen diese dann um. Dies setzt einen gemeinsamen Verstehenshorizont

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