Wo heute predigen?. Группа авторов

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      4) Als Firmspender hat man auch die Rolle des Verkündigers inne. Man tritt als Repräsentant der Kirche und der mit ihr verbundenen christlichen Botschaft in Erscheinung. In diesem Fall gilt das Gesetz des guten Designs: form follows function. Der Sockel dessen, was man verkündet, ist wie man verkündet. Und dieses „Wie“ wird durch die Konfiguration grundgelegt. Nimmt der Verkündiger mit mir wirklich Kontakt auf? Habe ich mit meiner Lebensbiographie Platz in der Liturgie oder muss ich mich „verbiegen“? Blitzt meine Lebenssituation auf? In welcher Form appelliert er? Spricht er von oben herab oder werde ich als Kommunikationspartner auf gleicher Augenhöhe angesprochen? Diese Form von „Begleitmusik“ eröffnet den kerygmatischen Kommunikationsraum, in den das Was der Botschaft eingebettet wird.

      5) Schließlich taucht die Rolle des Mystagogen auf. Der minimale Ansatzpunkt für Mystagogie ist das Berührtsein. So kann ich z.B. in der Predigt den Bogen spannen: „Die Firmung erfolgt in drei Schritten: Die Erneuerung des Taufversprechens, das Gebet um den Heiligen Geist und schließlich die Besiegelung durch die Salbung. Denken Sie, liebe Eltern, an den Tag der Taufe zurück, als Sie ihr Kind damals zur Kirche getragen haben. Jetzt ist es bereits auf dem Weg, erwachsen zu werden, und hat begonnen eigene Entscheidungen zu fällen. Und ihr, liebe Firmlinge, fällt nun, mit der Hilfe des Heiligen Geistes, eine der großen Lebensentscheidungen. Ihr sagt Ja zu dem Glauben, in den euch die Eltern hineingestellt haben.“ In dieser Sequenz werden einerseits die Eltern berührt, weil Erinnerungen an die Taufe des Kindes wachgerufen werden. Andererseits werden die Firmlinge mit ihrer Lebenssituation berührt, da sie tatsächlich bereits begonnen haben, Entscheidungen für ihr Leben zu fällen, z.B. welche Ausbildung sie weiter verfolgen werden oder wer ihre (exklusiven) Freunde und Freundinnen sind. Dieses Angebot von Deutung der berührten Situation kann noch einmal mit einer kurzen Bemerkung vor der Salbung zugespitzt werden: „Jetzt erfolgt eure Entscheidung. Euer Ja begegnet dem Ja Gottes. Seine Treue wird euch tragen.“ Diese Berührung kann dann tatsächlich im „Großleib“ der Feiergemeinde spürbar werden und transfigurativen Charakter annehmen. Ein Indikator dafür sind Momente der erfüllten Stille.

      Die leere Stille wird als Unterbrechung oder Störung im Fluss der Liturgie wahrgenommen und produziert Irritation oder Langeweile. Erfüllte Stille hingegen durchspannt den ganzen Kommunikationsraum durch positiv gestimmte Betroffenheit und die Haltung des Gebets (wie immer das bei den einzelnen Teilnehmer_innen auch aussieht). Ein weiterer Indikator dafür ist: Bleibt dieser „Großleib“ über den Verlauf der Liturgie bestehen oder zerfällt er? Kurze mystagogische Angebote können den Verbleib im Gesamt der Feier stimulieren: „Legen Sie mit den Gaben, die zum Altar gebracht werden, Ihre Sorgen, Ihre Familie mit auf den Altar.“

      Ein wesentlicher Aspekt der Konfiguration besteht darin, in der Rolle des Vorstehers für die „Atemzüge“ des Großleibs Verantwortung zu tragen. Eine flache Atmung weist auf Stress hin, heftiges Ein- und Ausatmen auf hohes Tempo. Stimmungen beeinflussen die Atmung. Der wichtigste Ansatzpunkt für die gelungene „Atmung“ oder die Gestimmtheit der Feiergemeinde besteht darin, Sicherheit zu geben. Die Angst, Fehler zu machen und vor anderen dann dumm da zu stehen, reduziert eine gelungene Teilnahme an der Feier. Deshalb ist die Begegnung mit den Firmlingen und Pat_innen kurz vor der Feier besonders wichtig. Sie dient der Kontaktaufnahme und dem Vermitteln der Devise des Tages: „Es wird alles gut gehen! Und wenn etwas passiert, dann lächeln wir und machen weiter. Keine Sorge! Ich sage immer wieder an (Rolle des Moderators), was geschehen wird. Wer von euch betet die Kyrierufe? Aha, ihr seid es! Ich rufe euch dann heraus. Lasst euch Zeit und betet sie wirklich.“ In der Kirche tut es den Angehörigen gut, ebenfalls die gute Nachricht zu hören, dass alles gut gehen wird und diese Feier keine Militärparade sein wird.

      Das Zusammenspiel von drei Gestimmtheiten

      Die vermittelte Sicherheit bietet den Sockel für drei Formen von Gestimmtheiten: Konzentration, Sammlung, Entspannung. Diese haben jeweils antagonistische Faktoren, von denen einige thematisiert werden:

      1) Konzentration bedeutet Fokussierung, das Scharfstellen des Denkens auf Themen oder Personen. In diesem Fall ist die homiletische Kompetenz des Firmspenders gefragt. Wenn in der Predigt z.B. ein Ausschnitt aus einem der Briefe der Firmlinge vorgelesen wird (ohne Nennung des Namens), steigt die Aufmerksamkeit rapide an. Wenn die Predigt darauf Bezug nimmt, dass die Firmlinge häufig in der Lebensphase sind, in der die Eltern schwierig werden, ist zumindest ein Schmunzeln garantiert und das Thema Jugendliche/Eltern präsent gemacht. Der Antagonist der Konzentration ist z.B. der „Kirchenslang“, in dem unvermittelt von „Gnade“ gesprochen wird, ohne dass dabei ein Erfahrungsraum aufgetan wird. Kirchliche Worthülsen werden zumeist von den Mitfeiernden erwartet, steigern allerdings die Gefahr der geistigen Zerstreuung, die auch ihm Großleib spürbar wird. Der Hüstelfaktor steigt an.

      2) Die Sammlung ist mit der Konzentration verwandt, aber nicht mit ihr gleichzusetzen. Wer sich sammelt, tritt mit sich selbst in Kontakt, sammelt sich „ein“ und wird gegenwärtig. Die Sammlung einzelner Personen unterstützt die Bildung des „Großleibs“. Musik, Gesang und eine sich ausbreitende freudige Stimmung sind wesentliche Faktoren des Sich-Einsammelns. Die Einladung zum Gebet: „Lasset uns beten“ und die darauf folgende erfüllte Stille ist ein Indikator dafür, dass kollektive Sammlung eingetreten ist. Es entstehen Phasen der Andacht, welche zur Erfahrung der Transfiguration hinführen. Ein antagonistischer Faktor ist z.B. das heruntergeleierte Gebet, das ohne Kontakt mit den Mitfeiernden dem lieben Gott aufgesagt wird. Hier ist der Vorsteher in der Pflicht, die Orationen wirklich zu beten und zwar als Zusammenfassung des Gebets der Versammelten.

      3) Die Entspannung ist ein wesentlicher Faktor der gemeinsamen Atemzüge des Großleibs. Es ist unmöglich, über zwei Stunden konzentriert und gesammelt zu sein. Im Ablauf der Firmung gibt es zwei große Momente der Entspannung: Nach der Salbung wird den Neugefirmten ein Applaus gegeben, der zumeist sehr kräftig ausfällt. Sie haben es „geschafft“. Nach dem Hochgebet und dem Vaterunser hilft beim Friedensgruß „Gebt einander ein Zeichen dieses Friedens“ der Zusatz „Es darf nun auch gemurmelt werden“ wiederum dazu, eine kurze Phase der Entspannung einzuleiten, die eine gesammelte Atmosphäre bei der Kommunion unterstützt. Einer der antagonistischen Faktoren ist die durchgehende „Gewichtigkeit“ des gesamten Gottesdienstes, der zum berühmt-berüchtigten liturgischen „Strudelteig“ wird, der die Stimmung von Mühsamkeit und Ermattung verbreitet. Das heimliche Stöhnen von „hoffentlich ist es bald aus“ durchzieht den Großleib. Kleine humorvolle Bemerkungen zwischendurch bringen Funken der Leichtigkeit in die Feier.

      Das Zusammenspiel aller drei Faktoren ermöglicht, dass form follows function erlebt wird. Das Evangelium, das sich in den Atemzügen der liturgischen Feier inkarniert (function), kennt Lachen aber auch den heiligen Ernst. In seiner Gewichtigkeit bietet es aber auch gewisse Leichtigkeit (form). Aber alles hat seine Zeit, denn nicht alles ist gleichzeitig möglich.

      3. Zur Predigt in der Firmung

      Die Personen, die zur Firmung zusammenkommen, entstammen den unterschiedlichen Milieus der gegenwärtigen Gesellschaft. Von den traditionell geprägten (Ordnung und Pflichterfüllung), über die modernen (Selbstverwirklichung und Individualisierung), schließlich zu denen, die der Multi-Optionalität, Experimentierfreude und dem Selbstmanagement zuneigen. Das „postmodernste“ Milieu sind z.B. die Digitalen Individualisten. Sie „definieren das eigene Leben als individuelle Erfahrungs-, Erkenntnis- und Sinnschöpfungsreise. Spontaneität und Lust auf Selbsterfahrung münden in ein Lebensgefühl, das nicht auf Konventionen baut und ohne anerkannte Statussymbole auskommt […]. Vor allem junge Menschen gehören diesem Milieu an“ .5 Das bedeutet nicht, dass alle Firmlinge diesem Milieu angehören, aber es zeigt den Zug der Zeit an. Ich will/muss selbst „meine“ Welt zusammenhalten und konzipieren und lasse das „man macht“ hinter mir. Die Milieu-Gemengelage eines Firmgottesdienstes ist damit auch eine missionarische Situation, in der die Mission Christi, die man im Begriff des Evangeliums zusammenfassen kann, im Modus des form follows function womöglich erlebbar gemacht wird. Das,

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