Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges. Группа авторов

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Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges - Группа авторов Erfurter Theologische Schriften

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Vaterlandsliebe für sich allein in Anspruch nehmen und jeden Mitbürger als Reichsfeind verschreien, der nicht in ihren Hurrapatriotismus einstimmt“. Sie hielten stattdessen „die goldene Mitte […] zwischen jener Richtung, die einseitig und übertrieben alles nur vom nationalen Gesichtspunkt betrachtet und jener anderen Richtung, die von keinem engeren Vaterlande etwas wissen will“52. Und schließlich gab es auch eine dezidiert katholische Kritik am Nationalismus. So, wenn der Jesuit Stanislaus von Dunin-Borkowski (1864–1934) vor der nationalen „Vergewaltigung“ der Religion warnte und prophezeite:

      „Die Phrasen der nationalistischen Schreier werden im Kanonendonner verstummen. Das ist ihr wohlverdientes Schicksal. […] was aber leider bleiben wird, das ist das Unglück der Reiche, denen die Staatsmänner einen nationalistischen Kurs gaben, die religiöse Not der Völker, die jetzt Nationalismus und Religion zum Bund zwingen wollten. Was bleiben wird als Denkmal ewiger Schande, das ist das unselige Schlagwort ‚Krieg und Katholizismus‘ im Sinne jener, die es nicht als Sammelwort der Liebe und Versöhnung, sondern als Kampfwort der Zwietracht und des Hasses erfunden haben. Daß sie die Weltkirche in die Glut der Leidenschaften zerren wollten, ist ein Frevel an der Religion und der Kultur“53.

       Sicherheit, Freiheit, Schutz fürs Vaterland – der „gerechte Krieg“

      Klar ist, dass durch die „gefühlte“ – propagandistisch zur Realität erhobene – Bedrohung von außen ein qualitativ neues Einheitsbewusstsein vom „deutschen Vaterland“ entstand. Das Bestreben, die Heimat vor dem Einfall feindlicher Armeen zu schützen und seinen Bestand zu wahren, war nicht konfessionsspezifisch, aber der Topos wurde auch von den Katholiken rezipiert. So hieß es etwa in einem Presseartikel:

      „Vier Jahrzehnte lang hat Deutschland sich in eine arge Unsicherheit gefügt. Wir waren fortwährend bedroht von links und rechts […]. Der Krieg soll uns die Sicherheit bringen, die wir in den verflossenen Jahrzehnten des sog. Friedens so sehr vermisst haben“54.

      Das hier angeführte Motiv wurde nun aber nicht nur aufgegriffen, sondern auch theologisch weitergeführt und legitimiert durch die alte „Lehre vom gerechten Krieg“55. In der katholischen Moraltheologie galt der Krieg als zulässiges Mittel zur Wiederherstellung des Rechts, mitunter gar als sozialethische Pflicht. So sagte etwa der Münsteraner Moraltheologe Joseph Mausbach (1861–1931) in einer Rede am 22. September 1914:

      „Der einzelne Mensch darf zur Notwehr schreiten, um sich und andere vor Mordlust zu schützen. Der Staat darf zu den Waffen greifen, wenn die höchsten nationalen Güter dies fordern, wenn es gilt, für den Sieg der Gerechtigkeit und Vollkommenheit zu streiten. Denn das ist das höchste Ideal des Christentums, und in diesem Siege der gerechten Sache liegt die wahrste und tiefste Rechtfertigung des Krieges“56.

      Das war nun ganz naturrechtlich argumentiert. Der Staat hatte die Pflicht, Bedingungen herbeizuführen, die die zeitliche Wohlfahrt des einzelnen und der im Staate enthaltenen Familien und Berufsklassen nach allen Seiten hin fördern57. Zentral für Mausbachs Argumentation war das Augustinuswort „Pacem habere debet voluntas, bellum necessitas“, das er – bezeichnend – folgendermaßen übersetzte: „Der Friede ist ein Gut an sich, das wir erstreben müssen, der Krieg ist ein furchtbares Übel, das die Not uns aufzwingt“. Der gegenwärtige Krieg ist deshalb ein gerechter, weil Deutschland dem Ideal des Friedens lange mit ehrlichem Willen gedient hat, bis der Krieg zur Notwendigkeit wurde. Die Argumentation Mausbachs funktioniert allerdings nicht mehr angesichts des Einmarsches in Belgien, weshalb er auch in eine allgemeine Propagandaterminologie abgleitet58.

      Die Lehre vom gerechten Krieg passte sehr gut zu der von der Reichsregierung vorgegebenen Formel vom aufgezwungenen Krieg und zu der vom Kaiser nach Bekanntwerden der russischen Mobilmachung am 31. Juli gebrauchten Wendung, Deutschland werde zur „gerechten Verteidigung“ gezwungen: „Man drückt uns das Schwert in die Hand“59. Mitunter wurde der Krieg nicht nur als „gerecht“60, sondern sogar als „heilig in seinem Zwecke“ bezeichnet, insofern „wir nichts anderes erstreben, als die Freiheit und Sicherheit des Vaterlandes, einen dauerhaften Frieden für die Welt, bei dem nicht bloß die menschliche Kultur, sondern auch das Reich Gottes blühen und gedeihen kann“61. Die Kurzformel lautete:

      „Unser Kampf ist ein heiliger, ein gerechter Kampf für geheiligtes Recht, für geheiligte Ordnung. Es gilt die Verteidigung des Vaterlandes, die Verteidigung unserer Güter. Es gilt die Sicherung der eigenen Grenzen. Fürwahr, das ist ein heiliger Kampf um Gottes willen“62.

      Allerdings wurden in der katholischen Publizistik durchaus auch die Bedingungen und Grenzen des „gerechten Krieges“ benannt, nämlich: „Wenn also diplomatische Verhandlungen, Repressalien, Vermittlung, Warenboykott und dergleichen Mittel genügen, um dem Staate zu seinem Rechte zu verhelfen, so darf nicht zum Kriege gegriffen werden, der doch immer das größere Übel bleibt“63. So etwa Ende Oktober 1914 im Fuldaer Bonifatiusboten. Damals stand angesichts dessen, was in Belgien geschehen war (Krieg gegen die Zivilbevölkerung, Politik der Verbrannten Erde, Zerstörung Löwens, die Verteidigung Deutschlands auf fremdem Territorium), die Anwendung der Lehre vom gerechten Krieg unter einem massiven Rechtfertigungsdruck64.

       Nationale Vereinnahmung Gottes – religiös begründet

      Eng mit der Frage nach dem gerechten Krieg verbunden war die Frage nach dem Standort Gottes. Er musste auf der Seite der Gerechten stehen. Auch die nationale Vereinnahmung Gottes war kein konfessionsspezifisches Argumentationsmuster, wurde aber von katholischer Seite übernommen. Denn es bot die Möglichkeit, den offenen Zwiespalt zwischen Katholizismus und Nationalismus zu überwinden.

      Mitunter wurde aus dem Krieg ein im Namen Gottes geführter Krieg. So predigte der Maria Laacher Prior 1914:

      „Den Krieg selber, insofern in ihm materielle Gewalten und Massen aufeinanderstoßen und durch eine mehr oder minder physische Kraftprobe die Entscheidung in einem an und für sich doch geistigen Rechtsstreit herbeiführen – den Krieg, so verstanden, nimmt die Kirche als eine gegebene Tatsache hin, die in der notwendigen Unvollkommenheit aller irdischen Institutionen, zu großen Teil aber auch in der mangelhaften Erfassung des christlichen Ideals begründet ist. Sieht man aber von der so traurigen materiellen Seite des Krieges ab und faßt man ihn von der ethischen Seite, insofern er nun einmal doch von den kämpfenden Parteien als das Ringen zwischen Recht und Unrecht aufgefaßt wird, dann ist der aus dem Willen zum Recht unternommene Defensiv- und Offensivkrieg für die Kirche nichts anderes als ein im Namen Gottes geführter Kampf. Jeder Krieg steht sogar in einem geheimnisvollen Zusammenhange mit dem blutigen Drama auf Golgotha. Er ist eine Fortsetzung, er ist tatsächlich ein Stück des Kampfes, den unser Erlöser geführt hat. Wie Christus seinen Sieg mit seinem Blute erkauft hat, so ist es auch heute nicht selten denen, die auf Christi Seite stehen, beschieden, ihr Recht mit dem Blute zu erkaufen“65.

      Die nationale Vereinnahmung Gottes im Sinne der Bitte um Gottes Hilfe in der kriegerischen Auseinandersetzung ist freilich eine Sache, die heilsgeschichtliche Deutung von Kriegsglück aber eine andere.

      Ich führe hier nur eine derart legitimierende Stimme an: Im September 1914 hieß es in der Fuldaer Zeitung: „Der Allmächtige hat unsere Truppen von Sieg zu Sieg geführt, all unseren Feinden hat er offenbar gemacht, daß er mit der gerechten Sache ist und mit dem Volk, das in Demut um seinen Schutz und Segen fleht“66. – Im Umkehrschluss hätte dieses Argumentationsmuster, spätestens 1918, bedeutet: die deutsche Sache war eben doch nicht die gerechte Sache und schon gar nicht die Sache Gottes, denn der Sieg war auf Seiten des Gegners.

      Dieser logische Rückschluss wurde freilich nicht gezogen. Stattdessen finden sich selbst noch im Juli 1918 Spuren desselben Musters, wenn sie auch nicht mehr ganz so vollmundig klingen: Gottes Wille habe zumindest den Krieg „vom Boden unseres

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