Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges. Группа авторов

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Theologie im Kontext des Ersten Weltkrieges - Группа авторов Erfurter Theologische Schriften

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klinge110. Demgegenüber sei es jedoch Aufgabe der Kriegspredigt, die erschütternden Erfahrungen des Krieges „mit den Wahrheiten und dem sittlichen Pflichtenkreis des katholischen Glaubens in die richtige Verbindung“ zu bringen. Denn der Krieg „schleudere“ jedem denkenden Menschen „die ernstesten Zweifel an der Leitung der Menschheitsgeschichte durch die göttliche Vorsehung, an der Vatergüte Gottes, ja an dem Dasein eines persönlichen Gottes selbst“ in die erschütterte Seele111. Scharf wendet sich Baur gegen eine Kriegspredigt, die von (noch so edlen) Stimmungen, von Sympathie und Antipathie, von Affekten und Leidenschaften ausgeht. Im Zentrum habe vielmehr – neben seelsorgerlicher Weisheit – die theologische Kenntnis zu stehen.

      Und diese setze vor allem voraus, „daß der Prediger selbst innerlich mit dem Problem des Krieges als einer in Gottes Vorsehung und Leitung des Menschengeschlechts liegenden furchtbaren Tatsache fertig geworden sei und seine Stellung fest und bestimmt an den Grundsätzen des katholischen Dogmas und der katholischen Moral über den Krieg, seine Berechtigung, die Grenzen seiner Berechtigung orientiere“112.

      In einem ersten Punkt geht es dem Theologen um die Rechtsbegründung des Krieges, die doppelt erfolgen kann: naturrechtlich und ethisch. Nach Baur hält die katholische Lehre „die weise Mitte zwischen einer Apotheose des Krieges einerseits und einer idealistischen völligen Ablehnung anderseits“113. Zurückgewiesen werden „Lobredner“ des Krieges, aber auch Vorstellungen, die den Krieg als Kulturschöpfer (wie Nietzsche), als Quelle einer sittlichen (wie der Sozialist Proudhon) oder religiösen Wiedergeburt und Neugestaltung sehen; solches will Baur nur „mit kritischer Reserve und vorsichtig abwägender Einschränkung“ gelten lassen. Die Sicht des Krieges als „Gottesdienst“ weist er ebenso zurück114 wie die Rede vom „heiligen Krieg […], wie die mohammedanischen Mullachs tun“. Es genüge, vom „gerechten Krieg“ zu sprechen115. In gleicher Weise lehne die katholische Lehre aber auch die Vorstellung ab, „die den Krieg unter allen Umständen als absolut sittlich verwerflich, als Verbrechen und Sünde“ kennzeichnet116.

      Zur naturrechtlichen Begründung des Krieges zitiert Baur einen Satz des Kardinals János Kardinal Csernoch (1852–1927):

      „Wenn es Pflicht der Leiter des Staates ist, den Staat, die Gerechtigkeit, den Frieden und die Sicherheit der Bürger zu schützen, dann ist in Ermangelung anderer Mittel zuletzt der physische Zwang, der Kampf, die Verteidigung mit Waffengewalt die sittlich zulässige Art des Rechtsschutzes“117.

      Dieser naturrechtliche Grundsatz schließe einen „mit einem Rechtsbruch belasteten, vom Zaun gebrochenen Angriffskrieges aus bloßer Kampflust und Eroberungssucht“ aus. Allerdings hält Baur ein Schlupfloch offen, denn „nicht jede Form des Angriffskrieges dürfte verboten sein; denn es kann Kriege geben, welche zwar äußerlich die Form des Angriffskrieges haben, ihrem Sinn und Wesen nach aber bloße Verteidigungskriege sind“118. Also: der Krieg ist ein durch Notzwang herbeigeführtes Übel: „bellare non voluntatis sed necessitatis est“; „pacem habere debet voluntas, bellem necessitas“.

      Mit der naturrechtlichen Begründung des Krieges hängt seine ethische zusammen. Die Zielbestimmung des Krieges ist „die Erhaltung und Stärkung jenes sittlichen Gutes, des Vaterlandes, und die dauernde Herstellung, Verteidigung, Begründung des höchsten Staatszieles: des Friedens unter den Völkern und den Bürgern des Staates“119.

      Aus diesen Grundlagen ergibt sich für Baur eine Reihe von Folgerungen120 für die Kriegspredigt:

      – Es muss immer wieder deutlich gemacht werden, dass der Krieg nicht um seiner selbst willen geführt wird, sondern um der Gerechtigkeit und des Friedens willen.

      – Der Prediger darf nicht zum Lobredner des Krieges um jeden Preis werden.

      – Gleichwohl ist es gestattet, auf die guten sittlichen und sozialen Wirkungen zu verweisen, die der Krieg „in der Hand der Vorsehung haben kann und soll121, um ihn in rechter Weise zu ertragen und zur inneren Besserung zu nutzen.

      – Solch innere Nutzen aus der „Heimsuchung des Krieges“ können sein: Hingabe, Opferfreudigkeit, Geduld, Ausdauer, Vertrauen. Hier gibt es eine Nähe zum Opfergedanken, der in der katholischen Religion in besonderer Weise ausgeprägt ist – im Kreuzesopfer Christi, im Messopfer und in der Aufopferung des alltäglichen Lebens.

      – Die Kriegspredigt hat auch die Aufgabe der Kritik: Sie hat allem entgegenzutreten, was den künftigen Frieden erschwert oder verunmöglicht, allem unchristlichen Hass, allen Ungerechtigkeiten gegenüber den Feinden, allem „eigenen unwahren Vortrefflichkeitsdünkel“.

      – Recht oder Unrecht eines vorliegenden konkreten Kriegsfalles sollen nicht besprochen werden, weil dem einzelnen nicht alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen, um zu einem absolut zuverlässigen Urteil zu kommen.

      In einem zweiten Punkt geht es Baur um die offenkundigen und scheinbaren Widersprüche, um die Aporien des Krieges in theologischer Hinsicht. „Die großen Rätsel“ des Krieges müssen thematisiert werden, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen im Interesse der Apologetik, weil von atheistischer und monistischer, teilweise aber auch von christlicher Seite der Vorwurf erhoben wird, „daß in diesem Krieg das Christentum mit seinen Grundsätzen, mit seiner Lehre von der Liebe Fiasko gemacht habe gegenüber der Philosophie des Kampfes und der rücksichtslosen, durch keinerlei ethische Reflexionen und Rücksichten gebundenen Geltendmachung der Interessen und der Macht“122.

      Zum anderen – und das ist wichtiger –, weil die Widersprüche eine große Belastungsprobe für den Vorsehungsglauben und für den Christusglauben überhaupt darstellen. „Der Zwiespalt zwischen der Lehre Jesu von der Nächstenliebe und Feindesliebe einerseits und dem Kriege anderseits, zwischen dem Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ und der organisierten Tötung von Tausenden durch die raffiniertesten und grausamsten Mittel, zwischen der Lehre von der Vatergüte Gottes und der furchtbaren Menschheitsgeißel des Krieges ist auf den ersten Blick so groß, daß viele Seelen sich nicht ohne weiteres einen sie befriedigenden Ausweg aus diesem Gegensatz, den sie als unlösbaren Widerspruch empfinden, zu finden vermögen“123. Die Bergpredigt mit der Weisung, dem, der schlägt, auch noch die andere Wange hinzuhalten, passt nicht zu der befohlenen Pflicht, „Minen zu legen und Bomben zu werfen und durch ungeheure Schrecknisse Unzähliger Leben und Eigentum zu vernichten“124.

      Baur sieht eine Antwort im Hinweis auf die Erbschuld des Menschen; der Krieg wird bei ihm zum „großartigen Anschauungsmittel“ für die „furchtbare Macht dieses mysterium inquitatis“125, zur „lebensvollen Illustration der katholischen Erbsünden- und Gnadenlehre“126. Die Erbsünde schwächt den freien Willen des Menschen, der sich in eigener Verantwortung für oder gegen Gottes Gebot und die Ideale des Christentums entscheidet. Der Krieg zeige, wie sehr der Mensch in seinem Streben und Wirken im Naturhaften steckenbleibt, wie sehr der Einzel ne ebenso wie Nationen ihrer ungezügelten Leidenschaft verfallen, was geschieht, wenn der Mensch sich von Gott und seinen Geboten löst. In der Umkehrung könne gezeigt werden,

      „wie gerade die christliche Moral mit ihrer Lehre von der Liebe die Urquellen aller Feindseligkeiten und kriegerischen Verwicklungen im Herzen der Menschen verstopfen will durch die Forderungen von Liebe, Gerechtigkeit, Achtung des fremden Rechts, und wie auch dann, wenn die Durchführung dieser Lehre am freien Willen des Menschen scheitert, sie es eben ist, welche auch die wilden und harten Erfordernisse des Krieges noch durch einen Zug der Ritterlichkeit, der Güte, Barmherzigkeit und Versöhnung mildert“127.

      Neben dieser ethischen Seite erkennt Baur freilich auch das theologische Problem des Krieges, die Theodizee.

      „Wie verträgt sich die Tatsache des Krieges mit all seinem Weh und Greuel und Leid mit dem

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