Puzzeln mit Ananas. Pascale Gmür

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Puzzeln mit Ananas - Pascale Gmür

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die Klientin mit den Medikamenten problemlos zurechtkommt, für den Haushalt zwei hilfsbereite Nachbarinnen hat, die Spitex jedoch für die Körperpflege und das Lösen und Fixieren der Bandage benötigt. In dieser gut überschaubaren Situation entscheidet Ruth Meyer, die neue Klientin dem Pflegeteam zuzuteilen. Die nun folgenden, regelmässigen Einsätze können ohne Weiteres auch von Pflegehelferinnen oder Fachfrauen Gesundheit geleistet werden.

      Frau Tobler hingegen wird in den ersten zwei Wochen morgens und abends von den diplomierten Pflegefachfrauen des Übergangsteams besucht, da sich jederzeit etwas verändern könnte und weil sie wenige, vertraute Menschen um sich haben sollte. «Für Demenzbetroffene finde ich das besonders wichtig», sagt Ruth Meyer. «Bei meinen ersten Besuchen wirkte die Klientin stark dement und verwirrt. Frau Tobler behauptete, am Bodensee zu sein und hart arbeiten zu müssen. Sie war missmutig und klagte viel. Es war wohl der Ortswechsel, der ihr zu schaffen gemacht hatte und eine Krise auslöste. Nun ist sie entspannter.» Ruth Meyer parkt vor dem Einfamilienhaus und startet auf dem Tablet die Einsatzzeit für Frau Tobler. «Nicht klingeln, eintreten, sich bemerkbar machen!» ist unter ihrem Namen speziell vermerkt. Vorgesehen sind fünfzig Minuten für die in der Pflegeplanung aufgeführten Leistungen: Ganzkörperpflege, Kompressionsverband, Hilfe beim Gehen vom Bett zum Rollstuhl, Verabreichung der Medikamente inklusive Inhalationstherapie. Wird Ruth Meyer ständig auf die Uhr schauen, um sich an die vorgegebene Zeit für die Pflegeschritte zu halten? «Ein Stück weit habe ich die Zeit im Gefühl, das mir sagt, wann ich bei der nächsten Klientin sein sollte. Doch wenn ich mal länger brauche, ist es begründet. Mit dieser Einstellung beginne ich jeden Einsatz.» Sollte sie mehrere Minuten verspätet sein, gäbe sie telefonisch Bescheid am nächsten Ort.

      Anna Tobler liegt auf dem Rücken unter der Federdecke und hebt leicht den Kopf vom Kissen, als sie Ruth Meyers Stimme hört. «Ich bin schon lange wach. Die Sonne ist hinter der Haustüre, wo s’Liechtli brennt.» Im Zimmer ist die Schlafwärme zu spüren. Während Ruth Meyer die Hände desinfiziert und sich im engen Raum für die Arbeit einrichtet, unterhält sie sich mit der Frau.

      «Nein, es tut mir nichts weh. Bin halt nicht wehleidig.»

      «Das habe ich gemerkt, Frau Tobler.»

      «Man muss lachen können. Es gibt sicher Patienten, die heulen. Warum? Sie sind ja hier, um mir zu helfen. Also muss ich es annehmen und das Möglichste daraus machen.»

      «Das ist wunderbar», sagt Ruth Meyer.

      «Dann bin ich das Wunder, und Sie sind bar», kommt es von Anna Tobler umgehend zurück.

      «Eine schöne Antwort. So passt alles zusammen.»

      Was die Pflegefachfrau tut, sagt sie vorher der Klientin. «Zuerst leere ich das Säckli. Sie können noch in der Wärme bleiben.» Frau Toblers Blase arbeitet nicht mehr selbstständig, weshalb sie einen Dauerkatheter braucht und morgens der Urinbeutel geleert wird. Als Ruth Meyer ins Badezimmer geht, wird sie von Anna Toblers Tochter angesprochen: «Wie steht es in Ihren Notizen wegen der Frotteewäsche? Sind die gelben Tücher für oben und die blauen für unten oder andersrum? Ach, spielt eigentlich keine Rolle, ich wasche sowieso häufig.» Geduldig erklärt Ruth Meyer, wohl nicht zum ersten Mal, sie verwende die helleren Farben für das Gesicht und den Oberkörper. Beginnen werde sie nun mit Dunkelblau. Sie legt das Frotteetuch über den linken Arm, lässt lauwarmes Wasser in ein Plastikbecken, legt einen dunkelblauen Lappen hinein und geht damit zu Frau Tobler ans Bett. «Ich bringe das Wasser, um Sie zu waschen, aber zuerst binde ich Ihre Beine ein. Dafür nehme ich Ihnen etwas von der Wärme.» Die Pflegefachfrau kniet sich am Fussende hin, schiebt das Duvet leicht zurück, greift blindlings nach rechts, wo sie zuvor die Körperlotion platziert hatte. «Ich massiere Ihnen die Füsse, die sollen Sie heute tragen.» Heute ist ein guter Tag. Die Wolken am Ferienort von Frau Tobler haben sich verzogen, ihre Stimme ist kräftig: «Ich mache alles mit, Sie müssen auch eine Freude haben.»

      Nach der Fussmassage erhält sie einen Kompressionsverband, um den Kreislauf und die Gehkraft zu stärken. «Damit Ihnen nicht sturm wird, wenn Sie aufsitzen.» Von den Zehenwurzeln bis unter die Knie legt Ruth Meyer den Verband, nicht zu locker, nicht zu satt, mit routinierten Kreisbewegungen, die in ihrer Sorgsamkeit einmalig wirken. Anna Tobler macht wie versprochen mit, hebt das linke, dann das rechte Bein.

      «Damit es ringer geht für Sie. Die Beine kann ich lange in der Luft halten. Ich übe im Bett halt immer.»

      «Sie machen das gut. Können Sie die Zehen gut bewegen, drückt es nirgends?»

      «Von hier oben aus gesehen, geht es gut.»

      Zum Schluss stülpt die Pflegefachfrau erst dünne, beige Kompressionssocken, dann weiche, bunte Wollsocken über die Zehen. So wie es Frau Tobler seit Langem gewohnt ist. «Wichtig ist, jedes Mödeli der Leute zu kennen und beizubehalten», sagt Ruth Meyer. Deshalb berücksichtigt sie auch praktische Ideen von Angehörigen: Um den Kunststoffschlauch des Katheters wickelt die Tochter jeweils ein Leinentüchlein, das Frau Toblers empfindliche Haut schützen soll. Die Pflegefachfrau tut dies nun genauso. Sie hat blaue Einweghandschuhe angezogen und kontrolliert die heikle Eintrittsstelle des Katheters, bevor sie mit der Intimpflege beginnt.

      «Ist die Wassertemperatur so recht?»

      «Ja, ja, ich bin nicht heikel.»

      «Das weiss ich, Frau Tobler. Nun gebe ich Ihnen ein Schüpfli, damit Sie sich auf die Seite drehen und ich das Gesäss waschen kann.»

      «Manches möchte ich lieber nicht haben, aber ich reklamiere nicht. Wenn es ganz unangenehm wäre, würde ich es sagen.»

      «Frau Tobler, Sie dürfen jederzeit sagen, wenn Sie etwas stört. Ich bin auch nicht heikel.»

      «Das merke ich mir.»

      Ruth Meyer denkt bereits weiter. Links, leicht oberhalb des Gesässes, hat die Klientin eine Druckstelle, die nicht wund oder gar entzündet werden darf. Um die Stelle zu kontrollieren, dreht sie Frau Tobler auf den Rücken zurück, umrundet das Bett und dreht sie nun auf die andere Seite.

      «Das sieht besser aus, auftragen muss ich nichts. Aber diese Stelle müssen wir im Auge behalten.»

      «So, so, ich sehe halt nicht um die Ecke.»

      «Ich massiere das Gewebe um die gerötete Stelle. Das regt die heilende Durchblutung an.»

      «Wovon kommt das denn?»

      «Vom Druck. Sie liegen im Bett oft auf dem Rücken und sitzen im Rollstuhl darauf.»

      «Aha. Und dann bin ich noch difficile.»

      «Auf Druck reagieren wir alle empfindlich.»

      Ruth Meyer zieht der liegenden Klientin eine weiche, bequeme Hose an, prüft, ob die Nähte nirgends drücken und bittet Frau Tobler, sich aufzurichten. Das geht heute gut, ohne Hilfe, genauso wie die drei kleinen Schritte bis zum Rollstuhl. «Mir ist nicht sturm, ich bin stark, habe schwer gelebt.» Der Rollstuhl passt knapp durch die Türöffnung des Badezimmers und vor das Lavabo.

      «Für das Waschen von Gesicht und Oberkörper habe ich hier das Wasser schon bereit gemacht.»

      «Bin ich sehr dreckig?»

      «Ich glaube nicht», lacht Ruth Meyer und gibt der sitzenden Frau den feuchten, gelben Waschlappen in die rechte Hand. Anna Tobler schliesst die

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