Puzzeln mit Ananas. Pascale Gmür

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Puzzeln mit Ananas - Pascale Gmür

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Zeit schmerzte. «Ich übe halt immer, und die Hand geht noch gut, das ist die Hauptsache.»

      «Sie können noch viel machen, das ist wahr. Wenn Sie sich jetzt nach vorne beugen, wasche ich den Rücken.» Nach dem Abtrocknen reibt die Pflegefachfrau Kampfersalbe ein, weil das Anna Tobler ganz besonders mag.

      «Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so verwöhnt worden.»

      Während die munter gelaunte Frau in der Küche mit dem Inhalationsgerät ein- und ausatmet, räumt Ruth Meyer in Schlaf- und Badezimmer auf, lässt frische Luft herein und hört aus der Küche: «Das ist nur ein Spiel. Ich bin mich anderes gewohnt, weiss, was schwer arbeiten heisst.» Die Tochter hat die zahlreichen Medikamente auf einen Teller gelegt, und Frau Tobler schluckt sie blitzschnell mit Wasser. Ruth Meyer bringt die gereinigte Brille von Anna Tobler und überrascht damit die Tochter.

      «Sie putzen sogar die Brille meiner Mutter? Kürzlich sagte ich zu ihr: Merkwürdig, deine Brille wird nie schmutzig.»

      «Das gehört bei mir dazu. Ich sorge für einen klaren Blick.»

      Frau Tobler blickt auf ihre Hände:

      «Da sehen Sie, wie alt ich bin.»

      «Genau, das sind Ihre Lebensspuren. Jetzt muss ich weiter.»

      «Schade.»

      «Ich komme morgen Früh wieder. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Adieu.»

      Ruth Meyer bestätigt auf ihrem Tablet alle aufgelisteten Pflegeschritte, tippt eine Notiz zum Schmerzpflaster am Oberarm, das sie heute entfernt hat, und stoppt den Einsatz. Nach fünfzig Minuten. Erstaunlich, dass nicht mehr Zeit verstrichen ist während der vielen Handlungen, den Zwiegesprächen und ruhigen Zuwendungen. Während all dem, was die betagte Frau erhalten und was zur Entlastung der Tochter beigetragen hat. «Die Tochter hat eine schwierige Aufgabe übernommen», sagt Ruth Meyer. «Ich weiss nicht, wie lange sie das tragen kann. Demnächst findet wieder ein Standortgespräch statt. Im Übergangsteam haben wir den Vorteil, beweglich auf Veränderungen reagieren zu können.» Die Kolleginnen der anderen Pflegeteams haben ihre festen Touren – in der Region Thal sind es täglich 35 –, die Einsätze der Fachfrauen des Übergangsteams variieren aber. «Manchmal ist es anstrengend und die Tage können sehr lang sein.» Ruth Meyer ist für ein Pensum von achtzig Prozent angestellt. «Ich bin flexibel und setze laufend Prioritäten. Mein Pensum ist erreicht, wenn die Arbeit fertig ist. Für mich stimmt es so, aber wir dürfen das nicht allen Mitarbeitenden zumuten.»

      Ruth Meyer ist Mutter von fünf nun erwachsenen Kindern und bewirtschaftete bis vor Kurzem mit ihrem Mann einen Bauernhof mit zwanzig Milchkühen und Kälbern, welche sie für die Aufzucht behielten. Den Hof führt heute ein Neffe weiter. Ruth Meyer lebt mit ihrem Mann und drei Kindern, die noch in Ausbildung sind, im Stöckli oberhalb des Hofs. «Nun bin ich Bienenfrau.» Sie imkert und hat eine Hühnerschar, ihr Mann hilft auf dem Hof aus. Als Mutter und Bäuerin gehörte es dazu, sich mit Unerwartetem anzufreunden und den Lebensstufen zu folgen – wie sie es schon von ihrem Beruf her kannte, den sie jung gewählt und an der Schule für Gemeindekrankenpflege in Sarnen erlernt hatte. «Die ambulante Pflege hat mich stärker begeistert als die stationäre. Weshalb, weiss ich eigentlich nicht, ich habe oft aus dem Bauch heraus entschieden.» Schule und Praktika auf verschiedenen medizinischen Gebieten wechselten sich ab, 1986 kam Ruth Meyer nach Balsthal als Praktikantin für Gemeindekrankenpflege, die damals der katholischen Kirche unterstellt war.

      Nach der Diplomierung folgte das Pflichtjahr als Angestellte einer Gemeinde. Ruth Meyer wählte Wildhaus im Obertoggenburg und wusste wohl nicht, was auf sie zukommen würde, als einzige Krankenschwester für das weite Gebiet zwischen Säntis und Churfirsten. Sie arbeitete von zu Hause, holte das Pflegematerial bei den Landärzten, fuhr mit dem Auto und bei Schnee auf Skiern zu abgelegenen Häusern und Höfen. «Ich musste zu jeder Tages- und Nachtzeit los, vor allem wenn Menschen daheim starben, oder bei schweren Lawinen- oder Pistenunfällen. Dann musste ich beim Bergen helfen, und falls es Tote gab, sie für die Gerichtsmediziner vorbereiten. Wenn Menschen zu Hause verstorben waren, wurden sie jeweils von der Gemeindeschwester angekleidet – auch jene, die zuvor keine Pflege erhalten hatten. «Wir hatten das in der Schule gelernt. Heute tun wir es nur, wenn wir jemanden vorher gepflegt haben. Ansonsten sind jetzt die Bestattungsbeamten zuständig.»

      Damals in Wildhaus war Ruth Meyer erst 21 Jahre alt. Wie kam sie damit zurecht, unbekannte, tote Menschen zu berühren? «Das Lebensende hat für mich schon immer auf positive Weise dazugehört.» Sie wuchs in einem Mehrgenerationenhaus auf, in einem kleinen Thurgauer Dorf. Die Grosseltern starben daheim, die Grossmutter war lange krank gewesen. «Früher sagte man bettlägerig. Sie wurde während Jahren von uns, vorwiegend von meiner Mutter, gepflegt. Ich hatte nie das Gefühl gehabt, es sei eine Belastung für sie. Vielleicht entschied ich mich deshalb für den Pflegeberuf.»

      Wenn Ruth Meyer ihre Arbeit von vor dreissig Jahren mit heute vergleicht, stellt sie fest, dass die Leute damals weniger früh Pflege erhielten. «Und wenn sie Hilfe brauchten, waren sie ganz einfach dankbar, dass wir kamen, selbst wenn ich in Wildhaus oft erst am Nachmittag die Zeit fand, eine abseits wohnende Frau zu besuchen, um sie zu waschen. Das ist heute ganz anders. Besonders Leute, die nicht täglich die Spitex brauchen, äussern ihre Ansprüche. Ein Paradebeispiel: Sie wollen exakt um Viertel nach sieben geduscht werden, weil sie den Tag verplant haben, und begreifen nicht, dass wir frühmorgens zu jenen gehen, die ohne uns nicht aufstehen können.» Auch viele Diabetikerinnen und Diabetiker, die nicht selbstständig Insulin spritzen können, erwarten die Spitex: Sie dürfen erst frühstücken, nachdem die Pflegenden den Blutzucker gemessen und das korrekt dosierte Insulin verabreicht haben.

      Frau Tobler sitzt inzwischen mit der Tochter beim Frühstück, und die Pflegefachfrau ist im nächsten Dorf angelangt, wo sie bei Frau Baumgartner klingelt. Deren Betreuerin öffnet und bittet sie, eine Viertelstunde zu warten, bis die Klientin fertig geduscht sei. Ruth Meyer bleibt freundlich und beschliesst, nachher direkt mit Frau Baumgartner über das verabredete Zeitfenster zu sprechen. Die sechzigjährige Geschäftsfrau erhielt vor einigen Monaten eine Krebsdiagnose, hat mehrere Spitalaufenthalte hinter sich, wird vom Onkologen und vom Übergangsteam der Spitex eng begleitet, möchte weiterhin im eigenen Haus bleiben, kann aber nicht mehr allein leben. An manchen Tagen fühlt sie sich beim Gehen selbst mit dem Rollator unsicher. Um in dieser veränderten Situation eine gute Lösung zu finden, organisierte Ruth Meyer ein Familiengespräch mit der Klientin und ihren beiden fürsorglichen Söhnen. Die Spitex-Einsätze und die Besuche der Söhne liessen sich intensivieren, doch es genügte nicht: Falls Frau Baumgartner stürzen sollte, wäre in diesem Moment wahrscheinlich niemand bei ihr. Die Söhne wandten sich an eine Vermittlungsstelle für Care-Migrantinnen, da Frau Baumgartner eine offene, kommunikative Persönlichkeit ist und über gute finanzielle sowie räumliche Voraussetzungen verfügt, damit jemand rund um die Uhr für sie da sein kann. Kürzlich traf die jetzige Betreuerin aus Kroatien ein.

      Die Spitex kommt zurzeit zwei Mal wöchentlich für die vereinbarten Aufträge. «Was dazwischen geschieht, zählt zur Autonomie der Klientin», sagt Ruth Meyer. Beim heutigen Besuch misst sie den Blutdruck, bereitet die Medikamente für die nächste Woche vor und versorgt zwei offene Wunden, die bei Stolperstürzen entstanden sind. Frau Baumgartner sitzt seitlich am Küchentisch, mit dem rechten Bein auf dem Sitzbrett des Rollators.

      «So müssen Sie sich nicht bücken, Frau Meyer. Haben Sie gesehen, es blutet!»

      «Das ist gut, Frau Baumgartner. Damit das Wundsekret herauskommt, feuchte ich nochmals die Gaze an.» Dann massiert sie mit drei Fingern das Gewebe rund um die Verletzungen herum.

      «Wie

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