Martin Fourcade. Martin Fourcade
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Sie hatte vergessen, ihr Magazin zu leeren, als wir den Schießstand verlassen hatten, hatte nicht gemerkt, dass eine Patrone in den Lauf geführt wurde beim Laden; sie hatte richtig geschossen, und die Patrone des Kalibers .22 ging nur wenige Zentimeter an meinem Kopf vorbei.
Zurück zum Ausgangspunkt
Abgesehen von diesem Vorfall, der mich für immer geprägt hat, ist das Jahr gut verlaufen. Sportlich gesehen übertrafen meine Fortschritte und meine Ergebnisse die Erwartungen. Ich gewann Titel im Biathlon, im Skilanglauf gehörte ich zu den französischen Top 5, und ich qualifizierte mich für die Europameisterschaften in Österreich.
Was die Schule anging, war es etwas komplizierter. Ich glaube, das Internat lag mir nicht, und wenn ich nicht meine drei Zimmergenossen gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich nicht das ganze Jahr durchgehalten. Die anderen Athleten meiner Altersklasse waren Externe. Sie gingen nach der Schule nach Hause zu ihren Eltern, Brüdern, Schwestern, zu ihren Freunden aus Kindertagen … Das fehlte mir.
Außerdem arbeitete ich nicht genug für die Schule. Als der Frühling begann, kam es hart auf hart. Das Ende der Wettkämpfe, die Aussicht auf eine lange Vorbereitungsphase, fast acht Monate, bevor ich mich wieder an der Konkurrenz messen konnte … Meine Freunde und meine Freundin aus Font-Romeu fehlten mir, dazu die Erinnerung an den schönen Sommer am See – all das trug dazu bei, dass ich mich zunehmend deprimiert fühlte. Ich hatte das Gefühl, meine Jugend zu verpassen.
Zudem kam es in der Gruppe zu Spannungen. Thierry war bereits auf die kommende Saison fokussiert, während wir alle erst noch etwas Dampf ablassen mussten. Und dann war da noch der Junioren-Weltmeistertitel von Simon, der mir paradoxerweise Angst einflößte: Die enorme Arbeit und die Opfer, die er für seine Leistung erbringen musste, waren mir durchaus bewusst, und ich träumte zwar selbst von solchen Erfolgen, war aber innerlich noch nicht bereit dazu, genau so viel dafür zu tun.
Dank der Brückentage im Mai konnte ich nach Hause fahren, meine Kumpels wieder treffen und in mein Leben von früher eintauchen. Dabei wurde mir klar, dass Villard, so weit weg von meinem früheren Leben, für mich der falsche Weg war. Ich wollte wieder so sein wie als Teenager, wollte mit meinen Kumpels eine ruhige Kugel schieben, im Wassersportzentrum jobben und meinen Bootsführerschein machen. Ich wollte nicht mehr all diese Opfer hinnehmen, die nötig waren, um gut vorbereitet zu sein für das erste Trainingslager im Herbst, wollte wieder einen unbeschwerten Sommer wie früher erleben! Andererseits wusste ich, dass zwei Monate Nichtstun nicht vereinbar waren mit den hohen Zielen, die ich mir gesteckt hatte. Mir wurde klar, dass es eine Diskrepanz gab zwischen dem, was ich wollte, und dem, was ich bereit war, zu geben und zu opfern, um dies zu erreichen.
Ich vertraute mich Jean-Guillaume an und einigen anderen aus der Gruppe, meinen Freunden aus den Pyrenäen und auch meinen Eltern. Es Simon zu sagen, war schon schwieriger. Ich hatte Angst, ihn zu enttäuschen. Nach dem Ende unserer Kindheit hatten wir uns nie mehr so oft gesehen wie jetzt hier in den Alpen. Obwohl jeder von uns seine eigenen Freunde und Termine hatte, verbrachten wir auch viel Zeit miteinander in Villard. Nach der Woche im Internat war ich am Wochenende bei meiner Gastfamilie, besuchte aber auch Simon regelmäßig. Nie zuvor in unserem Leben standen wir uns so nah. Ich glaube, dass auch er stolz darauf war, wenn man in der Skiwelt von den »Brüdern Fourcade« sprach.
Es traf ihn, als ich ihm ankündigte, dass ich aufhören und zurückgehen würde. Doch er hat nicht versucht, mich umzustimmen. Ich denke, er hatte es wohl schon eine Weile gespürt, dass ich an diesem Punkt war. Der Frühlingsblues ist ein bekanntes Phänomen im Skilanglauf: Sechs Monate ohne Schnee, sechs undankbare Monate des einsamen Trainings, jedenfalls fast – mit dem Wissen, dass es sich zieht, dass es hart wird und dass du die Früchte deiner Arbeit erst im Dezember ernten wirst, wenn alles gut geht … Das hat schon mehr als einen von diesem Sport wieder abgebracht. Auch Simon hatte diese Phase durchgemacht. Ich aber war mit meinen damals 16 Jahren nicht in der Lage, sechs Monate lang die Zähne zusammenzubeißen.
Nachdem Simon Bescheid wusste, blieb nur noch einer, mit dem ich sprechen musste, und davor graute es mir am meisten: Thierry Dusserre. Ich fühlte mich schlecht ihm gegenüber, da ich ihn sehr schätzte (und noch immer schätze): dafür, was er für ein Mensch ist, aber auch für das Vorbild, das er in Sachen Professionalität und grenzenlosem Einsatz für den Biathlonsport ist. Er gibt alles für diesen Sport und für seine Schützlinge. Wir übernachteten regelmäßig bei ihm, um bei den Trainingslagern Kosten zu sparen, er kochte für uns, kümmerte sich um alles für uns. Und ich? Ich hatte keine Lust mehr, den gleichen Einsatz für den Sport zu bringen wie er. Ich stellte mir vor, im Herbst weiterzumachen, ohne die nötige Anstrengung unternommen zu haben, die er von uns allen erwartete. Ich wollte wieder zur Gruppe stoßen, ohne auch nur das Mindeste dafür getan zu haben. Ich wusste sehr wohl, welche Folgen das haben musste. Schon mit dem ersten Training auf Rollski würden diese sichtbar werden: Das hohe Niveau kennt keine Gnade für jene, die mogeln, wenn es um den dafür erforderlichen Einsatz geht. Ich wollte ihn nicht anlügen, hatte aber das Gefühl, ihn irgendwie zu betrügen, wenn ich nur daran dachte, aufzuhören. Und doch wollte ich all das hinter mir lassen, die bisherigen guten Ergebnisse hin oder her. Ich fühlte mich schuldig dafür, keine Lust mehr zu haben. Aber in meinem Kopf war es bereits eine beschlossene Sache: Ich würde dem Biathlon den Rücken kehren …
Neustart wie im Flug
Immerhin hatte ich den Mut, es ihm zu sagen. Thierry versuchte kurz, mich zu überzeugen, aber mein Entschluss war gefasst und nicht mehr zu revidieren. Er wusste das, kannte meinen Dickkopf und meinte: »Ich hoffe, du wirst das nicht bereuen …«
Nein, ich habe es niemals bereut, auch wenn ich, sportlich gesehen, einige Jahre nach meiner Pause den Rückstand wieder aufholen musste. Für mich war das damals genau das Richtige – und vielleicht auch die Voraussetzung dafür, dass ich schließlich mit den gleichen Zielen, aber mit einer neuer Willensstärke, zurückkommen konnte. Denn ich nutzte diese Zeit auch, um zu erkennen, warum ich diesen Sport und den Wettkampf wirklich liebe … Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich bis heute, nach so langer Zeit und obwohl ich inzwischen die meisten Ziele, die ich mir gesetzt hatte, erreicht habe, immer noch begeistert bei der Sache bin.
Es dauerte ein bisschen, bis ich mich dazu entschloss, ein Sieger zu werden, bis ich erneut meine Sachen packte. Denn jetzt war ich erst einmal wieder zu Hause. Mein Vater hatte mir ein Zimmer neben der Garage ausgebaut, damit ich dort für mich sein konnte, ich war wieder mit meinen Kumpels am See und habe das Leben genossen. Es war herrlich!
Manchmal begleitete ich meinen Vater beim Triathlon. Es machte mir Spaß, und ich stellte mich gar nicht so schlecht an. Ich bestritt sogar ein paar Wettkämpfe mit ihm, und als die Schule wieder losging, widmete ich dem Ganzen noch mehr Zeit. Schwimmen in der Schule, spezielles Training mittwochs und samstags, plus einige Touren auf dem Rad abends unter der Woche mit meinem Vater. Ich hatte nie das Temperament, um lange inaktiv zu bleiben …
Mithilfe des Triathlons konnte ich meine Disziplin und meine Fitness insgesamt aufrechterhalten. So blieb ich jederzeit – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden – in der Lage, wieder auf die Ski zu steigen.
Während ich in Villard war, hatte im Nachwuchszentrum von Font-Romeu der Biathlontrainer gewechselt. Denis Boissière, der nun die Zügel in seinen Händen hielt, kannte meinen Werdegang und wusste, dass ich keine Lust mehr hatte, mich voll reinzuhängen. Im Herbst kam er auf mich zu und schlug mir vor, mich seiner Gruppe anzuschließen, ohne Druck. Einfach, um es mir anzuschauen. In der darauffolgenden Woche brachte er sein Team zur Vorbereitung nach Tignes und lud mich dazu ein. Sein Vorschlag klang verführerisch: »Du machst alles in deinem Rhythmus, du verpflichtest dich zu nichts. Wenn es dir gefällt, bleibst du so lange wie du willst, und wenn es dir nicht gefällt, dann fährst du eben wieder. So einfach ist das!«
Die Großzügigkeit seines Angebots machte es mir nicht leicht, ihm abzusagen. Außerdem ist Skifahren im Herbst eigentlich