Kirche geht .... Группа авторов

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Für viele Menschen hierzulande geht Kirche nicht mehr. Und sie ziehen daraus die Konsequenz, dass sie gehen, weggehen und austreten. Sie tun das mit Gründen, die sie konkret benennen, aus Enttäuschung, vielleicht auch verletzt, manche mit einer klaren Entscheidung, weil sie in dieser Kirche, wie sie lebt und erlebt wird, nicht die Gemeinschaft finden, die sie suchen, andere auch leichtfertig und leichtsinnig, ohne tiefere Motivation und häufig eben auch nur aus finanziellen Gründen. Bis in die Kernschichten unserer Pfarreien hinein sind Menschen von der Kirche enttäuscht, weil in ihr offensichtlich nichts weitergeht, weil diese Kirche nicht mehr geht, sondern steht, stehen geblieben ist. Diesen Eindruck haben viele, und das wohl nicht ganz zu Unrecht.

      Das ist freilich nur die eine Seite der Realität unserer katholischen Weltkirche, zu der sich weltweit weit über eine Milliarde Menschen bekennt. Jedes Jahr kommen – rein statistisch gesehen – einige Millionen dazu. Es ist auch eine Tatsache, dass unsere Kirche für viele Menschen als Kirche vor Ort ganz konkret als ein Stück Heimat, als ein Ort von Lebens- und Beziehungskultur erfahren wird, als Gemeinschaft, die trägt, als Gestalt der Solidarität und der Hoffnung. Viele sagen es – in den Kirchen des Südens häufiger als bei uns: „Wir sind Kirche, katholische Kirche.“ „We are Catholics“, und sie sagen es etwa in Afrika, überzeugt und mit einem gewissen Selbstbewusstsein und nicht nur unter vorgehaltener Hand, nicht mit Scham und Minderwertigkeitsgefühlen, wie das bei uns nicht so selten der Fall ist. Sie entschuldigen sich nicht dafür, dass sie katholisch sind.

      Unsere Kirche befindet sich bei näherem Hinsehen – weltweit gesehen – nicht in einem Niedergang, sondern in einem vielgestaltigen Prozess der Ekklesiogenese (Leonardo Boff), einer Gestaltwerdung von Kirche. Sie ereignet sich immer wieder neu, an alten und neuen Orten von Kirche, in Pfarreien, die sich vor allem in den Kirchen des Südens häufig als „Gemeinschaft von Gemeinschaften“ verstehen, in neuen geistlichen Gemeinschaften, vor allem aber in unzähligen „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“, die – global gesehen – wahrscheinlich den „Normalfall von Kirche“ darstellen. Geht Kirche also doch?

       Bekenntnis zur Möglichkeit und Zukunftsfähigkeit von Kirche

      Auf der Basis meiner eigenen Begegnung mit ganz verschiedenen Sozialgestalten von Kirche und christlicher Gemeinde, die mir – und ich formuliere das bewusst gnadentheologisch – im Laufe meines Lebens geschenkt wurden, auf der Grundlage eines theologischen Kirchenbildes, das von neutestamentlichen Gemeindeerfahrungen, vor allem aber von der Kirchenvision des II. Vatikanischen Konzils geprägt ist, formuliere ich ein Credo, das meinen Glauben an die Zukunftsfähigkeit und Hoffnungsgestalt der Kirche zum Ausdruck bringt:

      Ja, Kirche geht! Kirche ist unter ganz verschiedenen kulturellen, gesellschaftlichen und lebensgeschichtlichen Voraussetzungen, ja selbst unter – menschlich gesehen – unmöglichen Bedingungen möglich, weil Gott sie möglich macht, weil sein Geist Kirche als Gemeinschaft, als Gemeinde in Gestalt erfahrbarer communio stiftet und den Menschen Geistesgaben schenkt, die sie – wie in neutestamentlicher Zeit – zum Aufbau von Gemeinden vor Ort einsetzen.

      Kirche lebt und wird am Leben bleiben, weil sie aus dem Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu lebt. Sie ist keine statische unveränderliche, sondern eine historische Wirklichkeit, die dem Lebensgesetz des Weizenkorns unterworfen ist. Ihre äußere Sozialgestalt muss immer wieder vergehen, damit neues Leben aufbrechen und für die Menschen Frucht bringen kann. Kirche ist auf ihrem Weg durch die Zeit nicht deshalb am Leben geblieben, weil sie unwandelbar, sondern wandlungsfähig war.

      Dieses mein Credo, mein Kirchenbekenntnis kommt nicht zuerst aus historisch theologischen Einsichten, sondern hat seinen Sitz in meinem Leben als katholischer Christ, Ordensmann, Missionar und Theologe.

      Ich habe Kirche und christliche Gemeinde in sehr verschiedenen Gestalten erlebt und wahrgenommen:

      – In neun Jahren als Pfarrer in der Begleitung Kirchlicher Basisgemeinden im Nordosten Brasiliens und an der Peripherie von São Paulo.

      – Im unmittelbaren Erleben von „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ bei Forschungsaufenthalten in Südafrika, Mosambik, Uganda, Kenia und Tanzania.

      – In der Wahrnehmung und Erforschung verschiedener Gemeindeerfahrungen aus Asien in der Begleitung von Diplom- und Doktorarbeiten von Theologen aus verschiedenen Ortskirchen.

      – In der Wahrnehmung der Entstehung von „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ und neuer Gemeindeerfahrungen im deutschsprachigen Raum, eine Entwicklung, die mich – gerade im Kontext der gegenwärtigen Glaubwürdigkeitskrise unserer Kirche und mancher ihrer Umstrukturierungsprozesse – hoffnungsvoll stimmt.

      Das alles und vieles mehr lässt mich zur Überzeugung kommen, dass Kirche „auch heute geht“, dass sie aber dynamisch verstanden und gelebt werden muss, als pilgerndes Volk Gottes, das nicht kleingläubig aus Angst vor Glaubens- und Identitätsverlust wie gelähmt stehen –, sondern auf dem Weg bleiben und sich aus der Kraft des Geistes verändern und neu gestalten muss.

       Theologische Grundlagen für ein dynamisches Verständnis von Ortskirche

      Auf diesem Symposion wird mit Recht und theologisch legitim von der „Dynamik lokaler Kirchenentwicklung“ gesprochen, eine Redeweise, die nach meinem Verständnis ihre Basis in der Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils hat. Diese Kirchenvision hat – bei aller bleibenden Bruchstückhaftigkeit – in der Weltkirche ihre Verwirklichung gefunden.

      Unsere Kirche ist weltweit de facto nicht eine zentralistisch straff und hierarchisch organisierte internationale Institution, sondern eine multikulturelle Gemeinschaft von Teilkirchen und Ortsgemeinden, in denen sich die eine katholische und apostolische Kirche auf je verschiedene Art und Weise inkulturiert und sichtbar Gestalt annimmt. Nur so wird sie für Menschen verschiedener Völker und Kulturen erfahrbar und lebbar.

      Katholizität, wie sie das Konzil versteht, bedeutet Einheit, aber nicht Uniformität. Das Marken- und Gütezeichen der katholischen Kirche ist ihre spannende und deshalb auch spannungsreiche Vielfalt. Das gilt vor allem für die Gemeindeentwicklung, durch die die eine katholische und apostolische Kirche vor Ort sehr verschiedene Sozialgestalten angenommen hat. Das ist theologisch legitim und pastoral lebensnotwendig.

      Ohne hier die Einzelheiten der Ortskirchentheologie des II. Vatikanischen Konzils zu entfalten, sei nur darauf verwiesen, dass nach der Lehre des Konzils „diese Kirche wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend ist“ (II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, n. 26).

      Das Konzil hat dann in derselben Nummer der Kirchenkonstitution in einer prophetischen Vision auf eine Gestalt der Kirche hingewiesen, die inzwischen millionenfach Wirklichkeit geworden ist: „In diesen Gemeinden, auch wenn sie arm und klein sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig“ (Kirchenkonstitution, n. 26).

       Kraftvolle Bilder und Vergleiche für die Dynamik gegenwärtiger Kirchen- und Gemeindeentwicklung

      Unsere Kirche ist nicht mehr das „Haus voll Glorie“, nicht die aus „ewigem Stein“ erbaute Festung und Trutzburg des Glaubens, die sicher, unnahbar und uneinnehmbar „oben“ auf einem Felsen thront: Sie ist pilgerndes Gottesvolk, die „unten“ bei den Menschen lebt und mit ihnen geht durch die Niederungen menschlicher Existenz. Dort, wo „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ (II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution, n. 1) zuhause sind, dort schlägt sie ihre Zelte auf, die man auch wieder abbrechen und anderswo aufbauen kann. Kirche bleibt nicht stehen, sie zieht mit. „Ist

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