Kirche geht .... Группа авторов

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(„structure follows strategy“).

      Netzwerkstrukturen eignen sich in besonderer Weise, die Kopplung im System im Blick auf Prozesse bedarfsgerecht zu variieren. Nicht die Aufgabenträger und ihre Funktion sind der Ausgangspunkt, sondern die Kunden und die Prozesse, die gebraucht werden, um die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Netzwerkstrukturen setzen auf dezentrale Ressourcenverantwortung und die Selbststeuerung autonomer Teilsysteme in Teams und Projekten. Sie fördern die horizontale Vielfalt (Differenzierung und Diversität) und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, über Abweichung vom Standard Innovationen hervorzubringen.

      Die Kirche ist eine heterogene Mischorganisation, in der gleichzeitig unterschiedlichste Organisationsmodelle wirksam sind. Es besteht in der Vertikalen eine hohe formal-strukturelle Komplexität, die eine Vielzahl höchst langwieriger und redundanter Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse erforderlich macht. Das dient der Vereinheitlichung und der Stabilität, verhindert aber eine zeitnahe und flexible Anpassung an veränderte Umweltanforderungen. Das System ist strukturell fixiert (vgl. Dessoy 2010 [b]).

      Angesichts der Krise reagiert die Kirche über weite Strecken nach altem Muster. Sie versucht, die Kopplung noch enger zu zurren, teils mit normativ-ideologischer („Hl. Rest“, „Leuchtender Berg“, „Biotope des Glaubens“) teils funktional-administrativer Begründung („bessere Steuerung“, „effizienteres Management“). In beiden Fällen wird Kompetenz nach innen und oben verlagert.

      Das Gegenteil scheint angeraten: Die auf größtmögliche Stabilität und Funktionalität ausgerichtete Gestalt ist so zu transformieren, dass sie sich nachhaltig in einem dynamischen Umfeld bewegen kann, das maximale Flexibilität und Innovation erfordert. Kundennähe, Differenzierung und Beweglichkeit gewinnt Kirche dann zurück, wenn sie Strukturen und Prozesse im Binnenbereich dezentral organisiert, also ihre horizontale Komplexität erhöht, und zugleich ihre vertikale Struktur vereinfacht, sich im Overhead wesentlich schlanker aufstellt als bisher.

      Die Kirche der Zukunft wird sich als Netzwerk multipler Kirchorte darstellen: Lose gekoppelte, autonome (selbststeuernde) Einheiten unterschiedlicher Formate („Gemeinden“) kooperieren in großen pastoralen Räumen prozess- und projektbezogen miteinander. Einzelne profilierte kirchliche Zentren bündeln die pastorale Arbeit inhaltlich und personell, richten Akteure und Aktivitäten auf das Ganze und die Einheit aus, schärfen exemplarisch das Profil von Kirche nach innen und außen und sichern ggf. eine knapp bemessene „Grundversorgung“ (vgl. Dessoy 2009, Kehl 2009). Wie aber geschieht hier Steuerung?

       (6) Kriterium 6: Prozesse – rational, transparent, verbindlich

      Lernprozesse in Organisationen setzen voraus, dass Basisprämissen und Regeln transparent und für alle Beteiligten gleichermaßen verbindlich sind. Sie können nicht einseitig und beliebig geändert oder außer Kraft gesetzt werden. Umgekehrt sind sie einem rationalen Diskurs zugänglich und (zumindest langfristig) veränderbar. Hierfür gibt es wiederum allseits bekannte und verbindliche Regularien.

      In lose gekoppelten Organisationsformen gelten nur ganz wenige, übergeordnete Basisprämissen und Metaregeln. Die konkreten Spielregeln werden von den jeweils Beteiligten selbst mit Hilfe zeitlich befristeter, verbindlicher und überprüfbarer Vereinbarungen festgelegt. Steuerung geschieht cross-over über Kontrakte, nicht top-down über Vorgaben.

      Das klingt trivial, ist jedoch für die Kirche eine besondere Herausforderung: Trotz anderer, hierarchisch-bürokratischer, synodal-demokratischer oder kooperativ-teamorientierter Traditionen (Dessoy 2010 [b]), ist sie in ihrem Kern durch eine monarchischfeudale, bisweilen absolutistische Form der Machtausübung geprägt (vgl. Gärtner, 2002). Kennzeichnend sind zwei Regeln:

      – 1. Regel: Persönliche Beziehungen sind entscheidend. Regeln können sich jederzeit ändern – jenseits formaler Regularien und unabhängig vom eigenen Zutun. Durchgriff und Bestrafung an formalen hierarchischen Ebenen vorbei sind möglich etc.

      – 2. Regel komplementär: Regeln und Vereinbarungen müssen nicht eingehalten werden, solange keine ernsthaften (öffentlichen) Störungen auftreten oder Machtinteressen anderer berührt werden. Die Folge ist ein ritualisiertes Muster „geplanter Folgenlosigkeit“: Man trifft sich, bespricht sich, vereinbart sich – und hält sich nicht daran.

      Dieser Mechanismus lähmt das zentrale Nervensystem der Organisation durch einen kulturell und strukturell verankerten Überhang negativer Feedback-Schleifen. Veränderungsimpulse können sich nicht fortpflanzen und verstärken. Das macht das System hochgradig stabil.

      Eine Kulturveränderung setzt gerade hier an: Ziele, Vorgehensweisen und Regeln der Zusammenarbeit sind transparent zu machen, operational zu beschreiben, verbindlich zu vereinbaren und konsequent zu überprüfen. Feudal-normative Eingriffe sind konsequent zu unterbinden. Das erfordert von den Beteiligten Mut, macht aber auf der anderen Seite auch sehr schnell deutlich, ob die Organisation in der Substanz und in der Führung bereit ist, die erforderliche Kulturveränderung mitzugehen.

       (7) Kriterium 7: Führung – ermöglichend, unterstützend, emanzipatorisch

      Organisationen, die sich in komplexen, dynamischen Kontexten bewegen, brauchen ein grundlegend verändertes (Rollen-) Verständnis von Führung und Leitung (vgl. Berkel 2008). Der Schwerpunkt verschiebt sich von der Organisation und Steuerung des Alltagsgeschäfts (dem klassischen Management) hin zur Begleitung von Innovations- und Transformationsprozessen. Der Manager der Zukunft ist „Systemarchitekt, Katalysator, Trainer und Spielführer, der die Mannschaft richtig einsetzt und zum Sieg führt“ (Doppler 2006, 33).

      Wenn die Transformation von Kirche im Rahmen einer offensiv-missionarischen Reformstrategie auf maximale Einheit und maximale Selbststeuerung zielt, besteht die Kunst des Führens und Leitens darin, kontextuell-situativ zu erkennen, was die Menschen im jeweiligen System aus eigener Kraft und Kompetenz zu leisten in der Lage sind, um sie an dieser Stelle zu unterstützen, den nächsten Lernschritt im Sinne der kirchlichen Gesamtstrategie zu gehen.

      In einem Szenario, das Kirche als Netzwerk multipler selbststeuernder „Kirchorte“ oder „Gemeinden“ begreift, sind kirchliche Führungs-/Leitungskräfte nicht in erster Linie für die operative Seelsorge oder deren Steuerung, sondern dafür verantwortlich, angemessene Bedingungen für lokale Lern- und Entwicklungsprozesse zu schaffen, also Differenzierung und Innovation durch größtmögliche Autonomie und Selbststeuerung zu ermöglichen. Modern formuliert: Die Kirche braucht zukünftig Führungskräfte, die sich als Coaches, also Spielertrainer, verstehen.

      Die Grundregeln, an die sich F&L-Kräfte zu halten haben, sind vergleichsweise einfach. Es gilt, nichts zu tun, was der Übernahme von Selbstverantwortung im Wege steht oder diese verhindert, dagegen alles dafür zu tun, dass die Verantwortung für die Seelsorge, ihre Organisation und Weiterentwicklung vom jeweiligen System, also den Menschen selbst aufgrund ihrer Taufwürde, wahrgenommen wird (vgl. Dessoy 2010 [b], Schrappe 2012). Konsequent angewandt lösen diese Prinzipien natürlich zunächst massiven Widerstand aus. Auf Dauer haben sie eine durchschlagende emanzipatorische Wirkung.

       (8) Kriterium 8: Personalpolitik – flexibel, charismenorientiert, leistungsbezogen

      Monolithische Rollenarchitekturen und ein bürokratisches Amtsverständnis sind denkbar ungeeignet, flexibel kundenorientierte Prozessketten zu knüpfen und netzwerkartige Organisationsstrukturen aufzubauen. Moderne Unternehmen setzen daher auf flexible Rollenarchitekturen. Sie stellen umfangreiche Qualifizierungs-, Förder- und Anreizsysteme bereit, damit die Mitarbeiter/innen den Sinn eines besonderen Einsatzes erkennen können und ihre Potenziale abrufen bzw. weiterentwickeln.

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