Kirche geht .... Группа авторов

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geht, macht sie (neue) Erfahrungen und dadurch lernt sie.

      Gehen hat auch mit „führen“ und „leiten“ zu tun. Die idg. Wurzel leit[h] steht für „gehen, dahingehen“. Im ahd. und mhd. entspricht dieser Bedeutung das Wort „leiden“, erst unter christlichem Einfluss wird daraus „dulden, ertragen, Schmerz, Kummer empfinden“. Das Verb „leiten“ ist das Veranlassungswort zu „leiden“, bedeutet ursprünglich „gehen oder fahren machen“. Ähnlich verhält es sich mit dem Wort „führen“, dem Veranlassungswort zu „fahren“. Das also ist die Kernaufgabe von Führung und Leitung: Nicht von oben zu bestimmen, was zu tun ist, sondern in Bewegung zu bringen, Erfahrung zu ermöglichen, Lernen in Gang zu setzen und den Übergang zu gestalten.

       (3) Kirche bleibt

      Zurück zum Titel des Kongresses: „Kirche geht“. Der Titel lässt unterschiedliche Assoziationen zu. Zwei scheinen besonders prägnant und in unserem Zusammenhang von Bedeutung zu sein.

      Die erste: „Kirche geht“ ist eine (generalisierende) Feststellung, ein Fazit: Kirche funktioniert! Das ist – selbst für den geneigten Beobachter – eine steile These. Die Realität sieht anders aus. Von außen hat man eher den Eindruck, dass sich die Kirche bei uns im fortgeschrittenen Stadium der Auflösung befindet. Ist man etwas näher dran, hört man von den Verantwortlichen, dass sie gerade nicht wissen, wie es geht. Aber alle wissen: Kirche (wie wir sie kennen) geht nicht mehr.

      Die zweite Assoziation: „Kirche geht“ ist eine Beschreibung: Kirche macht sich auf den Weg, kommt in Bewegung, ist (schon) unterwegs. Die Aussage ist bescheidener, öffnet den Blick auf Zukunft hin. Sie verweist auf Aufbrüche, gemeinsame Wege und neue Erfahrungen. Unvollständigkeit und Ungewissheit, Irrwege und Sackgassen gehören mit ins Bild.

      In der Verknüpfung beider Assoziationen liegt das Entscheidende: „Kirche geht nicht, wenn sie stehen bleibt“ also „Kirche vergeht, wenn sie bleibt (festhält)“, und umgekehrt, „Kirche bleibt, wenn sie geht“ oder anders „Kirche geht (funktioniert), wenn sie geht (loslässt)“. Der Satz „Kirche geht, wenn sie geht“ ist weder tautologisch, noch trivial. Er ist nicht tautologisch, weil „gehen“ Unterschiedliches bedeutet. Es ist wie im Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Matthäus 25,1–13): Kirche hat eine Zu-Kunft, Gott kommt auf sie zu, wenn sie sich auf den Weg macht. Und der Satz ist nicht trivial, weil der Mainstream anders gepolt ist: 90% der jährlich etwa 4,5 Mrd. Euro an Kirchensteuern werden in die Aufrechterhaltung des Status Quo gesteckt, in der Hoffnung, zu bleiben.

       2. Warum es wichtig ist, dass Kirche jetzt geht

      Die Kirche befindet sich – nicht ohne eigenes Zutun – in einer Situation, die sehr zeitnah entschlossenes Handeln erfordert.

       (1) … um aus dem Funktionsmodus in den Lernmodus zu kommen

      Organisationen sind Systeme, die auf Dauer ausgerichtet sind. Mit ihren Routinen sorgen sie dafür, dass Personen austauschbar bleiben und die Muster der Kommunikation reproduziert werden. In diesem Sinne sind Organisationen immer darauf ausgerichtet, stabil und funktional zu bleiben.

      Zugleich stehen Organisationen mit ihren Umwelten im Austausch von Materie, Energie und Information. Ändern sich die Umwelten, müssen sich Organisationen verändern, indem sie sich mit den Logiken der relevanten Umwelten koppeln. Veränderung (Lernen) ist systemisch gesehen die Bedingung von Stabilität (Funktionalität).

      Die große Herausforderung besteht dabei in der stetig ansteigenden Komplexität und Dynamik gesellschaftlicher Prozesse. Klaus Doppler formuliert das so: „Wir leben quasi in einem permanenten Ausnahmezustand. Das Leben in instabilen, turbulenten, unkalkulierbaren Umwelten ist die Normalität – und zwar aller Voraussicht nach auf Dauer“. In dieser Situation wird Lernen, also Gehen, immer wichtiger, zur Schlüsselkompetenz.

       (2) … um den vorhandenen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu nutzen

      Die Kirche existiert seit zweitausend Jahren und hat sich dabei immer wieder grundlegend und umfassend verändert. Heute, unter den Vorzeichen der Postmoderne, tut sie sich damit besonders schwer. Sie hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten in ihrem Bemühen, den volkskirchlichen Status Quo zu erhalten, sehenden Auges immer tiefer in eine Sackgasse manövriert.

      Die Folgen sind dramatisch: Die Kirche hat ihre Anschlussfähigkeit an die Menschen von heute weitgehend verloren. Die Auswirkungen sind unübersehbar, eine fortschreitende, generalisierte Dysfunktionalität.

      Tempo und Dynamik der Veränderungen werden bis heute massiv unterschätzt. Mental und organisatorisch auf maximale Stabilität und Funktionalität programmiert, sehen sich die Akteure Umwälzungen gegenüber, die für die Kirche (bei uns) in absehbarer Zeit existenzbedrohend sein werden.

      Noch sind hinreichend personelle, finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen vorhanden. Noch gibt es substantielle Gestaltungsspielräume. Es bleibt allerdings nur noch wenig Zeit, bis das System umkippt.

       (3) … um die vorhandene Kluft zur Umwelt nicht zu groß werden zu lassen

      Übergänge in komplexen, dynamischen Systemen verlaufen sprunghaft, insbesondere dann, wenn ihnen eine lange Phase der Stabilität vorausgeht, die Organisation das Lernen verlernt hat, und sich gleichzeitig die Kontextparameter sehr stark und sehr schnell verändern.

      Um lernen zu können, müssen Systeme von bestehenden Routinen abweichen und neue Wege erproben. Nur induktiv (experimentell) über „Versuch und Irrtum“ können innovative Lösungen gefunden werden, Lösungen, die einen Unterschied machen (vgl. Dessoy, Lames 2012). Abweichungen nützen der Organisation zwar auf Dauer, weil dadurch neue Lösungen gefunden werden können, die eine bessere Umweltpassung ermöglichen, wirken jedoch im Alltagsgeschäft zunächst immer als „Störung“ und erzeugen Stress.

      Je größer die Kluft ist, die es zu überbrücken gilt, je größer und grundlegender also der Lernbedarf der Organisation ist, umso mehr muss aufgegeben werden, ohne bereits neue Lösungen gefunden zu haben. Ängste und Widerstände wachsen, der Druck, (kurzfristige) Lösungen nach bewährten Mustern zu generieren, steigt und die Wahrscheinlichkeit einer innovativen Anschlusskommunikation sinkt. Daher ist es so wichtig, dass Kirche jetzt geht. Aber wie?

       3. Wie Kirche gehend gemacht werden kann

      Damit keine Missverständnisse entstehen: Die folgenden Kriterien sagen nichts darüber aus, wie Kirche (operativ) gehen, also Pastoral in veränderter Zeit betrieben werden kann! An dieser Stelle geht es ausschließlich um die Frage, wie Kirche gehend gemacht werden kann, also um die organisatorisch-kulturellen Rahmenbedingungen, die erforderlich sind, damit Kirche innovativ werden, sich wirksam erneuern und in veränderten gesellschaftlichen Kontexten wirkungsvoll und nachhaltig bewegen kann (vgl. Dessoy 2012 [a]).

       (1) Kriterium 1: Kirchenbild und Offenbarungsverständnis – Umkehr, Macht, Sinn

      Erneuerung setzt die grundlegende Bereitschaft voraus, miteinander zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Der neutestamentliche Begriff dafür ist Umkehr, Metanoia (vgl. Lames 2003). Sie gründet in der Erkenntnis, dass es für uns Menschen keinen

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